Seewölfe - Piraten der Weltmeere 437. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954398454
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der Oberaufseher der Silberminen! Ausgerechnet ihm mußte das passieren! Wenn Don Ramón de Cubillo, der Provinzgouverneur von Potosi, das jemals erfuhr und ihn in seine dicken Finger bekam, hatte er verspielt.

      Aber was konnte er noch unternehmen, um sich mit eigener Kraft aus seiner hoffnungslosen Lage zu befreien? Nichts – er war ihnen ausgeliefert auf Gedeih und Verderb. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. Er hatte es versucht, Araua an sich zu reißen und als Geisel zu benutzen, aber auch das war mißglückt.

      Überhaupt, Glück und Pech standen im krassen Mißverhältnis zueinander. Er hatte sich als Held und Sieger gefühlt, als er mit der „Santa Teresa“ Arica verlassen und die Küste nordwärts nach Indios abgeforscht hatte.

      Immerhin hatte er auch schon an die zweihundert zukünftige Sklaven für Potosi in den Laderaum pferchen lassen. Dann aber war dieser schwarzhaarige Hundesohn aufgetaucht, der ihm mit seiner „Estrella de Málaga“ und der „San Lorenzo“ etwas vorgegaukelt hatte.

      Carrero hätte sich selbst ohrfeigen können. Warum hatte er die Falle nicht rechtzeitig genug durchschaut? Vielleicht war er durch die „Hundegeschichte“ abgelenkt gewesen. Der Korsar – der Teufel sollte ihn holen – hatte nicht erlauben wollen, daß Philipp, der Bluthundrüde, mit einem Bootsmannsstuhl an Bord der „Estrella“ gehievt wurde. Dort befand sich bereits ein anderer Hund – eine Wolfshündin namens Plymmie.

      Später hätte Carrero gern eine Wette abgeschlossen und die Hunde gegeneinander kämpfen lassen, aber auch das hatte der Schwarzhaarige abgelehnt.

      Was danach geschehen war, spottete jeder Beschreibung. Sie hatten ihn festgenommen und eingesperrt und die Indios befreit. Später war die „Santa Teresa“ versenkt worden. Basta – und Don Ramón de Cubillo würde vergebens auf die dringend benötigten Sklaven warten.

      Am allerschlimmsten aber war die Tatsache, daß diese „englischen Hurensöhne“ ihn, Luis Carrero, den Oberaufseher und Günstling aller Frauen, als Führer von Arica nach Potosi benutzen wollten. Es war so ungeheuerlich, daß Carreros Verstand sich der Tatsache verschloß.

      Aber konnte er sich auflehnen? Würde er den heroischen Entschluß fassen, sich lieber töten zu lassen als einzuwilligen? Er wußte schon jetzt, daß er sich beugen würde. Diese Kerle waren zu allem fähig, das hatten sie ihm bereits bewiesen. Und er hatte weniger Widerstandskraft, als er von sich selbst geglaubt hatte.

      Sie waren allesamt Satansbraten, von dem Schwarzhaarigen bis hin zu dem Kerl mit der Eisenhakenprothese, der gerade vor dem Vorpiekschott Wache hatte. Sie hatten einen Nigger dabei und das Indianermädchen, und drüben, auf der „San Lorenzo“, schien es auch einige Franzosen zu geben.

      Ein kunterbunter Haufen also – und hinzu kam noch das viele Viehzeug, das sie sich hielten. Ein Affe war da, ein Papagei und Hühner, die immer für irgendwelchen Aufruhr zu sorgen schienen.

      Carrero war sicher, einer Meute gemeingefährlicher Wahnsinniger in die Hände geraten zu sein. Das fatale war, daß er Angst vor ihnen hatte. Aber durch Heimtücke und List würde er es vielleicht doch noch schaffen, sie hereinzulegen.

      Es lohnte sich, darüber nachzudenken. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, schloß die Augen und grübelte herum. Allmählich ließen die Schmerzen wieder nach. Er konnte klar denken. Engländer, sagte er sich im stillen, wir rechnen noch miteinander ab.

      Matt Davies, der draußen auf dem Gang vor dem Schott hockte, dachte: Bilde dir bloß nicht ein, daß du uns hinters Licht führen kannst, du Drecksack! Wir passen auf dich auf!

      In der Tat: Selten war ein Gefangener besser bewacht worden als dieser Luis Carrero.

      „Der Mann ist wie Gift“, hatte der Seewolf gesagt, und damit hatte er nicht im geringsten übertrieben.

      Es war ein sonniger und recht warmer Tag, der 19. November 1594. Die „Satansbraten“ und „Galgenstricke“, wie Carrero sie nannte, standen auf den Decks ihrer beiden „Leihschiffe“ und beratschlagten, was als nächstes zu tun sei.

      „He!“ sagte Hasard plötzlich und trat an die Schmuckbalustrade des Achterdecks der „Estrella de Málaga“. „Wer hat denn da eben geschrien?“

      „Wer wohl“, entgegnete Smoky vom vorderen Bereich der Kuhl. „Carrero natürlich.“

      „Aber Matt hat ihm eben wärmstens empfohlen, die Schnauze zu halten, Sir!“ rief Batuti.

      „Gut so“, sagte der Seewolf und wandte sich wieder seinen Männern auf dem Achterdeck zu: Ben Brighton, Dan O’Flynn, Big Old Shane, Ferris Tucker und Pater David. Auch Araua war zur Stelle und lauschte, wie die Männer sich unterhielten.

      „Es könnte soweit alles ganz gut sein“, sagte Ferris Tucker. „Wenn der verdammte Wind nicht wäre!“

      „Und der Perustrom“, sagte Shane. „Den hast du wohl vergessen, was?“

      „Es ist mal wieder alles wie verhext“, sagte Dan.

      „Hör auf“, sagte Ferris. „Fang damit gar nicht erst an. Von Geistern und Ungeheuern will ich nichts hören, klar?“

      „So war das auch nicht gemeint“, erklärte Dan frostig.

      „Um so besser“, sagte Hasard und grinste. „Dann vergiß es.“

      Der bisherige Südwind hatte gedreht und wehte nun in etwa aus Südosten. Er strich also an der Küste entlang nordwestwärts. Folglich hatten die „Estrella de Málaga“ und die „San Lorenzo“ unter dem Kommando von Jean Ribault den Perustrom und den Wind gegenan – und der Wind war sogar ziemlich „happig“, wie Ben soeben bemerkt hatte.

      Sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Kreuzschlag ostwärts über Backbordbug auf die Küste zu. Immer wieder spähte Hasard zum Land. Er hatte Bill, der zur Zeit den Ausguckposten im Großmars versah, auch die Anweisung gegeben, nach einem entsprechenden „Plätzchen“ Ausschau zu halten.

      „Nochmals“, sagte Hasard. „Ich bin fest entschlossen, die Culverine auf der ‚San Lorenzo‘ so bald wie möglich zu ersetzen.“

      „Wenn der verdammte Krake die Kanone bloß nicht mitgenommen hätte“, sagte Shane. „Aber, ich weiß ja, daran läßt sich nichts mehr ändern.“

      „Wobei immer noch die Frage offen bleibt, was das Tierchen mit der schönen Kanone wollte“, sagte Dan grinsend. Er wollte noch etwas hinzufügen, aber Ferris blickte ihn schon wieder drohend an. Deshalb hielt er doch lieber den Mund.

      „Also gut“, sagte Ben. „Die Sache mit der Culverine sollte wohl nicht aufgeschoben werden.“

      „Die ‚San Lorenzo‘ muß voll einsatzfähig sein“, sagte der Seewolf. „Vielleicht ist es gerade diese Culverine, die ersetzt werden muß, welche das nächste Gefecht entscheidet.“

      Shane ließ einen zustimmenden Laut vernehmen, der wie ein Knurren klang. „Eben. Weiß man’s denn?“

      „Man hat schon Pferde kotzen sehen, mein Bester“, sagte Dan.

      „Walrösser auch“, sagte Ferris.

      „Das heißt Walrosse“, berichtigte ihn Dan.

      „Du willst dich heute wohl mit mir anlegen, wie?“

      „Ganz und gar nicht.“

      „Dann halt die Klappe und denk darüber nach, wie wir das mit der Culverine am besten lösen.“

      „Indem wir die Küste anlaufen natürlich“, sagte Dan fröhlich, und der rothaarige Riese gab ein resigniertes Stöhnen von sich.

      „Was wir brauchen, ist eine geschützte kleine Bucht“, sagte Ben. „Und die werden wir früher oder später schon finden, keine Angst, Gentlemen.“

      „Eher später“, sagte Pater David trocken. „Ich fürchte, mit der Umrüstung wird es noch etwas dauern.“

      „Ich weiß, was du meinst“, sagte Hasard. „Unser Nachteil ist, daß wir die Küste immer