Die Dänen sahen mit staunenden Augen zu. So etwas hatten sie noch nicht erlebt – sechs gegen fünfzehn!
Carberry besah sich kopfschüttelnd den Kerl, der bis zur Brust weg war und wie ein auf den Rücken gefallener Käfer herumhampelte. Er hockte sich vor den Kerl hin, grinste freundlich und sagte: „Soll ich dich rausziehen, Bruder?“
Der „Bruder“ spie ihm eine Flut unflätiger Schimpfnamen entgegen, was den Profos veranlaßte, von seinem freundlichen Angebot Abstand zu nehmen. Dafür wiederholte er Batutis Hammerschlag und versenkte den Mann, der in den Keller sauste.
Carberry spähte durch das Loch nach unten und sagte: „Jetzt ist er in ein Faß gefallen. Was da wohl drin sein mag?“
Der Glatzkopf hatte sich zu ihm gesellt, spähte auch in den Keller und sagte lakonisch: „Sirup.“
„Ach, du meine Güte“, murmelte der Profos erschüttert.
Der Bulle war in die rauhe Wirklichkeit zurückgekehrt und versuchte sich in Schwimmbewegungen, die aber nichts brachten, weil er gewissermaßen nur in der Luft herumruderte.
Batuti packte seine Beine und zerrte. Dann griff Pete Ballie mit zu, weil der Bulle arg festgeklemmt war.
Mit „Hauruck“ schafften sie es. Die untere Stufe brach allerdings aus den hochführenden Wangen. Batuti langte zu und hievte den Bullen hoch. Dann schob er ihn vor sich her bis zu einer Wand und lehnte ihn dagegen. Der Kerl stierte ihn aus glasigen Augen an, kriegte weiche Knie und kippte wieder um.
Batuti hätte ihm gern noch eine gefeuert, aber das war witzlos. Der Profos der Niederländer war total groggy, seinen Mannen erging es nicht anders. Auch Maulschellen können einen Kerl zermürben, und die hatte es ununterbrochen gehagelt. Sie stierten ebenfalls mit glasigen Augen um sich und verstanden die Welt nicht mehr.
„Das sind vielleicht müde Braten“, murrte Carberry und war sehr verdrossen. Dann grinste er plötzlich und sagte zu Ben Brighton: „Wir sollten feststellen, ob sie wenigstens im Saufen ihren Mann stehen.“
„Wie das?“ fragte Ben Brighton.
„Wir saufen sie unter den Tisch.“
„Die liegen oder sitzen doch schon unter den Tischen, Ed“, erwiderte Ben skeptisch.
„Macht nichts“, sagte Carberry. „Die Kerle haben uns um unseren Spaß gebracht, aber Spaß muß sein, und Hasard hat gesagt, wir dürften mit ihnen spielen, also spielen wir Besaufen.“
„Auf unsere Kosten?“
„Soweit kommt’s noch“, sagte Carberry, walzte zu dem Bullen, packte ihn bei den Füßen, zog ihn hoch und schüttelte ihn wie einen abgeschossenen Hasen.
Die Taschen des Bullen entleerten sich, Münzen rollten über die Dielen. Pete Ballie schnappte sich einen Besen und kehrte sie zusammen. Dann wurden die vierzehn anderen Kerle auf die Köpfe gestellt und durchgeschüttelt.
„Ist das was?“ fragte Carberry strahlend und beäugte den Berg Münzen, den Pete Ballie und Sam Roskill auf dem Tresen häuften, daß dem glatzköpfigen Wirt die Augen übergingen.
„Für mich?“ fragte er den Profos der „Isabella“.
„Für dich, Bruder“, sagte Carberry, „weil es hier ein bißchen Kleinholz gegeben hat. Dafür darfst du jetzt ordentlich einen ausschenken, damit Betrieb in die Bude kommt.“
„Sie sind ein echter Caballero, Señor“, sagte der Glatzkopf. „Und herzlichen Dank auch, daß Sie alle es diesen Kerlen gegeben haben. Die hätten mir das ganze Geschäft zerschlagen und die Täubchen belästigt. Ich kenne diese Halunken. Spielen sich auf, als wären sie die Herren von Java. Wer sich ihnen widersetzt, wird zusammengeschlagen. Nennen sich die ‚Schwarzen Löwen‘ – dreckige Ratten würde besser passen.“
Ben Brighton hatte aufgehorcht. „Sind die Kerle von der niederländischen Galeone ‚Zwarte Leeuw‘?“
Der Glatzkopf nickte und deutete auf den Bullen. „Das ist der Profos von dem Schiff. Vor zwei Wochen hat er eine junge Javanerin vergewaltigt, dieser Schweinehund. Daraufhin wurde einem Posten, der Ähnlichkeit mit dem Kerl hatte, nachts die Kehle durchgeschnitten, vermutlich von Familienangehörigen der Javanerin. Jetzt sollen wir Portugiesen die Mörder sein.“ Der Glatzkopf seufzte. „Sieht so aus, als stehen uns schlimme Zeiten bevor, wenn das so weitergeht.“
„Jetzt lassen wir diese Rübenschweine erst einmal vollaufen“, grollte der Profos, „und das hat seinen Grund. Wenn wir sie volltrunken auf ihrem ‚Löwen‘ abliefern, gibt’s dort Rabatz, verstehst du, Ben? Die waren auf uns angesetzt, da gehe ich jede Wette ein. Was meinst du, was dieser aufgeblasene Kapitän tobt, daß diese Kerle gesoffen haben, statt uns zusammenzuschlagen? Der läßt diesen Affenarsch von Profos glatt in Ketten legen.“
„Dann mal los“, sagte Ben Brighton grinsend.
4.
Sie kriegten wie Säuglinge die Flasche, immer reihum. Die sechs Seewölfe waren sehr besorgt um die fünfzehn angeschlagenen „Löwen“. Der Kanalratte, die in Sirup getaucht war, reichte der Profos die Flaschen in den Keller hinunter – mit der Maßgabe, ihn erst aus dem Keller zu lassen, wenn die Flaschen leer getrunken seien.
Die Seewölfe tranken auch zwischendurch, aber mit Maßen, weil sie nichts überstürzen wollten.
Zuerst fing der Sirupkerl im Keller an zu singen. Er hatte auch zu hastig getrunken in der Erwartung, sein Verlies nach jeder geleerten Flasche verlassen zu können. Aber Carberry verlängerte nach jeder Flasche und paßte auch auf, daß der Kerl die Flaschen nicht auskippte. Für den Fall drohte er ihm an, ihn im Sirupfaß zu ersäufen.
Aber von Sirup hatte dieser Kerl die Nase voll, da trank er lieber. Auch um zu vergessen, daß alles an ihm klebte. Bis zum Hals war er im Faß gewesen, und das Zeug war zäh, das floß nicht ab, sondern saß wie Kleister an ihm dran.
Er sang also, dann grölte er, und später ging das Grölen in Lallen über.
Zu diesem Zeitpunkt kroch der Profos der „Zwarte Leeuw“ auf allen vieren durch den Schankraum und bellte.
Carberry meinte, dieses Warzenschwein mime jetzt einen schwarzen Löwen, aber Pete Ballie war der Ansicht, dieser Clown stelle eher einen Kettenhund dar, das sei auch profosgemäßer, was wiederum Carberry erboste, der sich in seiner Profosehre angegriffen fühlte.
Aber das hatte Pete nicht so gemeint, und zur Versöhnung tranken sie eine Flasche Rotwein bis zur Neige aus.
Den zum Suff verurteilten Löwen reichten sie Flaschen wechselnden Inhalts, was deren geistige Trübung unerhört beschleunigte. Rum war auch dabei. Der Teufel mochte wissen, wie der nach Bantam gelangt war. Rum auf Reiswein, Reisschnaps, diverse andere Weine von Rot über Rosé bis Weiß und schließlich Arrak – das waren Hammerschläge, die jeden Löwen zähmten. Und wenn sie krakeelten, setzte es Maulschellen nach bewährter Seewölfe-Art.
Die Ladys und Gazellen kicherten. Die Dänen waren auch blau. Nach knapp zwei Stunden wußten die Löwen nicht mehr, wer sie waren. Sie grinsten blöde, lallten, wackelten, rülpsten, hatten Schluckauf, schielten, glucksten, und keiner schaffte es mehr, allein aufzustehen. Dabei hatten sie Gesichter wie überreife Tomaten und geschwollene Wangen, diverse Beulen am Kopf oder Veilchen um die Augen.
Der Bulle von Profos begann als erster zu schnarchen, und da halfen auch Maulschellen nichts mehr. Als die zwei nächsten Löwen umsanken und ihr Schnarchkonzert eröffneten, ließ sich der Profos der „Isabella“ von dem Glatzkopf ein Seil geben, schlang es durch die Leibriemen der drei Kerle, legte sich das Seil über die Schulter und marschierte nach draußen. Er zog die Kerle einfach hinter sich her. In der Tür gab es ein bißchen Gedränge, aber Carberry regelte das mit seinen urigen Kräften.
„Die