In dieser Angelegenheit, die den gottverdammten Killigrew und dessen Hundesöhne betraf, waren sie ohnehin eine verschworene Gemeinschaft – vom hochverehrten Admiral Drake bis zum Schiffsjungen. Denn darin, daß sie Killigrew, Ribault und Konsorten bis in den finstersten Schlund der Hölle wünschten, waren sie sich alle einig.
Wieder einmal schienen es die elenden Kerle geradezu darauf angelegt zu haben, im höchst unpassenden Moment auf der Bildfläche zu erscheinen.
Robert Parsons kniff die Lippen zusammen, daß sie einen dünnen Strich bildeten. Die feixenden Visagen dort drüben brachten seine Wut zum Kochen. Er witterte geradezu, daß diese dreimal verdammten Strolche ihnen, den tapferen Männern des ruhmreichen Admirals, wieder alles kaputtmachen würden.
Aber diesmal sollte es ihnen nicht gelingen!
Parsons dachte beinahe wehmutig an die eigene Ankunft in Plymouth Auch die „Revenge“, ihr Kapitän und die gesamte Crew waren nicht minder stürmisch gefeiert worden als diese Bastarde, die das Schwarze unter den Nägeln nicht verdienten.
Letzten Endes war für Sir Francis Drake und seine Crew ein solchermaßen triumphaler Empfang mehr als angebracht gewesen. Daß der Admiral und seine Offiziere den Kampf gegen die Armada so geschildert hatten, wie er eigentlich hätte verlaufen sollen, war nach Parsons’ Meinung durchaus legitim. Diese Stubenhokker an Land begriffen sowieso nicht, welche Bedeutung die Einzelheiten einer Seeschlacht hatten. Also mußte man ihnen die Einzelheiten so erläutern, daß sie es auch verstehen konnten.
Deshalb hatten Drake und seine Getreuen den ehrfürchtig staunenden Bürgern von Plymouth jene Geschichte aufgetischt, von der auch Robert Parsons überzeugt war, daß sie sich in dieser Weise mit Sicherheit hätte zutragen können.
Mitten im härtesten Gefecht so hatte Drake gestenreich berichtet, habe ihnen ein vorwitziger Spanier das Ruder weggeschossen. Und das just in dem Moment, als die „Revenge“ bereits mit Enterkurs auf die „San Martin“ losgegangen sei, das Flaggschiff der Armada. Natürlich hätten er, Drake, und seine Mannen zu diesem Zeitpunkt bereits wesentlich zum Sieg der englischen Flotte beigetragen. Doch ohne das Mißgeschick mit dem Ruder wäre das Schicksal der „San Martin“ besiegelt und damit die Schlacht endgültig entschieden gewesen.
Natürlich hatten auch die Bürger von Plymouth schon von, Killigrews wahnwitzigem Branderangriff vor Calais gehört. Deshalb jetzt auch dieser Zirkus bei der Ankunft der „Isabella“ und der „Le Vengeur“. Aber Admiral Drake hatte nur lächelnd abgewinkt, als der Lord Mayor die Sprache auf diesen angeblich entscheidenden Branderangriff brachte. Das sei eine zwingende Maßnahme gewesen, die von jedem anderen Kapitän der königlichen englischen Flotte mit der gleichen Schlagkraft ausgeführt worden wäre.
Schließlich, so sagte Parsons zu sich selbst, hatten sich die Bastarde unter Killigrew und Ribault ohnehin eine unglaubliche Frechheit herausgenommen, als sie den Angriff der „Revenge“ auf die „San Mateo“ verhinderten. Ein ehrenhafter englischer Seefahrer mußte sich schämen, daß es solche Disziplinlosigkeiten innerhalb der eigenen Flotte überhaupt gab.
Je länger Parsons darüber nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß Admiral Drake völlig korrekt gehandelt hatte. Es war sogar seine Pflicht gewesen, den Vorfall in der Nordsee zu verschweigen. Denn diese Dreistigkeit, die auf Killigrews Konto ging, war ganz einfach eine Schande für die gesamte Navy.
Ja, im Grunde konnte Killigrew froh sein, wenn niemand erfuhr, was er sich geleistet hatte. Der Mistkerl mußte sogar dankbar sein, daß Admiral Drake sich so generös verhielt und die Unverschämtheit eines Emporkömmlings nicht ans Tageslicht brachte. Immerhin hatte die Sache in der Nordsee allem die Krone aufgesetzt, was Killigrew sich vorher schon geleistet hatte.
Robert Parsons’ Gedankengänge führten so weit, daß er nach einer Weile fest an das glaubte, was er sich selbst einredete.
Aber natürlich würden diese Bastarde sich selbst wieder ins beste Licht rücken. Diese Hundesöhne, die sich selbst in maßloser Übertreibung als Seewölfe bezeichneten.
Moses Bill blickte mit leuchtenden Augen zu seinem Kapitän auf, als dieser ihm einen ledernen Geldbeutel in die Hand drückte.
„Ich verlasse mich auf dich, mein Junge“, sagte Philip Hasard Killigrew ernst. „Du wirst dir ein gutes Pferd nehmen und zu Doc Freemonts Landsitz am River Tavy reiten. Du übergibst ihm diese Botschaft.“ Hasard reichte dem Schiffsjungen einen zusammengerollten und versiegelten Brief. „Darin steht, daß ich den Doctor mit meinen Söhnen hier in Plymouth erwarte. Erledige deinen Auftrag gut, Bill.“
„Ja, Sir.“ Strahlend verstaute Bill den Brief und den Lederbeutel unter seinem Hemd, das er sorgsam wieder zuknöpfte. Dann blickte er noch einmal in die Runde, voller Stolz.
Die Augen der Männer spiegelten väterliches Wohlwollen, Freundschaftlichkeit und Güte. Sie alle ersetzten ihm, dem aufgeweckten schwarzhaarigen Jungen, den Vater. Sie wußten, welcher Vertrauensbeweis es war, daß Hasard ihn damit beauftragte, die Zwillinge zurück an Bord zu holen. Die Gedanken, die die Männer der „Isabella“ in diesem Moment bewegten, gerieten ins Melancholische. Bill verkörperte für sie ein Stück eigene Vergangenheit, und wenn sie auch oftmals fluchten und wetterten und ihre Wut an ihm ausließen, so wußten sie doch nur zu gut, wie schwer er es an Bord hatte. Sie alle hatten einmal auf diese oder ähnliche Weise angefangen, ein Seefahrer zu werden. Und Bill war fest entschlossen, sich an Bord von Philip Hasard Killigrews Schiff zu bewähren. Daß er jetzt diesen Auftrag erhalten hatte, bewies ihm, daß er auf dem richtigen Weg war. Seinen Traum, auch einmal ein richtiger Seewolf zu werden, träumte er seit damals. Seit die Männer ihn auf Jamaica aufgelesen hatten. Dort hatte er seinen Vater verloren, mit dem er zusammen auf dem englischen Schiff „Sea-Eagle“ gefahren war, bevor sie beide in spanische Gefangenschaft gerieten.
Bill wandte sich mit einem entschlossenen Ruck ab, eilte mit langen Schritten über den Landgangsteg zum Kai und war kurz darauf in der Menschenmenge verschwunden, die dort noch immer ausharrte und das berühmte Schiff der nicht weniger berühmten Seewölfe bestaunte.
Die Männer an Bord der „Isabella“ blickten dem Schiffsjungen noch minutenlang schweigend nach. Mit dem Auftrag, den er auszuführen hatte, würde sich eine bedeutsame Wende im Leben ihres Kapitäns vollziehen.
Hasard hatte eine endgültige Entscheidung getroffen.
Seine Söhne, die Zwillinge Philip und Hasard, sollten jetzt für immer bei ihm an Bord bleiben. Sie, die ihre Mutter durch ein tragisches Unglück verloren hatten, hatten für sich selbst ohnehin längst entschieden, daß sie keine Landratten werden wollten. Ihr Vater erfüllte nun ihnen und sich selbst den Wunsch, der ihnen als das einzig Vernünftige erschien. An Bord der „Isabella“ sollten sie die Seefahrt von Grund auf kennenlernen, sollten sich bewähren und ihr Handwerkszeug meisterlich beherrschen lernen. Daß sie die Fähigkeit dazu hatten, wußte Hasard schon lange. Kurze Zeit nachdem er sie in Tanger wiedergefunden hatte, hatten sie auf der Galeone bereits bewiesen, welcher Tatendrang und welche Zähigkeit in ihnen schlummerten – trotz ihres noch kindlichen Alters. Für die Dauer der Schlacht gegen die Armada hatte Hasard die Zwillinge wohlweislich in Doc Freemonts sichere Obhut gegeben.
Nun, wenn sie ganze Kerle waren, würden sie es zum Kapitän bringen, wie ihr Vater.
Hasard verscheuchte die Gedanken und wandte sich zu seinen Männern um.
„Ben!“
„Sir?“ Der erste Offizier der „Isabella“ trat einen Schritt vor.
„Du wirst die Bordwache übernehmen. Zusammen mit Old O’Flynn und Will Thorne.“
„Aye, aye, Sir.“
Die Gesichter der übrigen Männer begannen zu leuchten. Dann stimmten sie ein begeistertes Gebrüll an, daß die Decksplanken zu erzittern schienen. Sie hatten gewußt, daß Hasard wieder einmal Verständnis zeigen würde. Denn auch sie wollten den Sieg feiern, für den sie selbst von den Stadtbewohnern gefeiert wurden. Für die Seewölfe