Die Gegner brachten ihre Waffen zum Einsatz und zogen sämtliche Register. An Bord der Schebecke krachte, dröhnte und donnerte es, und Feuer und Rauch, Eisen und Glas flogen und wirbelten nach allen Seiten.
Die Auswirkungen dieser explosionsartigen Entwicklung spürten als erste die Piraten an Bord jener Schaluppe, die sich dem Dreimaster am dichtesten genähert hatte. Die Piraten waren grimmig entschlossen, bei der Schebecke längsseits zu gehen, zu entern und somit ihrem Anführer zu zeigen, was in ihnen steckte.
Sie feuerten die Drehbassen ab. Dann griffen sie zu den Musketen, um Einzelschüsse auf die Gestalten abzugeben, die sie am Schanzkleid der Schebecke deutlich genug sehen konnten.
Doch es blieb bei dem Versuch. Eine Drehbassenkugel der Schaluppe hackte zwar ins Schanzkleid der Schebecke. Doch keiner der Arwenacks wurde verletzt. Sie warfen sich rechtzeitig in Deckung. Holz splitterte und wirbelte nach den Seiten weg, aber auch die Splitter trafen glücklicherweise keinen der Männer.
Eine der 17-Pfünder-Kugeln in dessen, in diesem Moment von den Arwenacks abgefeuert, schlug voll in die Schaluppe. Sie traf den Bug, und plötzlich waren der Bug und die dort in einer Gabellafette montierte Drehbasse wie weggewischt. Die Schaluppe torkelte herum, als sei der Rudergänger betrunken.
Sie hob das Heck aus den Fluten und ging auf Tiefe. Zwei Pfeile und eine Höllenflasche prasselten noch auf den Einmaster ein. Heulend und um Hilfe schreiend kippten die Galgenstricke ins Wasser. Die Flaschenbombe explodierte und riß auch noch das Heck der Schaluppe auseinander.
Olivaro hatte vom Achterdeck seiner Karavelle aus alles genau beobachtet. Er preßte die Lippen zusammen. Sie waren ein blutleerer Strich. Nicht einen einzigen Fluch stieß er aus, so betroffen war er. Nie zuvor hatte er Männer mit solcher Vehemenz kämpfen sehen.
Guzman wagte nicht, auch nur eine Bemerkung von sich zu geben. Ebenso die Kerle auf dem Hauptdeck. Sie schwiegen – und bereiteten sich darauf vor, den Gegner massiv zu packen. Hastig wurden die leergeschossenen Kanonenrohre nachgeladen.
Die einzige Chance der Piraten schien darin zu liegen, die „fremden Hundesöhne“ in einem gemeinsamen Ansturm zu erledigen. Wenn Olivaro es sich recht überlegte, dann hatten sich die Kerle von der ersten Schaluppe sogar ausgesprochen dumm verhalten.
Sie hatten durch Heldenmut glänzen wollen. Aber sie waren gescheitert. Einzelunternehmen hatten keinen Sinn, das hatte schon Guzmans Niederlage in den Hügeln der Insel bewiesen.
So rückten die Karavelle und die beiden Schaluppen auf die Schebecke zu. Olivaro wollte sich den Gegner von Backbord achtern greifen. Wenn es gelang, im Kugelhagel Bord an Bord an die Schebecke heranzugleiten, war der Rest ein Kinderspiel. Flogen erst die Enterhaken, dann war das Schicksal der Fremden besiegelt. Olivaro war sicher: Er und seine Kerle waren im Nahkampf nicht zu schlagen.
„Achtung!“ brüllte Guzman plötzlich. „Brandpfeile!“
Die Pfeile stiegen von der Schebecke auf. Die Piraten konnten verfolgen, wie sie zum Himmel huschten, dann abkippten und sich auf die Schiffe senkten. Ausweichen konnten sie nicht. Jedes Manöver wäre zu langsam und zu schwerfällig ausgefallen.
„Deckung!“ brüllte Olivaro.
Die Pfeile hagelten auf die Decks und in die Takelung der drei Piratensegler. Plötzlich leckten Flammen aus den Segeln der Karavelle. Damit nicht genug. Einige Pfeile, die besonders dicke Schäfte aufwiesen, bohrten sich mit hartem Pochen in die Planken – und dann flogen sie krachend auseinander.
Fassungslos mußte Olivaro verfolgen, wie seine Kerle schreiend und fluchend von den Geschützen wegsprangen. Einige hielten sich die Gesichter oder die Leiber und krümmten sich auf den Planken.
Was war das? Welcher Art von Spuk bedienten sich die fremden Hunde?
„Sie sind Hexer!“ heulte einer der Kerle. „Sie stehen mit dem Teufel im Bund!“
„Maul halten!“ brüllte Olivaro zurück. „Feuer! Heizt ihnen ein! Schießt sie zusammen!“
Guzman begriff, daß aus dem Zusammenschießen nichts mehr werden würde. Obgleich die Karavelle und die beiden Schaluppen der Schebecke nun sehr nahe waren, hatten sie doch keine Möglichkeit, wirklich längsseits zu gehen und zu entern. Und auf Distanz ließ sich das Gefecht auch nicht mehr zugunsten der Bande entscheiden. Es war alles sinnlos. Die fremden Korsaren kehrten mit dem Eisenbesen aus – wie der Teufel persönlich.
Schon blitzte und zuckte es wieder von der Schebecke herüber. Kanonen dröhnten, Pfeile schwirrten, Flaschen taumelten durch die Luft. Olivaro sprang aufs Hauptdeck der Karavelle und trieb seine Kerle selbst zu größerer Eile an. Doch es nützte nichts. Sie konnten die Geschütze nicht schnell genug abfeuern und nachladen. Drüben, beim Feind, ging das alles rascher.
Außerdem hatte Olivaro jetzt das zusätzliche Problem, den Brand in der Takelage löschen zu müssen. Auf seine Flüche und Tritte hin sausten die Kerle in den Wanten hoch. Sie hieben mit nassen Schwabbern auf die Flammen ein oder kippten Wasser und Sand in die Feuernester. Aber da zischten wieder Pfeile heran. Heulend kippten die Piraten aus den Wanten. Einige knallten aufs Deck, andere landeten im Wasser.
„Hölle und Teufel!“ schrie Olivaro. „Ich bringe euch alle um, ihr Ratten, wenn ihr nicht kämpft!“
Guzman mußte trotz der prekären Lage unwillkürlich grinsen. Gab sich Olivaro immer noch falschen Hoffnungen hin? Hier hatte er einen Gegner gefunden, an dem er sich die Zähne ausbiß. Er konnte nur noch eins tun – kapitulieren oder die Flucht ergreifen. Vielleicht ließen die Korsaren die Bande dann in Ruhe.
Eine Höllenflasche polterte in die eine Schaluppe und platzte mit einem berstenden Krachen auseinander. Gleich darauf wirbelten noch zwei Wurfgranaten. Die eine war für die zweite Schaluppe bestimmt, die andere für die Karavelle. Gleichzeitig grollten die Kanonen. Und Pfeile flogen, als stünden drüben auf dem Vordeck des Gegners gleich ein Dutzend Männer mit Bögen bereit.
„Achtung!“ schrie Guzman.
Olivaro hörte nicht auf ihn. Er schickte sich gerade an, eins der Geschütze selbst auszurichten und zu zünden. Da flog eine Flaschenbombe auf ihn zu.
Erst im letzten Augenblick registrierte der Piratenführer das „Objekt“, wie es haarscharf an ihm vorbeihuschte und auf den Planken landete. Die Flasche rollte zum gegenüberliegenden Schanzkleid, nach Steuerbord.
„Aufheben!“ brüllte Olivaro einem seiner Kerle zu.
Der Kerl war so dumm, es zu tun. Er nahm die Flasche auf und traf Anstalten, sie außenbords zu schleudern – da explodierte sie. In das Krachen der Detonation mischte sich das schrille Schreien des Kerls.
Ein Kanonenschuß des Gegners bereitete der zweiten Schaluppe das Ende. Die erste war durch die Höllenflasche so schwer leckgeschlagen, daß sie sank. Die Kerle sprangen ins Wasser und schwammen zur Karavelle. Dort kämpften Olivaro, Guzman und die letzten Kerle auf verlorenem Posten. Über ihnen loderten die Segel. Flammennester fielen auf die Decks und entfachten auch die Planken.
Guzman stolperte vom Achterdeck auf die Kuhl.
„Olivaro!“ schrie er. „Wir sind verloren!“
„Halt dein Maul!“ fuhr ihn Olivaro an.
„Gib auf!“
„Niemals!“
„Es hat keinen Zweck mehr!“ Guzman stürzte sich auf seinen Anführer und versuchte, ihn zu Boden zu reißen. Er wollte verhindern, daß auch die letzten Kerle in diesem aussichtslosen Gefecht über die Klinge sprangen.
Olivaro schüttelte Guzman ab und fuhr zu ihm herum.
„Du Hund!“ heulte er. „Meuterer!“ Dann hatte er seinen Säbel in der Hand und schlug zu.
Guzman sank getroffen zusammen und rutschte langsam über die Planken des stampfenden und schlingernden Schiffes. Er konnte sich nirgends festhalten. Seine Hände waren kraftlos.
Auch du wirst