„Jörgens Hinweis ist begründet“, sagte Arne und nickte. „Ich weiß zwar nichts über Taubenkrankheiten, Jussuf, aber ich kann dir nur den einen guten Rat geben: Dein Täuberich Osman muß so schnell wie möglich isoliert werden. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber so eine Seuche könnte schlimme Folgen haben. Und wir sind nun einmal auf deine Brieftauben angewiesen. Ohne sie wäre unser gesamter Einsatz in Havanna wirkungslos.“
Ein Leuchten huschte über Jussufs Gesicht. Obwohl Arne ihm wenig Hoffnung machen konnte, waren die Worte doch wie Labsal für seinen Gemütszustand. Zu wissen, wie hoch die Bedeutung der „Kinderchen“ eingeschätzt wurde, war mehr als tröstlich. Und zweifellos hatte Arne recht, wenn er sagte, daß es jetzt vor allem darum ging, die gesunden Tauben vor Ansteckung zu schützen.
„Ich werde Osman sofort von den anderen trennen“, sagte Jussuf und stand auf. „Natürlich ist das wichtig. Bei Allah, warum habe ich nicht selbst daran gedacht!“
„Vielleicht hat er auch nur ein schlechtes Korn erwischt!“ rief Jörgen ihm nach. „Bei dem Futter weißt du doch nie, ob es ganz in Ordnung ist. Und wenn dann mal was Giftiges dazwischen ist …“
Aber Jussuf hörte schon nicht mehr hin. In aller Eile nahm er den immer noch reglosen Osman aus seinem Schlag und bettete ihn in einen transportablen Käfig um, den er ins Dachgeschoß des Hauses trug. Dort oben hatte es der kranke Täuberich warm und gemütlich, und nichts und niemand störte ihn. Auf leisen Sohlen schlich Jussuf aus dem Bodenraum. Wenn Osman gesunden konnte, dann hatte er hier die beste Gelegenheit dazu.
Im Erdgeschoß des Hauses begab sich Jörgen Bruhn unterdessen an sein Stehpult, während Arne sich in seinem eigenen Kontor mit den dicken, ledergebundenen Journalen befaßte. Jörgen hatte den Federkiel noch nicht ins Tintenfaß getaucht, als es an der Haustür klopfte.
Ein Bote des Gouverneurs stand draußen und verneigte sich. Der Mann war auf den ersten Blick erkenntlich an seiner prunkvollen Livree. Jörgen brauchte nicht erst zu fragen, wen er vor sich hatte.
„Ich habe eine persönliche Nachricht für Señor von Manteuffel“, sagte der Bote. „Ist er zu sprechen?“
Jörgen Bruhn wußte, daß es ratsam war, die Höflichkeitsformen zu wahren. Der Fortbestand der Faktorei von Manteuffel in Havanna hing nicht unwesentlich vom Wohlwollen des feisten Gouverneurs ab. Mochte er auch das durchtriebenste Schlitzohr sein, das man sich nur vorstellen konnte – wenn man sich gegen ihn stellte, war es fast aussichtslos, die Faktorei in Havanna zu erhalten. Nach außen hin mußte sie von Arne hieb- und stichfest als deutsche Handelsniederlassung geführt werden. Daran durfte niemand zweifeln, am allerwenigsten Don Antonio de Quintanilla. Nur dann war es möglich, Philip Hasard Killigrew und den Bund der Korsaren weiterhin mit lebenswichtigen Nachrichten zu versorgen.
Jörgen führte den Boten des Gouverneurs also in das Kontor des deutschen Kaufherrn und ließ die beiden Männer allein.
Kurze Zeit später, nachdem der Bote gegangen war, brach auch Arne von Manteuffel auf. Seinem Status eines wohlhabenden Kaufmanns entsprechend, ließ er sich von einer Kutsche zum Gouverneurspalast bringen.
Es gehörte einiges dazu, den Schein zu wahren.
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