Seewölfe Paket 10. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394999
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der Ersten von England, segelt.“

      Charangu verzog keine Miene. England schien nichts Beeindrukkendes für ihn zu sein, denn es lag am anderen Ende der Welt. Hier bestand die Welt aus weißgoldenem Strand, leuchtendgrünen Palmen und vulkanischem Felsgestein. Eine Welt, die sich Kahoolawe nannte.

      „Unter anderen Umständen wäre ich über Ihre Bekanntschaft vielleicht erfreut, Mister Killigrew“, antwortete Charangu herablassend. „Leider haben Sie sich aber in die inneren Angelegenheiten meines Landes eingemischt. Ich fordere Sie auf, Moana herauszugeben. Sie ist eine Verbrecherin.“

      Die Blasiertheit dieses Burschen verschlug Hasard einen Moment die Sprache.

      „Moana“, wiederholte Dan O’Flynn hingebungsvoll, „was für ein schöner Name!“ Er schien den Inder nicht im geringsten ernst zu nehmen und konnte seinen Blick nicht von dem Mädchen losreißen, das sein Gesicht noch immer verbarg.

      „Hören Sie, Charangu“, sagte Hasard energisch, „ich habe keineswegs vor, mich in Ihre sogenannten Angelegenheiten einzumischen. Wenn Sie es aber unbedingt so betrachten wollen, dann weise ich Sie darauf hin, daß Sie sich außerhalb Ihres Hoheitsgebietes befinden. Hier draußen gelten Ihre Gesetze nicht, hier ist freie See. Im übrigen ist es meine Pflicht, einem hilfsbedürftigen Menschen Schutz zu gewähren. Außerdem müssen Sie zugeben, daß es nicht gerade fair ist, eine junge hilflose Frau mit einer Übermacht von mehr als zwanzig Männern zu verfolgen.“

      Die Miene des Inders verfinsterte sich. Der Gibbon auf seiner Schulter reckte den weißgrau umrahmten Kugelschädel vor und starrte Hasard an, als wolle er ihn im nächsten Moment anspucken.

      „Ich warne Sie, Mister Killigrew!“ fauchte Charangu. „Zwingen Sie mich nicht zu ernsthaften Maßnahmen. Ich fordere Sie zum letzten Male auf, das Mädchen herauszugeben.“

      Hasard schüttelte verständnislos den Kopf. In was für einen verrückten Teil der Welt waren sie hier geraten?

      Luke Morgan konnte ein glucksendes Lachen nicht unterdrücken.

      „Habt ihr diese Witzfigur gehört? Ernsthafte Maßnahmen! Vielleicht will er uns dadurch besiegen, daß wir uns totlachen!“

      „Hör auf, Luke“, sagte Hasard gedämpft, „man sollte niemanden unterschätzen, auch wenn er noch so lächerlich aussieht.“

      „Verzeihung“, murmelte Luke Morgan, „aber der Knilch reizt mich einfach zum Lachen.“

      Hasard wandte sich wieder dem Inder zu.

      „Seien Sie vernünftig, Charangu. Wir werden die Angelegenheit klären. Aber nicht auf die Art und Weise, wie Sie es sich vorstellen.“

      Charangus Gesicht verzerrte sich jäh.

      „Ich habe dich gewarnt, Engländer!“ schrie er schrill. Und dann spie er einen Schwall von Worten in der Sprache der Eingeborenen aus.

      Die Männer an der Backbordseite des Kanus sprangen auf. In ihren Fäusten lagen Speere, deren gefährlich aussehende Spitzen auf Moanas Retter zeigten.

      Die Haltung der Seewölfe wurde schlagartig gespannt. Luke Morgan vergaß seine Scherze, und selbst Dan O’Flynn wandte sich von dem Mädchen ab. Die Männer tasteten nach ihren Pistolen, die sie in den Gurten trugen.

      Hasard runzelte die Stirn. Seine Rechte ruhte bereits auf dem Knauf des schweren Radschloßdrehlings. War dieser Inder so weltfremd, daß er allen Ernstes glaubte, sie mit Speeren beeindrucken zu können?

      „Gebt das Mädchen heraus!“ keifte Charangu. „Oder …“

      Hasards Faden riß. Er hatte genug von diesem Spiel. Mit einem Ruck zog er den Drehling und spannte den Hahn in derselben Bewegung. Das Reibrad schnurrte. Blitzschnell hob Hasard die schwere Waffe, und sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug. Der Flint klackte auf das Rad und sprühte Funken.

      Charangu schrie etwas in der Sprache der Eingeborenen.

      Aber die Polynesier verharrten. Ihre Blicke waren wie gebannt auf das funkensprühende Ding gerichtet, das der riesenhafte Fremde in der Rechten hielt.

      Im nächsten Sekundenbruchteil zischte das Zündkraut mit weißer Lohe. Und dann brach ein urgewaltiges Krachen los. Aus dem Laufbündel des Drehlings zuckte eine yardlange Mündungsflamme, und eine Wolke von Pulverrauch stieg auf.

      Haarscharf vor dem Kanu riß die großkalibrige Kugel eine Fontäne aus dem Wasser.

      Die Wirkung war verblüffend, selbst für die Seewölfe, für die es eigentlich nichts gab, was es nicht gab.

      Die Polynesier stießen gellende Entsetzensschreie aus, ließen die Speere fallen, packten die Paddel und hieben sie in das Wasser, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken.

      Durch die plötzliche Bewegung des Bootes verlor Charangu das Gleichgewicht. Er kippte nach hinten, konnte sich aber im letzten Moment am hochgeschwungenen Heck festhalten.

      Der übergewichtige Gibbon-Affe kippte außenbords und stieß helle Schrekkenslaute aus, die wie das Meckern einer Ziege klangen. Klatschend landete das Tier in den Fluten und reckte die überlangen Arme hoch. Mehrmals schluckte der Gibbon Wasser, und jedesmal ging sein Meckern in ein klägliches Gurgeln über.

      Fluchend hielt ihm Charangu den Holzstab hin. Der Affe packte zu und konnte das Ende des Stabes eben noch erreichen, denn die Polynesier paddelten wie von Sinnen, ohne noch etwas von dem wahrzunehmen, was um sie herum vor sich ging.

      Das Kanu war schon hundert Yards von der Jolle der Seewölfe entfernt, als es dem Inder endlich gelang, seinen triefend nassen haarigen Begleiter an Bord zu ziehen.

      Hasards Männer brachen in prustendes Gelächter aus.

      Der Seewolf beobachtete das davonjagende Kanu indessen eher nachdenklich. Er sah noch, wie Charangu den Gibbon in den weiten unteren Teil seines seidenen Umhangs hüllte.

      Moanas Gesicht hatte eine unnatürliche Graufärbung angenommen. Sie zitterte. Ihre Augen waren furchtsam auf die Waffe gerichtet, die der große Mann jetzt in seinen Gurt zurückschob.

      Dan O’Flynn nahm die Hand des Mädchens. Mit der freien Hand gab er ihr zu verstehen, daß sie keinen Grund mehr hatte, sich zu ängstigen. Sie verstand, und auch in seinem Blick las sie, was er sagen wollte.

      „Schluß der Vorstellung“, sagte Hasard und ließ sich auf die Achterducht sinken. „Aber das dürfte noch nicht das Ende sein.“

      Mit dem Auslegerboot im Schlepp kehrten sie zu der vor Anker liegenden Galeone zurück.

      3.

      Niemand an Bord der „Isabella“ bestaunte das Mädchen, als verkörpere es das siebente Weltwunder. Diese hartgesottenen Männer, die oft genug mitten in die Hölle gesegelt waren, um den Teufel am Schwanz zu zwacken, diese rauhen Burschen begegneten dem zierlichen jungen Mädchen mit fast scheuer Zurückhaltung und beinahe ebensoviel Mitgefühl.

      Moana spürte es deutlich, als sie in die verwegenen Gesichter blickte. Und sie fühlte sich wie in einem Taumel. Die Eindrücke, die auf sie einstürmten, waren zu vielfältig und zu übermächtig.

      Nach der für sie wundersamen Rettung erlebte sie die fremde Welt, die das Schiff für sie bedeutete, mit grenzenlosem Staunen und der Begeisterungsfähigkeit eines kleinen Kindes.

      Anfangs hatte sie ihre nackten Fußsohlen nur zögernd auf die Decksplanken gesetzt, deren hartes Holz ihr unbekannt war. Aber Dan O’Flynn hatte sie bei der Hand genommen, und schon nach wenigen Schritten wurde ihr wohler.

      Ihre Blicke erforschten die Gesichter, die lächelten, ihr zunickten und ihr einen so unmißverständlich herzlichen Empfang bereiteten, daß nicht einmal ein Anflug von Furcht in ihr entstand.

      Da war Edwin Carberry mit seinem wüsten Narbengesicht, das sich so friedlich wie selten zuvor zeigte. Und Batuti, der herkulische Gambianeger, der lachend die perlweißen Zähne entblößte und für Moana trotz seiner unbekannten