Seewölfe - Piraten der Weltmeere 437. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954398454
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habe den Eindruck, daß dir eine Laus über die Leber gekrochen ist“, sagte Dan. „Ganz ehrlich. Gib’s zu, Ferris.“

      „Ist doch klar“, brummte der rothaarige Riese. „Bisher haben die Schläge über Backbordbug zur Küste nichts erbracht, ganz abgesehen von dieser elenden Kleckerei gegen Wind und Strom.“

      „Da kann man schon ungeduldig werden“, pflichtete Shane ihm bei. „Und wir müssen uns dabei leider auch noch nach der ‚San Lorenzo‘ richten, die weniger Höhe als unser Kahn läuft.“

      „Das ist aber nicht Jeans Schuld“, sagte Hasard.

      „Hab’ ich auch nicht behaupten wollen“, sagte Shane.

      „Wenn er Höhe preßt, dann verliert die Galeone Fahrt“, sagte der Seewolf.

      „Das ist nun mal die alte Leier“, sagte Dan. „Und weniger Fahrt zu laufen, ist bei dem gegenansetzenden Perustrom gleichbedeutend damit, nahezu auf der Stelle zu stehen.“

      „Scheißspiel!“ rief Carberry in diesem Moment auf dem Hauptdeck. „Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen?“

      Hasard trat wieder an die Balustrade. „Spanisch sprechen, Ed! Vergiß nicht, wer wir sind!“

      „Hier hört uns doch keiner, zum Henker!“

      „Manchmal haben auch die einsamsten Klippen Ohren.“

      „Ja, schon gut, Sir“, sagte der Profos und schob grimmig das Kinn vor. „Und in jeder Bucht können sich Wassergeister und Dämonen tummeln. Und Riesenkraken. Was? Wie?“

      „Fängst du auch schon wieder damit an?“ fragte Roger Brighton. Es klang drohend. „Wir hatten doch vereinbart, keine dummen Sprüche mehr von uns zu geben, von wegen Aberglauben und so.“

      „Und du hältst mich für dumm?“

      „Nein, nur deine Sprüche.“

      „Weißt du, was du mich kannst, Mister Brighton?“

      „Ich kann es mir vorstellen, aber leider müssen wir beide darauf verzichten.“

      Jetzt mußten sie beide lachen, und die Crew lachte mit. In der letzten Zeit hatte es nicht allzuviel zu lachen gegeben, wenn man von der Begegnung mit der Galeone der Komödianten einmal absah. Die Männer wurden allmählich immer gereizter, und es wurde höchste Zeit, daß die Sache mit der Culverine „bereinigt“ wurde, was im Grunde ja auch eine kleine Abwechslung und Erlösung von der nervtötenden Kreuzerei darstellte.

      Hasard und Ribault peilten – wie auch die Ausgucke auf beiden Schiffen – von nun an unablässig zum Land hinüber, das an dieser Stelle aus hohen und zerklüfteten Steilfelsen bestand.

      „Na, wie ist es denn?“ brummte der Seewolf. „Bietet sich da nicht etwas Günstiges an?“

      „Es scheint so“, erwiderte Dan. Kurz darauf war er zu Bill in den Großmars aufgeentert und richtete sein Spektiv auf die Küste. „Ich hab’ was erspäht!“ rief er. „Steuerbord voraus ist ein breiter Einschnitt!“

      „Na, ist doch prächtig!“ rief der Profos. „Dann nichts wie hin!“

      „Der Einschnitt scheint in eine fjordähnliche Bucht zu führen!“ meldete Dan.

      „Kurs auf die Bucht!“ befahl der Seewolf. „Sie könnte für unsere Zwecke geeignet sein!“

      Sie konnten den Einschnitt mit der „Estrella“ und der „San Lorenzo“ gut anliegen und sogar etwas abfallen. Etwa eine Stunde später ankerten sie tatsächlich in einer abgeschirmten Bucht, die sich sackförmig nach dem Einschnitt öffnete, nach Südosten mehr, so daß sie in der Bucht von See her nicht zu entdecken waren.

      „So weit ist ja alles ganz gut und schön“, sagte Ferris, nachdem die Anker gesetzt waren. „Aber schaut euch mal an, wie diese Bucht aussieht!“

      Sie hoben die Köpfe und blickten sich um.

      „Schlimm“, sagte der Seewolf. „Hier muß die Flutwelle des Seebebens voll hineingerast sein.“

      „Reingedonnert ist sie“, sagte Carberry. „Und zwar mit voller Wucht.“

      Ihre Stimmen hallten von den Felswänden wider und schienen einen metallischen, unwirklichen Klang zu haben. Alles wirkte ungewöhnlich ruhig und unheimlich, nicht einmal das Kreischen eines Seevogels erklang.

      „Hier is’ es nicht ganz geheuer“, murmelte Batuti.

      „Wie bitte?“ sagte Blacky neben ihm. „Wie war das eben?“

      „Wo keine Möwe schreit, da bleib nicht lange Zeit“, sagte Smoky mit finsterer Miene.

      „Hier wird, schon wieder orakelt, was, wie?“ sagte Carberry. „Hört mal zu, ihr Affenärsche, wenn einer von euch den Teufel an die Bordwand malen will, kratzen wir ihn gemeinsam ab!“

      „Der Einschnitt hat die Flutwelle zu elementarer Wucht gesteigert“, sagte der Seewolf und deutete auf die Felsen, die wie Mahnmale aufragten.

      „Und sie hat ziemliche Schäden angerichtet“, sagte Shane. „Felsbrüche und Einstürze – da oben sind ein paar Bäume ausgerissen, wenn mich nicht alles täuscht.“

      „Und die Trümmer und Stämme schwimmen im Wasser“, sagte Pater David nachdenklich. „Ja, das sieht wirklich übel aus und gibt einem zu denken.“

      „Ich wundere mich überhaupt, daß hier Bäume wachsen“, sagte Ferris.

      „Sie fristen ihr karges Dasein zwischen oder an den Felswänden“, sagte der Gottesmann. „Und ein bißchen Buschwerk gibt es auch. Genügsame Kreaturen des Herrn.“

      „Wie bitte?“ fragte Shane verblüfft.

      „Auch Bäume sind Lebewesen“, erwiderte Hasard lächelnd.

      „Na ja, ist schon gut“, sagte der graubärtige Riese und kratzte sich etwas verwirrt im Nacken.

      Was war eigentlich los? Das Seebeben und die Begegnungen mit den Riesenkraken schienen einiges durcheinandergebracht zu haben, vor allem das seelische Gleichgewicht.

      Die Männer beider Schiffe blickten auf das Wasser der Bucht. Die Folgen der Flutwelle schwammen in der Bucht: Treibgut mit toten Fischen, Quallen und Krebsen.

      Plötzlich gewahrten sie auch das große Gebilde, das wie aufgespießt über einem Felszacken hing. Wie auf ein stummes Kommando hielten sie alle den Atem an.

      „Das kann doch nicht wahr sein“, sagte der Profos.

      „Es ist aber wahr“, sagte Jeff Bowie, der gerade neben ihm stand. „Das ist ein Krake.“

      „Merde!“ ertönte es von Bord der „San Lorenzo“. Es war Montbars, der den Ruf ausgestoßen hatte. „Scheiße! Wir haben die Nase voll von den verdammten Biestern!“

      „Montbars!“ rief Stenmark ihm zu. „Warum pullst du nicht hin und holst das Ungetüm von dem Felsen runter?“

      „Lieber hacke ich mir ein Bein ab!“

      „Davon rate ich ab“, sagte Dan. „Sprich bei Gelegenheit mal mit meinem Alten. Der klärt dich darüber auf, wie es ist, mit einem Holzbein herumzulaufen.“

      Auch er blickte noch immer gebannt zu dem beachtlichen Krakenexemplar, dessen acht Fangarme leblos ausgespreizt waren. Irgendwer bekreuzigte sich hastig, und Pater David murmelte Worte, die wie ein Gebet klangen.

      Das war die Situation: Wenn die Männer der „Estrella“ an ihr letztes Abenteuer dachten, kriegten sie wirklich das Frösteln, denn nach wie vor hatte es den Anschein, als sei nicht alles so ganz mit rechten Dingen zugegangen.

      Den „Le Vengeurs“ an Bord der „San Lorenzo“ erging es nicht anders. Daß ein Krake ein Schiff in die Zange nahm und eine Culverine einfach „abräumte“ – das hatten auch die Hartgesottensten unter ihnen noch nicht erlebt. Aber wegen der fehlenden Culverine waren