Seewölfe - Piraten der Weltmeere 462. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954398706
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sie frei.

      Die Männer johlten und pfiffen. Besonders Jean Ribault und seine Männer waren erleichtert. Sie waren um eine Sorge befreit.

      Die Pallhölzer wurden geborgen, ebenso die Taljen und die Leinen.

      „Der Rest wird morgen erledigt!“ verkündete Ribault dann mit lauter Stimme. „Jetzt gibt es erst mal eine Extraration Rum!“

      Nachdem der Anker der „Golden Hen“ geworfen war, ließ Ribault ein ganzes Fäßchen Rum an Land schaffen. Zwei Männer der „Pommern“-Crew entfachten ein Feuer, und wenig später hockten sie alle im Kreis zusammen, und es wurde tüchtig gefeiert.

      Old O’Flynn brachte seiner Mary, die noch an Bord der „Empress“ geblieben war, eine Muck Rum. Mary hockte bei Gotlinde und Gunnhild. Klein David war fest eingeschlafen, aber Thyra und Thurgil waren unruhig. Thyra weinte, Thurgil strampelte mit den Beinchen und gab seufzende Laute von sich.

      Um alle beide konnte sich Gotlinde nicht gleichzeitig kümmern. Mary nahm ihr Thyra ab und wiegte sie auf dem Schoß. Gotlinde summte ihrem Söhnchen ein Lied in ihrer Muttersprache vor, und bald nickte der Kleine ein. Aber auch Thyra verstummte jetzt.

      Thyra schlief ein, als der alte O’Flynn mit der Muck Rum an Bord enterte. Er sah das Kind auf Marys Schoß und blieb stehen. Irgendwie war er gerührt – oder ergriffen. Wenn er an den Nachwuchs dachte, wurde ihm ganz schwummrig ums Herz.

      „Na, übst du schon, Mary?“ fragte er mit etwas kratziger Stimme.

      Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Still. Sie ist gerade erst eingeschlafen. Willst du sie wieder aufwecken?“

      „Ich?“ brummelte er. „Nee.“

      „Was willst du, Mister O’Flynn?“ zischte Mary.

      Er schlich auf die Frauen zu und hielt Mary die Muck hin. „Da, trink einen Schluck. Es ist ein guter Tropfen.“

      „Rum?“ ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Dir geht’s wohl nicht gut? Eine werdende Mutter darf keinen Schnaps trinken. Willst du mich vergiften? Und das Kind?“

      Old O’Flynn begriff die Welt nicht mehr. Was war los? War denn alles verdreht? Vor lauter Verwirrung hätte er die Muck am liebsten selbst geleert, bezwang sich aber im letzten Moment. Der Henker mochte wissen, wie Mary darauf reagierte.

      „Mary“, schaltete sich Gotlinde schlichtend ein. „Ich habe den Eindruck, Donegal will so etwas wie einen Versöhnungsschluck mit dir trinken.“

      „So?“ Wieder musterte Mary ihren „Alten“. „Ist das der Grund für dein blödes Grinsen, Mister O’Flynn?“

      „Es ist kein blödes Grinsen, sondern ein fröhliches Lächeln, Miß Snugglemouse.“

      „Und darf man wissen, warum du so fröhlich bist?“

      „Weil wir Nachwuchs erwarten.“

      „Ich dachte, das paßt dir nicht“, sagte sie herausfordernd.

      „Ach, Unsinn, ich war nur – äh – völlig durcheinander“, sagte er. „So was passiert schließlich nicht alle Tage. Aber es wird ein kerniges Bürschchen, das weiß ich schon jetzt. Oder Zwillinge.“

      „Wer sagt dir, daß es ein Junge wird?“ fragte Mary. „Was ist, wenn es ein Mädchen wird?“

      „Auch gut“, erwiderte er. „Wichtig ist nur, daß es Nachwuchs gibt, sonst sterben die O’Flynns eines Tages noch aus. Dan, dieser Lümmel, denkt ja nicht daran, also muß jemand anderes für die Erhaltung der Sippe sorgen.“

      „Aha.“

      „Mary Snugglemouse“, sagte Old O’Flynn. „Ich freue mich auf unsere Kinder. Ehrlich.“

      Sie gab Thyra an Gunnhild ab, stand auf und drückte ihrem „Alten“ einen lauten Kuß auf.

      „Na, dann ist ja alles klar“, sagte sie ein bißchen rauh, aber glücklich. „Und nun hör endlich auf, so schief dreinzuschauen. Trink endlich deinen Rum, sonst wird er schlecht.“

      Old O’Flynn strahlte.

      „Prost, Ladys“, sagte er, dann leerte er die Muck in einem Zug.

      Am nächsten Tag, dem 21. April, wurden die Kanonen, die Pulverfässer, der Proviant und die übrige Ladung der „Golden Hen“ wieder an Bord der Karavelle gemannt. Die acht Legehennen blieben in einem Gehege an Land. Auch diese Arbeit nahm wieder einige Zeit in Anspruch, doch es waren nicht alle Männer dazu erforderlich.

      Jean Ribault, Old O’Flynn, Oliver O’Brien, Don Juan de Alcazar und Renke Eggens hatten sich abgesondert. Mit Leinen, Fackeln und Laternen ausgerüstet, begaben sie sich unter der Führung des Alten zu der Tropfsteinhöhle. Sie wollten sie jetzt gründlich inspizieren.

      Als auslösender Impuls für dieses Vorhaben hatte Jean Ribaults Idee gewirkt. Am Abend hatte er sie am Lagerfeuer verkündet. Die Höhle war riesig und weit verzweigt wie ein gigantisches Labyrinth. War sie nicht der ideale Platz für die Schatzbeute des Bundes der Korsaren?

      Schon jetzt bot sich an, dort die Schätze der Caspicara-Flores-Bande zu verstecken, die sich an Bord der „Golden Hen“ befanden. Und spätere Beute würde hier ebenfalls an einem sicheren Platz liegen, den niemand außer ihnen kannte.

      Die Männer waren sich darüber einig, daß diese Idee wirklich nicht schlecht war. Man mußte ja bedenken, daß Old O’Flynn aus reinem Zufall in eine Art Loch getreten und in die Höhle hinuntergesaust war.

      Old O’Flynn fand das Loch als erster wieder. Es war von Buschwerk getarnt und zum Teil von Flugsand verweht gewesen.

      „Aber ausgerechnet ich mußte in das Loch treten“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. „Das liegt daran, daß die Geister hinter mir her sind.“

      „Was wollen die denn von dir?“ fragte O’Brien.

      „Na, mich abmurksen natürlich.“

      „Seilen wir uns erst mal ab“, schlug Jean Ribault vor. „Dann können wir immer noch über Geister, Kobolde und ähnliche Kameraden diskutieren.“

      Wenig später sahen sie sich in dem Höhlenlabyrinth um.

      „Wo sind denn die Männchen mit den Kalbsköpfen und den langen Giftzähnen?“ wollte Renke Eggens wissen. „Ich sehe sie nicht.“

      „Paß auf, daß sie dir nicht in den Hals beißen“, brummte der Alte.

      Don Juan hielt eine der Fackeln in der Hand, die sie entfacht hatten. Er sah sich aufmerksam nach allen Seiten um und gab sich keine Mühe, sein Staunen zu verhüllen.

      „Das ist wirklich faszinierend“, sagte er. „Eine unterirdische Welt! Wer hätte das gedacht?“

      „Ich bestimmt nicht“, erwiderte Old O’Flynn. „Und ich möchte hier nicht noch mal allein herumirren, das schwöre ich euch.“

      „Das verlangt auch niemand von dir“, sagte O’Brien trocken.

      „Kein Fremder wird unter den Dünen dieser Halbinsel, die die Cherokee-Bucht abschirmt, eine Höhle vermuten“, sagte Jean Ribault nach eingehender Untersuchung ihrer bizarren, rätselhaft anmutenden Umgebung.

      „Vorausgesetzt, man hinterläßt keine Spuren und der Eingang bleibt hervorragend getarnt“, sagte Renke Eggens. „Das ist das Allerwichtigste.“

      „Ja“, pflichtete Don Juan ihnen bei. „Doch dafür werden wir schon sorgen, nicht wahr?“ Er ging ein Stück weiter und beugte sich über einen der Tropfsteine, der die Form eines gewaltigen Kegels hatte. Das Licht der Fackel wurde von dem Gebilde in verschiedenen Farbtönen reflektiert: rosa, orange und milchig-rot. In anderen Bereichen der Kaverne wiederum schimmerten violette, blaue und grüne Töne. Es war ein verwirrendes Kaleidoskop.

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