Seewölfe - Piraten der Weltmeere 72. Fred McMason. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred McMason
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954393893
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drei Männer bahnten sich durch die Trümmer einen Weg zum Achterkastell der Galeone. In dem Augenblick ging ein harter Ruck durch das Schiff. Irgendwo brachen Planken, und tief unter ihnen begann es, leise zu gurgeln und zu plätschern.

      Carberry blieb stehen und lauschte den Geräuschen.

      „Der Kahn bricht bald ganz auseinander“, sagte er. „Der hält nicht mal mehr den heutigen Tag durch.“

      Er hatte die Worte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als die Galeone leicht zur Seite kippte. Lautes Knirschen mischte sich mit dem Bersten von Holz. Die drei Männer verloren fast das Gleichgewicht.

      Von der „Isabella“ brüllten die Seewölfe aufgeregt herüber.

      „Paßt auf, der Kahn fällt auseinander!“

      Aber das Wrack beruhigte sich wieder, es neigte sich nicht weiter. Nur das Ächzen und Knarren blieb und das harte Knirschen, wenn der Kiel über den Felsen rieb, der sich in den Boden fraß und ihn stückweise auseinandernahm.

      Das Achterkastell bestand ebenfalls aus Trümmern. Die Tür zur Kapitänskammer war halb aus den Angeln gerissen. Quietschend bewegte sie sich hin und her, den Bewegungen der berstenden Planken folgend.

      Bevor Hasard die hölzerne Treppe hinunterstieg, warf er noch einen Blick auf den Jonas.

      „Was mag der nur am Horizont sehen?“ murmelte er vor sich hin.

      Carberry und Brighton folgten.

      Die Kapitänskammer war üppig mit Holzschnitzereien ausgestattet. An den Wänden hingen Zeichnungen spanischer Galeonen.

      Hinter dem Tisch ragten Stiefel hervor. Hasard wußte schon jetzt, daß auch der Kapitän nicht mehr lebte. Außer dem Jonas lebte nichts mehr hier an Bord, nicht einmal mehr die Ratten.

      Der Spanier trug seine Uniform, als hätte er sie gerade eben angezogen. Sein Gesicht war friedlich und entspannt, nur die weit geöffneten Augen starrten glanzlos an die Dekke.

      Unbehaglich sahen sich die drei Männer in der Kammer um. Hasard fragte sich zum wiederholten Male, woran die Männer wohl gestorben sein mochten, aber er fand keine Antwort darauf.

      Er ging zögernd auf eine ausgebreitete Seekarte zu, die auf dem Tisch lag. Es war die Art üblicher Seekarten, die die Spanier zum Navigieren benutzten. Ein Kurs, der nach Havanna führte, war eingezeichnet. Trotzdem ging aus der Karte nicht hervor, ob der Spanier von dort kam, oder ob er dort hinwollte.

      Neben der Karte lag ein aus dünnen Blättern gefaltetes Heft, in dem spanische Worte standen.

      Zuerst wollte Hasard es achtlos beiseite legen, doch dann fiel ihm das Datum auf. Es war ein Logbuch, gleichzeitig Gedankenstütze des Kapitäns.

      Die flüchtigen Eintragungen begannen vor zwei Wochen, und umrissen jeweils einen kurzen Tagesablauf mit der zurückgelegten Strecke.

      Hasard blätterte flüchtig ein paar Seiten durch. Brighton sah ihm dabei über die Schulter.

      „Aufzeichnungen des Captain Domingo Romero“, las er halblaut vor. „Am Vormittag des achten September treibendes Floß mit Schiffbrüchigen gesichtet. Die See ist ruhig.“

      Hasard klappte die Seiten zu und steckte sie unter sein Hemd.

      „Damit werden wir uns nachher beschäftigen“, sagte er. „Vermutlich erhalten wir einigen Aufschluß über diesen merkwürdigen Mann. Sie haben ihn als Schiffbrüchigen an Bord genommen.“

      „Ist das nicht seltsam?“ fragte Carberry, „jetzt nehmen wir ihn ebenfalls als Schiffbrüchigen an Bord, und später wird ihn wieder ein anderer als Schiffbrüchigen …“

      „Hör auf, Ed! Ich will davon nichts mehr hören. Seht euch in der Kammer um, ob es noch etwas Brauchbares zum Mitnehmen gibt. Und dann werden wir sehen, was die Galeone geladen hat.“

      „Und Trinkwasser?“ fragte Ben.

      „Werden wir vermutlich nicht finden.“

      „Aber wir haben kaum noch etwas.“

      „Ich weiß. Finden wir keins, dann laufen wir doch noch die Schlangeninsel an, uns bleibt nichts anderes übrig.“

      Es gab nichts, das wertvoll genug war, um es mitzunehmen. Sie fanden nur den üblichen Kram. Lediglich einen Jakobsstab von knapp einem Yard Länge zur Bestimmung und Messung von Gestirnshöhen ließ der Profos mitgehen.

      Etwas später stiegen sie wieder an Deck. Ed Carberry öffnete eine der Ladeluken. Fauliger Gestank drang ihm in die Nase, ein Geruch der Übelkeit verbreitete. Das eingedrungene Seewasser hatte die Gewürze in den Laderäumen der Galeone verdorben, verfaulen und vergammeln lassen. Der Profos wandte sich naserümpfend ab.

      „In der Vorpiek waren wir noch nicht“, sagte Hasard. Wieder warf er einen Blick auf den Jonas, der immer noch einer Statue glich und sich nicht rührte. Er wirkte, als gehöre er zum toten Inventar der sterbenden Galeone.

      „Wasser!“ schrie Carberry gleich darauf, als er aus der Vorpiek wieder erschien. „Die Dons haben mindestens noch zwanzig volle Fässer an Bord. Ein paar sind allerdings zertrümmert.“

      „Hast du es probiert?“

      „Natürlich, es ist einwandfrei. Das Wasser scheint noch ganz frisch zu sein.“

      „Gut“, entschied Hasard. „Dann lassen wir es sofort an Bord mannen und segeln weiter.“

      Carberrys Augen leuchteten auf.

      „Ein vernünftiger Gedanke“, sagte er lobend. „Ich habe doch gleich gewußt, daß wir diesen Kerl nicht …“

      „Wir nehmen ihn mit, Ed, beruhige dich. Ich bringe es nicht über mich, ihn hier allein zurückzulassen.“

      „Sollen wir diesen Unglücksbringer vielleicht auch noch an Bord tragen?“ erregte sich der Profos. „Der stirbt uns sowieso unter den Händen, die Mühe können wir uns sparen.“

      Hasard warf dem Profos nur einen Blick zu, aber in diesem Blick lag alles, was ein anderer mit hundert Worten ausgedrückt hätte. Da drehte Carberry sich um, stieg ergrimmt in die Vorpiek und schleppte ein Wasserfaß an Deck. Dem schweigenden Jonas warf er einen wütenden Blick zu, doch den kümmerte das nicht, er war immer noch in sich selbst versunken.

      Zu dritt trugen sie die Fässer an Deck. Hasard überprüfte jedes einzelne, aber es gab nichts auszusetzen, das Wasser war frisch und klar – und sie brauchten es dringend.

      Den Proviant ließen sie unberührt. Davon hatten sie selbst genug an Bord, und außerdem sah das Zeug nicht besonders gut aus. Mehl, in denen dicke weiße Maden herumkrochen, und eine Grütze, die so roch, daß der Profos gleich wieder das Gesicht verzog.

      „Möchte wissen, weshalb die Dons kein Silber geladen haben“, brummte er vor sich hin. „Dann hätte sich dieser Ausflug wenigstens noch gelohnt.“

      „Vielleicht hätten sie es später von einem anderen übernommen“, sagte Ben Brighton. „Aber es gibt ja auch genügend Dons, die nur Gewürze und anderen Kram fahren.“

      Mit einem langen Tau ließen sie die Fässer über das Schanzkleid gleiten, bis sie im Beiboot lagen, das jetzt fast bis an den Rand gefüllt war.

      „Pull mit den Fässern hinüber, Ed. Wir werden inzwischen versuchen, unseren Freund wachzukriegen“, sagte der Seewolf.

      Das Wörtchen „Freund“ stieß dem Profos sauer auf. Unter Freunden verstand er etwas ganz anderes, aber keinen, der nichts weiter als Unheil über Schiff und Mannschaften brachte.

      Während Carberry zur „Isabella“ hinüberpullte und die Fässer an Bord hieven ließ, näherten sich Hasard und Ben von neuem dem Jonas.

      „Hör zu, Mann“, sagte Hasard barsch und lauter, als es nötig gewesen wäre. „Du kannst hier nicht bis in alle Ewigkeiten herumstehen. Das Schiff fällt auseinander, und dann wirst du jämmerlich ersaufen oder in die Klippen stürzen. Komm mit an Bord, wir bringen dich