„Gute Idee. Koka macht Indianer wild.“
„Unzurechnungsfähig, wolltest du wohl sagen.“
Luke versuchte, etwas von seiner Umgebung zu erkennen. So sehr er aber auch die Augen anstrengte, er konnte kaum die Konturen der anderen schlafenden Indianer erkennen.
„Zünde mal ein Licht an“, sagte er zu Batuti. „Ich hab irgendwie das dumpfe Gefühl, hier läuft was. Was Oberfaules.“
Der Gambia-Neger wandte den Kopf und antwortete: „Da kommt Licht. Öllampe.“
Jemand schritt durch den Gang. Luke legte instinktiv die Hand auf den Pistolenkolben, atmete aber auf, als er im Schein der Lampe das Narbengesicht von Edwin Carberry erkannte. Im zuckenden Licht sah der Profos der „Isabella“ kein bißchen netter aus als gewöhnlich, im Gegenteil. Und da er außerdem noch eine so grimmige Miene aufgesetzt hatte, als wollte er Batuti mit Haut und Haaren verschlingen, konnte man bei seinem Anblick glatt das Fürchten lernen.
„Was geht hier vor?“ zischte er. „Juckt euch das Fell, ihr Kakerlaken? Ich …“
„Warte mal, Ed“, sagte Luke Morgan leise. „Leuchte bitte mit der Lampe hier herein – ja, so. Danke. Teufel auch …“
Der Lichtkreis erfaßte die Gestalten von Chumash und drei anderen Serranos. Sie lagen reglos auf ihren einfachen Lagern und schienen durch nichts auf der Welt aus ihrem Schlummer geweckt werden zu können.
„Was ist denn jetzt los?“ brummte Carberry. „Eigentlich müßten es sechs sein. He, Luke, he, Batuti, du rabenschwarzer Strolch, wollt ihr endlich erklären, was hier gespielt wird, oder muß ich euch die Würmer einzeln aus der Nase ziehen, was, wie?“
Luke schilderte mit gedämpfter Stimme, was auf Oberdeck geschehen war, dann schüttelte er Chumash. „Wo sind die beiden anderen? Rück bloß damit heraus, sonst gibt’s Ärger. Wo stecken sie?“
Chumash rührte sich nicht.
„Laß mich mal“, stieß der Profos grollend aus. „Ich krieg ihn schon wach.“
Batuti schüttelte den Kopf. „Koka. Ist ohnmächtig, der Bursche.“
„Ihr Rübenschweine“, sagte Carberry. „Wenn die zwei Indianer auf Oberdeck herumkrauchen, hättet ihr sie doch sehen müssen – es sei denn, ihr habt gepennt.“
„Wir pennen nicht auf Wache“, erwiderte Luke ziemlich angriffslustig. „Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sind die Kerle irgendwo im Schiffsinneren und versuchen, an die Smaragde heranzukommen. Oder an unsere Waffen. Die Versuchung ist ja groß. Die andere Möglichkeit: Sie sind mal kurz auf die Galion ’raus, wo man sie leicht übersehen kann. Vielleicht müssen sie mal aus der Hose.“
„Serranos haben keine Hosen“, sagte Batuti.
„Mann, halt die Luft an, mir ist nicht zum Scherzen zumute“, entgegnete der Profos. „Los, Kerl, ihr durchsucht die ‚Isabella‘. Ich gehe auf die Galionsplattform und schaue nach, ob die Knaben dort sind. Wenn nicht, sage ich auch Bob, Stenmark, Matt und Gary Bescheid. Und wenn wir die Indianer dann immer noch nicht finden, schlage ich Alarm, daß der ganze Kahn wackelt.“
Chumash, der immer noch erfolgreich den Bewußtlosen spielte, hatte von dem Gespräch nichts verstehen können, weil es auf englisch geführt worden war. Aber natürlich war ihm klar, daß die Männer der „Isabella“ kurz vor der Aufdeckung des Komplotts standen.
Er hoffte inständig, daß Yalic und Tezoura es geschafft hatten. Sie mußten die Heckgalerie der Galeone erreicht haben.
Carberry, Luke Morgan und Batuti verließen den Vordecksraum.
Chumash schlug die Augen auf.
2.
Der grüne Stein war rundum in Gold gefaßt und an einer langen goldenen Kette befestigt. In dem Juwel, den die Spanier Esmeraldo getauft hatten, brach sich das rotgoldene Licht der beiden Öllampen in der Kapitänskammer, und alles Glück, alle Verheißung der Welt schienen als stumme Botschaft in diesem einzigartigen Glanz zu liegen.
Hasard drehte den Zweikaräter zwischen Daumen und Zeigefinger. Dabei dachte er an das, was hinter ihm und seinen Freunden lag – und an das, was ihnen bevorstehen mochte. Er saß auf einem geschnitzten Holzgestühl hinter seinem Pult, vor ihm ruhte mit aufgeklapptem Deckel eine Schatulle auf der Tischplatte.
Sie war bis zum Überquellen mit Esmeraldos gefüllt – mit den Smaragden, die der Kommandant Sabreras heimlich versteckt hatte. Er hatte die Santa-Barbara-Indianer, die mit ihren Piraguas bis zum Galápagos Archipel gelangt waren, zu einem zweifelhaften Pakt überreden können. Sie bewachten seinen Privatschatz, und er konnte absolut sicher sein, daß niemand anders Hand daran legte.
Das war so gewesen, bis der Seewolf vom Sturm zu den Galápagos-Inseln getrieben worden war. Er hatte auf Espanola sein Lager aufgeschlagen, die „Isabella“ und „Eiliger Drache über den Wassern“ reparieren lassen und Bekanntschaft mit den zutraulichen Tieren der Insel geschlossen – und dann, nachts, waren die Serranos mit ihren Piraguas erschienen.
Hasard, Siri-Tong und beide Crews hatten die von Koka berauschten Krieger überwältigen können. Und so hatte Hidduk, der Häuptling der Serranos, den Seewolf nach San Cristóbal hinüberbegleiten müssen. Wie gebannt hatten sie schließlich vor den Bergen von Smaragden in der Höhle gestanden, und erst später, nach der Freilassung des Iguanas, hatte Hasard unter dieser Anhäufung von Reichtum auch die Schatullen entdeckt.
Es waren drei. Zwei befanden sich jetzt drüben auf dem schwarzen Segler von Siri-Tong, nur eine hatte Hasard sich angeeignet. Die rohen, nicht zu Schmuck verarbeiteten Diamanten hatte er zu gleichen Teilen in den Frachträumen der beiden Schiffe verstauen lassen.
Hasard war von dem samtgrünen Glanz des Smaragdes überwältigt. Diese Faszination – sie wurde zu einem Fieber, wenn ein Mann nicht außerordentlich besonnen war. Ein Fluch schien über den grünen Steinen und ihrer Mine in Neu-Granada zu schweben. Sie waren wertvoller als Gold, und es schien ein unabwendbares Schicksal zu sein, daß sich immer wieder Männer gegenseitig die Köpfe einschlugen, um sie an sich zu reißen.
War es daher nicht Wahnwitz, nach Sabreras und seiner Mine zu suchen?
Hasard legte den Stein weg und nahm einen anderen zur Hand. Nein, er änderte seine Pläne nicht. Er unternahm diese Reise ja nicht nur, um sich in den Besitz der Smaragde zu bringen. Er wollte auch einem Verbrecher das Handwerk legen und die armen Chibcha-Indianer befreien, die zur Zwangsarbeit in der Mine verdammt waren.
Auch dieses letztere Vorhaben hatte überzeugend auf Hidduk, den Serrano-Häuptling, gewirkt. Er hatte sich mit dem Seewolf verbündet. Natürlich hatte er, der Verlierer, im Grunde keine andere Wahl gehabt, aber es gehörte zu einem solchen Pakt wie diesem eben doch mehr als nur der reine Zwang. Hidduk hätte im Extremfall lieber den Freitod gewählt, statt gegen seinen Willen ein Übereinkommen mit seinem Bezwinger zu treffen.
Aber es hatte ihn vor allem ungeheuer beeindruckt, daß Hasard ihm das Leben geschenkt hatte. Mehrmals hätte der Seewolf ihm kaltblütig den Garaus bereiten können, und doch hatte er davon abgesehen. Und wie sicher dieser Mann, den die Spanier Lobo del Mar nannten, auftrat! Auf San Cristóbal hätten die Serranos ihm in den Rücken schießen können, so unbekümmert hatte er sich bewegt. Aber keiner hatte es gewagt, sie alle hatten wie gelähmt dagestanden.
Hasard hatte nicht nur Hidduk, sondern auch die anderen Überlebenden des Kampfes auf dem schwarzen Schiff sowie die Männer, Frauen und Kinder von San Christóbal verschont. Hidduk hatte nach der Übergabe der Smaragde begonnen, seinen Worten Glauben zu schenken. Wirklich, dem Seewolf war es nicht daran gelegen, ein Massaker anzurichten. Vielmehr ging es ihm darum, daß sich die Santa-Barbara-Indianer unbehelligt aus der Affäre ziehen konnten.
In Hasards Augen waren Ehrlichkeit und Gerechtigkeit zu lesen, wie Hidduk sagte. Hidduk war ein indianischer Pirat, dem es an Durchtriebenheit und Kaltblütigkeit nicht mangelte, aber er hatte