Seewölfe - Piraten der Weltmeere 616. Jan J. Moreno. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan J. Moreno
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966880305
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Strand zurück.

      „Wir liegen ungefähr sechzig Seemeilen nördlich von Roanoke.“ Dan O’Flynn, der Navigator der Arwenacks, tippte mit dem Finger auf eine Karte, die den Küstenverlauf mehr ahnen ließ, als sie ihn tatsächlich wiedergab. „Außerdem steht der Wind schlecht. Wir werden also mindestens einen Tag brauchen, um in den Albemarlesund einzulaufen.“

      „Und wenn schon.“ Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, zuckte mit den Schultern. „Auf einige Stunden mehr oder weniger kommt es gewiß nicht mehr an.“

      „Du bist froh, wenn du die Siedler wohlbehalten ausschiffen kannst“, vermutete Dan.

      „Nach allem, was vorgefallen ist, ja.“

      Ruckartig hob Hasard den Kopf und lauschte. Eine leichte Brise wehte auflandig, dennoch war ihm, als hätte er aus dem Landesinneren einen Schuß gehört. Aber die Jagdtrupps, die erneut für frisches Fleisch gesorgt hatten, waren längst zurück. Und Spanier? So weit nördlich ankerten keine Dons.

      Hasards Aufmerksamkeit blieb geweckt. Mehr als zweihundert Männer, Frauen und Kinder lagerten im Moment auf dem steinigen Strand. Fast hätten sie sich darum geprügelt, wer als erster die qualvoll gewordene Enge an Bord der Schiffe verlassen durfte.

      Einige hatten gleich hier siedeln und den Wald roden wollen, um nur ja nicht auf die „Pilgrim“ oder die „Explorer“ zurückzumüssen. Hasard hatte seine Plage damit gehabt, ihnen den Unsinn auszureden, denn allein auf sich gestellt, konnten sie niemals in der Wildnis überleben.

      Inzwischen sah alles wieder ganz anders aus. Selbst Kranke waren wie durch Zauberei genesen, kaum daß sie erneut Landluft atmeten, festen Boden unter den Füßen spürten und ein saftiges Stück Fleisch zwischen den Zähnen hatten.

      Die Mannschaften nutzten die Liegezeit vor der Küste, um ihre Schiffe auszubessern. Die „Pilgrim“ hatte wieder geleckt, aber Werg und Pech waren hinreichend vorhanden.

      „Wann setzen wir Segel?“ fragte Dan.

      Hasard warf einen prüfenden Blick zur Sonne, die langsam über den Mittag hinauswanderte.

      „Morgen“, sagte er, „sobald es hell wird.“

      Genügend Proviant befand sich an Bord. Der Wald war reich an Beeren und Pilzen, sogar eine kleine Süßwasserquelle lag gerade eine halbe Stunde entfernt. Lediglich ein Teil der Wasserfässer mußte neu aufgefüllt werden. Hasard schätzte, daß darüber der Abend hereinbrechen würde. Er war im Begriff gewesen, einen Arbeitstrupp zusammenzustellen, als Dan O’Flynn mit der Karte erschienen war.

      „Ich werde also Gelegenheit haben, die Küstenlinie zu vervollständigen“, bemerkte Old Donegals Sohn zufrieden.

      Hasard nickte. „Hast du geglaubt, ich ließe bei Nacht Anker lichten?“

      Er drehte sich um und ging zu der soeben auflaufenden Jolle hinüber, die weitere Fässer von den Galeonen brachte.

      „Ich denke, das genügt“, sagte er. „Wenn fünfzehn Mann den Weg zweimal gehen, sind wir ausreichend versorgt. An Bord haben wir auch noch.“

      Natürlich war es eine Plackerei, die vollen Wasserfässer auf der Schulter durch den Wald zu schleppen. Deshalb wählte Hasard kräftige Kerle aus – insgesamt elf von den Mannschaften der beiden Galeonen, zwei Pilger und außerdem Big Old Shane, den Schmied der Arwenacks, und Jeff Bowie. Fast alle trugen Pistolen und Säbel im Gürtel. Zudem sollten zwei Musketenschützen den Trupp begleiten.

      „He!“ maulte Jeff Bowie plötzlich und deutete mit seiner Hakenprothese zum Wald. „Wo kommen die Burschen her?“

      Hasard hatte die drei Adligen schon vermißt und angenommen, daß sie sich wieder einmal über seine Anordnungen hinweggesetzt hätten. Wenn tatsächlich vorhin geschossen worden war, konnten nur sie das gewesen sein. Er ging ihnen entgegen.

      Natürlich mußten sie ihn sehen. Aber sie taten nicht danach. Offensichtlich wollten sie zu einer der Jollen und zur Schebecke pullen. Die Fäuste in die Hüfte gestemmt, vertrat Hasard ihnen den Weg.

      „Sir William“, sagte er betont scharf, „darf ich fragen, wo Sie gewesen sind?“

      Der Angeredete zog indigniert die Brauen hoch. Er schwitzte. Allem Anschein nach war ihm nicht gerade wohl in seiner Haut.

      „Das geht Sie nichts an“, erwiderte Alec Morris an seiner Stelle.

      „Genau da befinden Sie sich im Irrtum, Gentlemen.“ Hasard stand wie ein Fels in der Brandung. Falls der junge Schnösel glaubt, daß er sich zu einer Unbesonnenheit hinreißen ließ, hatte er sich gewaltig getäuscht.

      „Aus Sicherheitsgründen habe ich verboten, das Lager zu verlassen“, fuhr der Seewolf fort. „Das gilt auch für jeden von Ihnen. Ich bin für Ihr Wohlbefinden verantwortlich – wenn es sein muß, lasse ich Sie in Eisen legen.“

      „Das würden Sie nicht wagen“, brauste Morris auf.

      Der harte Zug, der sich um Hasards Mundwinkel abzeichnete, und der unnachgiebige Blick seiner eisblauen Augen verunsicherten ihn dennoch. Ein Säckchen Gold für den, der Killigrew über die Klinge springen läßt, schoß es ihm jäh durch den Sinn. Aber soviel Reichtum besaßen sie zusammen nicht.

      „Wir können sehr gut auf uns aufpassen“, erklärte Frank Davenport trotzig.

      Der Seewolf packte so überraschend zu, daß dem Abenteurer sogar der Schmerzensschrei in der Kehle stecken blieb. Und das, obwohl Hasards Finger sich fest um seine linke Schulter schlossen.

      „Woher stammt die Wunde?“

      Davenport schluckte schwer. Bis er die Antwort bereit hatte, klang sie längst nicht mehr glaubwürdig.

      „Ich habe mich an einem verdammten Ast gerissen.“

      „Und das Blut an Ihrer rechten Hand?“

      „… ist mein eigenes.“

      „Das am Ärmel auch?“ Hasard mußte sich zusammennehmen, um nicht zuzuschlagen. Was ihre Überheblichkeit betraf, konnte den drei „Durchlauchten“ in der Tat niemand das Wasser reichen.

      Alec Morris entschloß sich spontan dazu, Davenport seinem Schicksal zu überlassen und seinerseits so zu tun, als gäbe es den Seewolf nicht. Er ließ den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann einfach stehen und stolzierte weiter auf die Jolle zu. Natürlich war er überzeugt davon, daß vieler Augen auf ihm ruhten. Um so mehr traf es ihn, als er unsanft am Kragen zurückgehalten wurde.

      „Wer hat geschossen?“ fragte Hasard drohend. „Und auf was?“

      Morris schluckte eine heftige Erwiderung gerade noch hinunter. Er hätte sich damit einen Bärendienst erwiesen.

      „Da war ein Dachs“, sagte er nur.

      Seine Kumpane nickten eifrig.

      Der Seewolf sah ein, daß er nicht mehr erfahren würde. Zudem begann er sich zu fragen, warum er sich immer wieder genötigt sah, den drei Halunken den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sobald sie im Albemarlesund anlandeten, konnte ihm ihr weiteres Schicksal herzlich gleichgültig sein.

      Erstaunlich war, wie schnell sie zur Schebecke hinüberpullten.

      Und noch erstaunlicher, daß sie sehr bald wieder abenterten.

       2.

      Die leeren Fässer geschultert, marschierten die Mannen in Zweierreihen durch den Wald. Im Schatten der weit ausladenden Baumkronen ließ sich die Hitze leichter ertragen als am Strand, wo die Steine wie ein Backofen Wärme abstrahlten.

      Der Wildreichtum der Neuen Welt verblüffte. Häufig flohen Rehe und kleinere Tiere vor den Eindringlingen.

      Big Old Shane, der als erster die Quelle ausgekundschaftet hatte, führte den Trupp an. Ihm folgte einer der Musketenschützen, ein eher schmächtiger Bursche namens Huggley, der mit der Waffe jedoch umzugehen verstand wie kaum