Seewölfe Paket 16. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397747
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taugt. So baue ich nach meinen Gesichtspunkten und Ansichten weiter und bleibe auf dem Schiff sitzen. Nun, ich muß die Leute bezahlen, die Werft unterhalten, das Holz kaufen und was der Dinge mehr sind, und so jagt eine Pleite die andere. Erst der Bau der ‚Isabella‘ hat mich wieder herausgerissen aus der Misere. Wenn ich Ihre Aufträge kriege, geht es mir eine Weile wieder gut. Danach werde ich die Werft wohl verkaufen oder schließen müssen.“

      Alle blickten Ramsgate an, diesen genialen Schiffsbaumeister, der mit seinen hervorragenden Ideen immer wieder auf taube Ohren stieß. Sein Schicksal war ungewiß, und das rührte sie alle, denn gerade seiner Kunst hatten sie viel zu verdanken.

      „Wenn Sie hier nichts mehr zu verlieren haben“, sagte Ribault in die entstandene Stille hinein, „dann verlassen Sie England doch, folgen uns in die Karibische See und bauen dort auf der Schlangen-Insel eine neue Werft. Dann hätten wir unseren Baumeister sozusagen im Hause.“

      Hasard starrte Ribault an und schüttelte fassungslos den Kopf. Auch die anderen wurden sehr hellhörig.

      „Das ist eine Jahrhundertidee, Jean“, sagte der Seewolf begeistert, „das ist das Tollste, was ich seit langem gehört habe. Was halten Sie davon, Mister Ramsgate?“ wandte er sich an den Baumeister.

      In Ramsgates Augen glomm ein kurzes Licht auf und seine Rechte fuhr langsam über den sauber gestutzten Bart.

      „Schlangen-Insel?“ fragte er lachend. „Ist das jene legendäre Insel, von der Sie mal berichtet haben? Jenes geheimnisvolle Eiland, zu dem Sie öfter segeln?“

      „Ja, das ist die Schlangen-Insel“, sagte Hasard.

      Ramsgate lächelte noch immer. Der Vorschlag des Franzosen erstaunte ihn, doch dann wurde er immer nachdenklicher.

      „Eigentlich“, sagte er leise, „habe ich hier nichts mehr zu verlieren. Meine Frau ist tot, ich bin fast ein alter Mann, und so, wie es aussieht, werde ich mir eines Tages mein Brot als Werftarbeiter verdienen müssen. Oder ich lande im Armenhaus.“

      Die anderen heizten gleich die Stimmung kräftig an, denn eine Werft auf der Schlangen-Insel, das wäre schon eine Sache. Ramsgate konnte ihnen eine ganze Flotte aufbauen, eine uneinnehmbare Festung würde sie dann werden, und Ramsgate konnte bauen, wie er wollte, ganz nach Lust und Belieben.

      „Armenhaus ist schlimm“, malte der Profos ihm eine düstere Zukunft. „Man hat keinen Menschen mehr auf der Welt, muß hungern und im Winter frieren, verlaust und verdreckt, und wird schließlich krank, ehe man sich zum Sterben niederlegt. Aber auf so einem Inselchen, Mister Ramsgate, unter netten lustigen Menschen, hübschen jungen Frauen, da läßt es sich weit besser leben. Dazu scheint Tag und Nacht die Sonne …“

      „Mister Carberry“, sagte Ben Brighton vorwurfsvoll.

      „Na ja, eben nur am Tag, aber das langt doch auch“, erzählte Ed ungerührt weiter. „Und da kann man Schiffchen bauen, wie man will, und von wegen keine Aufträge! Und niemand ist da, der ständig über die Konstruktionen meckert und nicht zahlen will. Vielleicht“, meinte der Profos träumerisch, „könnten Sie mir dort ein kleines stabiles Boot bauen, dann kann ich auf meine alten Tage immer zum Fischen rausfahren.“

      Jetzt begann auch Ramsgate laut zu lachen, denn den alten narbigen und gebeugt im Boot sitzenden Fischer Edwin Carberry konnte er sich in seiner Phantasie lebhaft vorstellen.

      Ramsgate schien schlagartig zwanzig Jahre jünger zu werden. Sein Gesicht nahm eine lebhafte Färbung an, in den Augen blitzte es, etwas wie ein ferner Traum lag darin, der sich nie erfüllt hatte, jetzt aber Wirklichkeit zu werden versprach.

      Und dann schlug er plötzlich mit der Faust auf die Back.

      „Verdammt!“ rief er begeistert, „Und ob ich das tue! Der Teufel soll mich holen, wenn ich hier in Plymouth wie ein alter Fisch vertrocknen will. Ihr habt mein Wort, Männer, wenn ihr alle einverstanden seid.“

      Natürlich waren alle einverstanden, denn Ramsgate genoß das Vertrauen aller Seewölfe. Und so stand der Profos auf und brüllte Mac Pellew an, er solle gefälligst Brandy oder Rum holen, sie alle hätten einen Baumeister zu begießen.

      „Warum wollt ihr ihn denn begießen?“ fragte Mac grämlich und mit besorgt zerfurchtem Gesicht. „Gebt ihm doch lieber was zu trinken.“

      „Oh, du aufgegeiter Hering“, stöhnte der Profos. „Natürlich wollen wir ihn nicht direkt begießen.“

      „Hast du aber gesagt“, beharrte MacPellew.

      „Manchmal sagt man schon mal was!“ schrie Ed. „Werd’ jetzt bloß nicht so spitzfindig wie der Kutscher, du quergeriggte Bilgenlaus.“

      „Solche Viecher gibt’s gar nicht“, maulte Mac und verschwand, um Nachschub zu holen.

      Anschließend, aus Jean Ribaults Vorschlag war jetzt ein fester Entschluß des Baumeisters geworden, begann man seinen „Einstand“ zu feiern, und der Profos verlieh ihm den Titel eines Schiffbaumeisters der Karibischen See, obwohl bis dahin noch gut eine Weile vergehen würde.

      „Was wollt ihr jetzt unternehmen?“ fragte der Wikinger. „Wollt ihr euch von diesem Specht aushungern lassen, oder was? Da kommt ein Lausekerl daher und nimmt euch einfach die Freiheit. Und bis dieser Lord Dingsbums hier ist, kann eine Weile vergehen, wenn er überhaupt erscheint. Und wenn eurem Arzt etwas zustößt, was dann?“

      „Das Maß ist voll“, sagte Hasard zur Überraschung der anderen ganz ruhig. „Ich denke nicht daran, hier liegenzubleiben und auf die Ewigkeit zu warten. Wir waren immer freie Männer, und wir bestimmen auch weiterhin, wann, wie und wohin wir segeln. Wir haben das Blutvergießen vermieden, das war wichtig. Jetzt lassen wir uns nicht länger auf der Nase herumtanzen, ich bin von diesen Machenschaften restlos bedient.“

      „Wir wollen wirklich abhauen, Sir?“ fragte Ben. „Und das Siegel? Und die Bewacher da oben?“

      „Das amtliche und damit königliche Siegel ist ein Problem“, gab der Seewolf zu, „auch wenn es unrechtens erfolgt ist. Die Bewacher dagegen sind kein Problem, das kriegen wir schon hin.“

      „Verdammt noch mal!“ rief Ferris Tucker begeistert und sprang auf. „Jetzt müssen wir uns nur noch einen Trick einfallen lassen.“

      Carberry hatte schon einiges intus. Die Aussicht auf einen Durchbruch beflügelte seinen Geist, und damit der noch stärkere Flügel erhielt, kippte er sich vorsichtshalber gleich noch ein paar Brandy rein.

      Dann überlegte er angestrengt. Es gab scheinbar keinen Weg, sich um das amtliche Siegel herumzumogeln.

      „Brüllt nicht so laut vor Begeisterung“, warnte der Seewolf, „oben am Kai lauschen viele Ohren, und es darf nichts durchsickern.“

      Vorschläge wurden unterbreitet, wieder verworfen. Hasard hatte zwar einen, doch das war auch so eine Sache mit Haken und Ösen, und das Siegel oder zumindest eines davon wurde sicher beschädigt.

      „Wir haben vierundzwanzig bewaffnete Männer gegen uns“, sagte er in die jetzt wieder ruhiger gewordene Runde. „Die müssen in einem blitzartigen Angriff ausgeschaltet werden. Dabei wollen wir nach Möglichkeit keine Toten hinterlassen. Wir sind fast gleich stark, wenn man davon absieht, daß die Soldaten Musketen haben.“

      „Dabei helfen wir natürlich“, sagte Thorfin, der für jede Art Hauerei immer gleich zu begeistern war. „Wir rudern bei Nacht und Nebel mit ein paar Leuten an Land und rollen die Burschen von der anderen Seite her auf. Das geht zackzack“, versprach er.

      „Gut, das sprechen wir später noch genauer durch. Uns wird nichts anderes übrigbleiben, als die Kette mit ein paar gewaltigen Hieben zu zerschlagen. Doch was ist mit dem Siegel?“

      „Dabei wird das Siegel doch gar nicht beschädigt“, meinte Ed. „Wir hauen die Kette in der Mitte durch. Ein Siegel bleibt am Poller, das andere haben wir an Bord. Ist doch prächtig, was, wie?“

      Die Begeisterung war kaum noch zu bremsen, doch Hasard wollte auch keinen Übereifer wecken. Es mußte alles genau durchdacht werden. Immerhin mußten sie