Seewölfe Paket 10. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394999
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Bänke, und sie hatten als geschickte Bootsfahrer und Fischer schon oft Berührung damit gehabt.

      Es war also in erster Linie seinem Fingerspitzengefühl überlassen, ob er die Jolle sicher aus dem natürlichen Hafenbecken zu dirigieren vermochte oder nicht.

      Moho kauerte vorn am Bug und hielt die Augen nach allen Seiten offen, aber er konnte kaum zwei, drei Schritte weit sehen und nahm nicht mehr wahr als das Schäumen der Wellenkronen, die sich, je näher sie der offenen See gelangten, höher und höher aufzutürmen schienen.

      Andais größte Besorgnis drehte sich aber darum, daß das Boot überladen war. Eigentlich für acht, höchstens zehn Insassen konstruiert, mußte es jetzt zwanzig Menschen befördern. Das hatte zur Folge, daß der Tiefgang zu groß war und die Jolle immer wieder Wasser übernahm.

      Hauula, Mara und die anderen Mädchen und Frauen östen das Naß eifrig mit Schöpfkellen aus. Mara schrie plötzlich auf, denn die Jolle neigte sich unter einer anrollenden Woge so stark nach Backbord, daß sie im nächsten Moment querzuschlagen drohte. Hauula hielt Mara fest und versuchte, sie zu beruhigen, die anderen klammerten sich fest, wo sie konnten, und warteten zitternd und mit angstgeweiteten Augen darauf, daß das Boot kenterte. Einige Mädchen rutschten nach Backbord, und durch die Gewichtsverlagerung krängte die Jolle noch weiter.

      Es schien das Ende der kurzen Fahrt zu sein.

      Dann aber glitt die Woge unter der Jolle hindurch und bauschte sich jenseits des Dollbordes auf, so daß sich das Fahrzeug aus seiner unglücklichen Lage aufrichtete und die normale Schwimmlage wiedergewann.

      Andai atmete erleichtert auf. Hauula lächelte ihm aufmunternd zu, und auch die anderen gaben durch ihr Verhalten klar zu verstehen, daß sie neue Hoffnung gefaßt hatten.

      Sie nahmen jede Entbehrung und Härte gern auf sich, wenn sie nur nicht wieder in ihre Gefängnisse an Bord der Piratengaleone zurück mußten. Nichts konnte schrecklicher sein als die Stunden, die Tage, die schier endlose Zeit, die sie dort in Furcht und Ungewißheit verbracht hatten.

      Moho stieß einen Warnruf aus.

      Andai drückte die Ruderpinne auf das Zeichen des Stammesbruders hin nach Steuerbord, und im nächsten Augenblick erblickten sie alle, was Moho vor ihnen entdeckt hatte: Drohend wuchs die schartige Korallenbank aus der aufgerührten See hervor, messerscharf schienen ihre Ränder zu sein.

      Die Jolle glitt nahe daran vorbei.

      Und die Riffe unter der Wasseroberfläche? Andai schauderte es bei dem Gedanken daran, was ihnen noch alles passieren konnte. Wenn ein Riff den Bootsrumpf aufschlitzte, dann nutzte alles Auslösen nichts mehr, dann konnten sie alle ihren Geist aufgeben und Pele und den anderen Gottheiten überantworten, die sie in diesen Augenblicken flehentlich anbeteten.

      Andai konnte einer Gefahr, die er nicht zu erspähen vermochte, durch kein Mittel ausweichen, er war ihr gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern machtlos ausgeliefert.

      Die Männer pullten mit zusammengepreßten Lippen. Sie brachten die Jolle ziemlich schnell voran, denn sie mußten ja nicht gegen den Seegang arbeiten, sondern fuhren mit der Dünung. Der Wind aus Südosten fiel raumschots ein und drückte gegen das Heck des Bootes.

      Wie durch ein Wunder gelangte die Jolle unbeschadet über die Riffe hinweg und schob sich in die lärmende See hinaus. Zwanzig halbnackten, nassen Gestalten war die nahezu unmöglich erscheinende Flucht aus der Teufels-Lagune somit gelungen, aber alle Schwierigkeiten schienen erst jetzt richtig zu beginnen.

      Wütend packte die See das Boot, hob es hoch, ließ es in gähnende schwarze Wasserschluchten hinunterschießen und schüttelte es durch. Gnadenlos waren die Urgewalten der Natur, klein und ohnmächtig wirkte der Mensch.

      Andai und die anderen Männer hatten einen simplen Plan gefaßt. Sie wollten erst einmal aus der Lagune heraus und dann das Atoll umrunden.

      Masot würde ihrer Ansicht nach nicht damit rechnen, daß sie noch einmal zurückkehrten, aber genau das hatten sie vor, um Zegú, ihren König, und Thomas Federmann aus der Gewalt der Freibeuter zu befreien.

      An einem unbeobachteten Punkt der Hauptinsel wollten sie wieder landen – irgendwo im Norden oder im Süden. Die Nacht und der Sturm wurden zu ihren Verbündeten, wenn ihnen dies gelang, denn die Seeräuber würden sich eher verkriechen, statt überall nach ihren flüchtigen Geiseln zu suchen.

      So rechnete Andai sich aus, daß sie sich in den Busch schlagen und bis zum Lagerplatz am Strand schleichen konnten. Der Regenwald war ein Element, in dem sie sich sicher fühlten und vorzüglich auskannten, ganz im Gegensatz zu den Franzosen. Aus dem Dickicht heraus konnten sie auch mit den wenigen Waffen, die sie hatten, einige erfolgreiche Schläge gegen die Freibeuter führen.

      Das würde die Kerle verunsichern, und genau diese Unruhe wollten die Insulaner ausnutzen, um in einer Blitzaktion ihre beiden Kameraden herauszuholen.

      Zu diesem Zeitpunkt aber schienen Welten die Polynesier von der Verwirklichung ihres Planes zu trennen.

      „Andai!“ rief Moho vom Bug her. „Wir schaffen es nicht! Wir müssen umkehren!“

      „Niemals!“ schrie Andai zurück.

      „Darauf warten unsere Feinde doch nur“, keuchte Hauula, die die jammernde und schluchzende Mara inzwischen festhalten mußte. „Wir bringen uns selbst um, wenn wir das tun.“

      „Aber wir sterben so oder so!“ schrie eine junge Frau, die bei Numil hockte und sich mit beiden Händen verzweifelt an der Ducht festklammerte. „Das Wasser frißt uns auf, die Haie werden kommen und uns zerreißen!“

      Andai begriff, daß er doch einen Fehler begangen hatte. Er hatte das offene Meer weit unterschätzt, hier drohte ihnen eine weit größere Gefahr als bei den Korallenbänken.

      Hastig drehte er sich auf seiner Ducht um und blickte nach achtern. Er konnte jedoch kein Land mehr sehen. Das Atoll schien nicht mehr zu existieren und sich aufgelöst zu haben. Er spürte Panik in sich aufsteigen, kämpfte aber energisch dagegen an.

      „Beruhigt euch!“ rief er den Freunden im Tosen des Wetters zu. „Wir versuchen jetzt, einen Bogen zu fahren. Wir halten auf eine Landzunge oder auf eine kleine Insel zu und gehen dort an Land. Wir warten ab, bis der Sturm vorbei ist.“

      „Ja, das ist eine gute Idee“, pflichtete Hauula ihm bei. Sie wollte noch mehr rufen, aber ein neuer Brecher hob die Jolle an, trug sie auf seinem Kamm fort und schien sie in die brausende Finsternis hinausschleudern zu wollen.

      Die Mädchen und Frauen schrien durcheinander und hielten sich gegenseitig fest. Die Männer taten alles, um das Boot zu halten, Andai durch die Arbeit mit der Ruderpinne, seine Brüder durch das Bewegen der Riemen.

      Doch es nutzte alles nichts. Wie von Geisterhand bewegt, drehte sich das Boot plötzlich. Dann kippte es nach Backbord über, bäumte sich auf, lud seine lebendige Fracht aus und kenterte.

      Andai fühlte sich gepackt und durch die Luft gewirbelt, dann traf etwas seinen Rücken – mit solcher Wucht, daß ihm die Schmerzen das Bewußtsein raubten. Er hörte Hauula verzweifelt schreien, aber dann endete jede Wahrnehmung. Unter ihm schienen die Fluten der mörderischen See auseinanderzuklaffen. Er raste in einen Abgrund hinunter, der in der glühenden Verdammnis endete.

      7.

      Bill, der Moses, war in den Jahren an Bord der „Isabella“ zu einem kräftigen und mutigen jungen Mann herangewachsen, und er hätte es sich ohne weiteres zugetraut, seinen Posten im Großmars beizubehalten. Aber der Seewolf hatte es doch vorgezogen, ihn abentern zu lassen, denn der Sturm nahm zu und es hätte leicht passieren können, daß Bill durch eine Bö von der wild hin und her schwankenden Plattform gefegt worden wäre.

      Bill und Dan O’Flynn waren jetzt von der Back auf die Galionsplattform hinuntergestiegen, hatten sich mit Tauen festgebunden und spähten voraus, um ihren Kapitän auf jedes Riff und andere „unerfreuliche Erscheinungen“ aufmerksam machen zu können – wenn es auch in jedem Fall im allerletzten Augenblick geschehen würde.