Seewölfe Paket 20. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397792
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begann eine Trommel zu schlagen, ein anderer blies dazu auf einer schaurig klingenden Flöte. Etliche tanzten oder torkelten unter dem Einfluß des Rums, den sie teils erbeutet und teils von der „Queen“ herübergeschafft hatten, um ein großes Feuer, andere sangen und grölten oder jagten hinter den schreienden Frauen her.

      Die gesamte Bande hatte sich um die riesige Feuerstelle geschart und sog begierig den Duft des Spießbratens ein. Da nicht allzuviel Brennholz vorhanden war, scheuten sie nicht davor zurück, einige Dächer abzudecken und das Material als Brennstoff zu verwenden. Des weiteren zerschlugen sie mit ihren Äxten einige der Fischerboote und benutzten die Holzstücke für das Lagerfeuer. Besonders an jene wurde Hand gelegt, die kieloben im Sand lagen und von der Tageshitze getrocknet worden waren.

      Das wüste Gelage bereitete den Schnapphähnen einen höllischen Spaß. Casco beschloß sogar, hier solange den „Bürgermeister“ zu spielen, bis es wirklich nichts mehr zu holen gab. Das bedeutete bestenfalls ein Gelage für ein paar Tage. Bis dahin würde er auch genug haben von Pepita, jener dunkelhäutigen Dorfschönen, die er sich gewaltsam zugeeignet hatte.

      Der bullige Kreole war zufrieden – mit sich, mit seinen Leuten und im übrigen mit der ganzen Welt. Er war mächtig stolz auf seinen raschen Aufstieg zum Piratenkapitän. Wie es aussah, wurde er von der Bande auch voll akzeptiert.

       5.

      Am 26. April 1594, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, passierte die „Pommern“ Kap Corrientes. Der handige Westwind füllte die Segel und brachte die Galeone zügig voran.

      Die Stimmung an Bord war gut, wie fast immer, wenn die Zeit des Backens und Bankens bevorstand. In letzter Zeit hatte man abends meist etwas länger damit gewartet, weil es angenehmer war, die Mahlzeiten in der frischen Abendbrise an Deck einzunehmen. Dafür schoben die Männer, Deutsche wie Engländer, aber auch mächtig Kohldampf, bis es soweit war.

      Vor allem Edwin Carberry schien der Magen schon bis auf die Stiefelspitzen zu hängen. Er konnte nicht verhindern, daß seit dem letzten Glasen der Schiffsglocke seine Gedanken ständig um das Abendessen kreisten.

      Immer wenn der Magen ein Knurren von sich gab, das an einen bösartigen Hund erinnerte, streichelte er mit seiner rechten Pranke besänftigend darüber und blickte sich verstohlen um. Er war nicht darauf erpicht, daß es jemand hörte, denn er wollte sich auf keinen Fall Gefräßigkeit vorwerfen lassen. Einige Kerle gab es immer, die über solch peinliche körperliche Mißtöne ihre Witze rissen.

      Oh, verdammt, dachte Ed nach dem nächsten Mal, das wird ja immer schlimmer. Das hört sich an, als hätte ich eine Hornisse verschluckt, die jetzt verzweifelt den Ausgang sucht.

      Wie zufällig trieb es Ed auch heute wieder in die Nähe der Kombüse, aus der die herrlichsten Gerüche strömten. Ja, es war schon eine feine Sache, daß der Kutscher, der sonst auf der „Isabella IX.“ das Amt des Kochs und Feldschers versah, auch auf der „Pommern“ die Kombüse übernommen hatte. Der Koch der deutschen Mannschaft war verständlicherweise auf der „Wappen von Kolberg“ geblieben. Dafür aber gingen die beiden „Rübenschweinchen“, wie Ed die Zwillingssöhne des Seewolfs nannte, dem Kutscher kräftig zur Hand.

      Viele Dinge im Leben geschehen rein zufällig, das wußte der Profos sehr wohl, deshalb strich er auch jetzt wie zufällig am offenen Kombüsenschott vorbei. Da ihn jedoch niemand ansprach und er sich durch eine eigene Anfrage nicht den Vorwurf des Verfressenseins einhandeln wollte, kehrte er um und strich – vornehm hüstelnd – noch mal vorbei.

      O Lord, diesmal klappte es, wenn auch ein bißchen anders, als der hungrige Ed sich das vorgestellt hatte.

      Der Kutscher, ein blonder, etwas schmalbrüstiger Mann, streckte den Kopf heraus und grinste auf eine ganz niederträchtige Weise. Zumindest erschien das Ed so.

      „Na, Mister Carberry“, sagte er, „hat dich der achterliche Wind wieder einmal nach vorn zur Kombüse getrieben?“

      Ed stoppte bereitwilligst seine Schritte – jedoch nicht, ohne dem Kutscher einen mißtrauischen Blick zuzuwerfen.

      „Was soll denn das heißen, was, wie? Ich bin nur ganz zufällig hier vorbeigegangen, damit du das weißt!“

      „So ist das also“, sagte der Kutscher grinsend. „Und ich dachte schon, dein blasses Gesicht und das heftige Donnergrollen in deinem Magen hätten dich hergetrieben.“

      „Ich und blaß?“ Der Profos schob das Rammkinn vor. „Du bist mir ein rechter Witzbold, Kutscher. In meinem ganzen Leben bin ich noch niemals blaß gewesen. Außerdem donnert in mir überhaupt nichts, ich habe schließlich kein Gewitter im Bauch. Oder bist du vielleicht wild darauf, mich wieder einmal mit deiner stinkenden schwarzen Salbe einzureiben, was, wie? Wenn du mir damit kommst, Pfannenschwenker, dann sieh dich vor, sonst stecke ich dich selber einmal in das schwarze Zeug. Hinterher siehst du dann aus wie Caligula.“

      Der Kutscher gab sich, was einen Wortwechsel betraf, nicht so schnell geschlagen.

      „Wer sagt denn was von der schwarzen Salbe, Mister Carberry? Ich habe gegen das merkwürdige Rumpeln und Knurren in deinem Bauch ein viel besseres Mittel.“

      Ed blickte den Koch argwöhnisch an.

      „Willst du damit wieder einmal sagen, mein Magen würde wie ein halbverhungerter Wolf knurren?“

      Der Kutscher lächelte freundlich.

      „Na, heute sind das schon mindestens zwei halbverhungerte Wölfe. Und immer, wenn ein Wolf am Verhungern ist, schleicht er so nahe wie möglich an seine Beute heran. Genau das hast du auch getan. Bis zum Kombüsenschott bist du schon vorgedrungen.“

      Der Kutscher drehte sich jetzt um und rief in die Kombüse: „Paßt auf die Töpfe auf, Jungs, Mister Carberry ist am Verhungern!“

      Die „Rübenschweinchen“ griffen scheinbar erschreckt zu den Topfdeckeln.

      Der Profos blickte den Kutscher wild an.

      „Der Teufel soll dich …“

      „Ich weiß, ich weiß“, unterbrach ihn der blonde Mann. „Aber wenn mich der Teufel gerade jetzt, bevor das Mahl fertig ist, holt, mein lieber Mister Carberry, dann fürchte ich sehr um deine Gesundheit. Vielleicht gibt es dann zum erstenmal einen völlig verhungerten Wolf an Bord.“

      Ed beruhigte sich und winkte verlegen ab, zumal Philip junior jetzt in einem dritten Topf zu rühren begann, aus dem erneut verführerische Düfte aufstiegen. Der Profos schluckte hart. Da lief einem wirklich das Wasser im Mund zusammen.

      „Ist ja schon gut, Kutscher, der Teufel kann dich auch noch nach dem Backen und Banken holen“, sagte er. Dann trat er einen Schritt näher und senkte die Stimme. „Wenn ich schon zufällig hier bin, könntest du mir wenigstens verraten, was da in den riesigen Töpfen ist.“

      Der Kutscher tat, als müsse er eine schwerwiegende Entscheidung treffen.

      „Nun erzähl’s schon“, fuhr Ed fort, „du verrätst damit doch kein Geheimnis der englischen Krone, was, wie?“

      „Das nicht gerade“, sagte der Kutscher, „aber meist erkläre ich erst hinterher, was es war. Dann weiß ich nämlich schon, ob es auch geschmeckt hat. Auf diese Weise kann man Vorurteilen aus dem Weg gehen.“

      „Das ist sehr schlau von dir“, säuselte der Profos und schielte dabei verlangend zu den großen Töpfen, in die die Zwillinge jetzt extra hineinschnupperten und dabei genüßlich die Augen verdrehten. Nachdem er sich schmachtend die Lippen beleckt hatte, sagte er: „Du weißt ja, daß ich keine Vorurteile habe, also kannst du es mir ruhig anvertrauen. Dem – äh – dem himmlischen Duft nach muß es etwas ganz Hervorragendes sein.“

      Der Kutscher grinste und wußte nur zu gut, daß er den armen Profos jetzt nicht mehr länger auf die Folter spannen konnte.

      „Es gibt heute etwas Karibisches“, verkündete er.

      „Etwas Karibisches?“ Ed war verblüfft.