Seewölfe Paket 20. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397792
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Zunge hat sie noch immer!“ schrie er. „Sie hat es nicht verlernt, Gift und Galle zu verspritzen, nur kann sie damit niemanden mehr beeindrucken. Sollten wir mit ihr nicht mal ausprobieren, wie es ist, wenn man stückchenweise an die Haie verfüttert wird?“

      Casco tat, als müsse er überlegen.

      „Das hat keinen Sinn“, meinte er schließlich. „Die Haie wären beleidigt, wenn wir ihnen nur ein paar morsche Knochen anbieten würden.“

      „Schade“, maulte Silo. „Dann sollten wir wenigstens noch ein bißchen Spaß mit ihr haben.“ Er warf einen gierigen Blick auf die halbnackte Frau.

      Doch Casco winkte ab.

      „Bist du verrückt geworden?“ Er warf Silo einen tadelnden Blick zu. „Da ist jede Hafenhure besser als sie. Wenn sie nicht so abgemagert wäre, nun ja, da könnte es mich schon reizen, ihre Koje ein bißchen in Unordnung zu bringen, aber Magergänse waren noch nie mein Geschmack. Ich habe schon immer das Frische und Knackige vorgezogen.“ Er sah der Queen bei diesen Worten frech in die Augen, denn er hatte es darauf angelegt, sie zu beleidigen.

      „Da hast du völlig recht, Casco!“ rief einer seiner Begleiter. „Nicht einmal mehr dazu taugt sie. Kein Wunder, daß Caligula bereitwillig nach Havanna abgehauen ist. Er hat die Nase ebenfalls voll von dürren Ziegen, die kein Fleisch mehr auf den Rippen haben.“

      Die Black Queen stemmte sich mühsam vom Rand ihrer Koje hoch, um dem unverschämten Kerl ins Gesicht zu schlagen, doch Casco versperrte ihr den Weg und stieß sie roh auf ihr Lager zurück.

      „Genug jetzt“, entschied er. „Bindet ihr die Hände zusammen und bringt sie ins Boot. Wir setzen sie drüben auf der Insel an Land. Dort kann sie zusehen, wie sie mit ihren vier treuen Freunden zurechtkommt, die ihr bereits vorausgegangen sind. Vielleicht sind sie scharf auf Magergänse, wer weiß.“ Er lachte dröhnend.

      Die Meuterer packten die Black Queen und fesselten ihr die Hände auf den Rücken. Dann stießen sie sie aus der Kapitänskammer und trieben sie unter dem lauten Gejohle der restlichen Mannschaft zur Kuhl. Ihre wütenden Schreie und wilden Flüche, ihre Racheschwüre und Verwünschungen halfen ihr nichts. Die wüste Bande riß nur ihre Witze darüber, und einige versuchten sogar, an ihre Brüste zu fassen, als man sie an ihnen vorbeiführte. Doch Casco verhinderte das.

      Wenig später befand sich die Black Queen in dem Beiboot, das man bereits während ihrer Gefangennahme abgefiert hatte. Casco und zehn weitere bis an die Zähne bewaffnete Kerle enterten ebenfalls ab, stießen das Boot von der Schiffswand und legten sich in die Riemen.

      Das Ufer der einsamen Insel war bald erreicht. Die Queen mußte das Boot verlassen und im seichten Wasser an den Strand waten.

      „Viel Spaß auf dieser hübschen Insel!“ brüllte Casco. „Wir haben dafür gesorgt, daß dir genügend Dienstpersonal zur Verfügung steht!“

      Die schwarze Piratin stand nach vorn gebeugt im Ufersand, ihr kranker Körper zitterte und bebte. Sie ballte ohnmächtig vor Wut die gefesselten Hände und stieß wilde Drohungen aus. Schließlich spukte sie in die Richtung, in der sich das Boot mit den Meuterern entfernte.

      Als eine Weile danach Limba und seine drei Kumpane, die sich wohlweislich im Dickicht verkrochen hatten, bei ihr auftauchten und ihr die Fesseln lösten, mußte sie im Schatten der weitausladenden Palmen mitansehen, wie die „Caribian Queen“ ankerauf ging und unter dem Gejohle der nahezu vierzig Schnapphähne an Bord aus der Bucht segelte.

      Bei allen Göttern und Geistern, nie in ihrem Leben würde die Black Queen diesen Tag vergessen. Nein, ganz gewiß nicht.

       2.

      Havanna, am Morgen des 24. April.

      Die „Pommern“, eine schwarz gepönte Dreimastgaleone mit zwanzig Culverinen sowie acht Drehbassen an Bord, rauschte stolz in den Hafen. Im Großtopp wehte die Flagge mit dem roten Greif auf silbernem Feld, das Wappen Pommerns, und an der Besanrute die Flagge von Kolberg mit der Bischofsmütze, den drei Stadttürmen und den beiden Schwänen.

      Daß die wendige Beutegaleone, die früher einmal „Santa Clara“ geheißen hatte, auf der Schlangen-Insel durch die sachkundigen Hände des Schiffbaumeisters Hesekiel Ramsgate gegangen war, gereichte ihr sehr zum Vorteil. Nichts an dem Dreimaster erinnerte mehr an sein früheres Aussehen, selbst die weibliche Galionsfigur war entfernt und durch einen rot angestrichenen hölzernen Greif, das Wappentier Pommerns, ersetzt worden.

      Die beiden Forts östlich und westlich der Hafeneinfahrt – das Castillo del Morro und das Castillo de la Punta – hatte die „Pommern“ unbehelligt passiert. Die Besatzung brauchte zu ihrer Zufriedenheit keinerlei Formalitäten und Kontrollen über sich ergehen zu lassen, weil die Galeone neben der „Wappen von Kolberg“ als zweites Schiff aus der Flotte des Handelshauses der von Manteuffels nach Havanna geschickt worden war. Zudem war Arne von Manteuffel, der Vetter des Seewolfs, vom Gouverneur der Insel als deutscher Kaufherr bestätigt worden.

      Arne war darüber informiert, daß die „Pommern“ Havanna anlaufen würde, denn der Täuberich Izmir hatte die Nachricht schon am 20. April von der Schlangen-Insel gebracht. Die Brieftauben garantierten fürwahr einen absolut zuverlässigen Informationsdienst.

      Während der Dreimaster auf die Pier zuhielt, die in unmittelbarer Nähe von Arnes Faktorei lag, wurden die Segel ins Gei gehängt. Laute Kommandos dröhnten in deutscher Sprache über die Decks, und die guteingespielte Crew demonstrierte den zahlreichen Gaffern und Herumlungerern, die das Hafengebiet bevölkerten, wie man fachkundig mit einem solchen Schiff umging. Die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und englischen Besatzungsmitgliedern funktionierte hervorragend, und das war kein Wunder, denn sie alle hatten bisher dem Teufel auf allen Meeren der Welt beide Ohren abgesegelt.

      Jawohl, trotz des deutschen Stimmengewirrs gehörten siebzehn Engländer – ausnahmslos Seewölfe von der „Isabella IX.“ – zur Crew. Außer dem Seewolf handelte es sich dabei um Dan O’Flynn, Ferris Tucker, Big Old Shane, Edwin Carberry, Smoky, Blacky, Al Conroy, Stenmark, Gary Andrews, Pete Ballie, Matt Davies, Sam Roskill, Luke Morgan sowie um den Kutscher und die Zwillinge.

      Die Arwenacks hatten, was die nicht eben leichte deutsche Sprache betrifft, bereits eine ganze Menge von ihren Kameraden gelernt, denn auch die „Wappen von Kolberg“ hatte die Hälfte ihrer Mannschaft auf die „Pommern“ entsandt. Renke Eggens fungierte offiziell als Kapitän, weil sich Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, aus verständlichen Gründen nicht in Havanna blicken lassen konnte. Auch jetzt, während das Schiff anlegte, blieb er vorsichtshalber in der Kapitänskammer.

      Draußen auf der Pier stand Arne von Manteuffel mit seinen beiden Helfern und begrüßte winkend die Mannschaft. Er packte kräftig mit zu und nahm zusammen mit seinen Männern die Leinen wahr. Wenig später war die „Pommern“ fest vertäut und Arne enterte mit lachendem Gesicht an Bord. Auf seinem Weg zur Kapitänskammer hieb er vielen Männern freundschaftlich auf die Schultern. Unter anderem auch dem bulligen Profos Ed Carberry.

      „Wie geht es dir, Edwin?“ fragte er und vermied bewußt das englische „Mister Carberry“, solange er an Land gehört werden konnte.

      Ed fühlte sich geehrt, von Arne in deutscher Sprache angeredet zu werden. Eine deutsche Antwort war deshalb absolute Pflicht.

      „Danke, Härr von Mandeubel, es gätt mich sähr gutt.“

      Stolz auf seine sprachliche Leistung schob Ed sein Rammkinn vor. Dennoch war sein Deutsch schauderhaft und erinnerte an einen der zahlreichen Dialekte, die man in jenem fernen Land sprach.

      Arne nahm es lächelnd zur Kenntnis und strebte bereits dem Achterdeck zu. Ferris Tucker jedoch war erschüttert und boxte dem Profos gegen die Rippen.

      „Mann, Ed, schließ lieber die Luke“, sagte er halblaut in englischer Sprache. „Die Leute auf Kuba halten dich sonst für einen Chinesen.“

      „Hä?“ fragte Ed mit gedämpfter Stimme. „Warum für einen Chinesen? Habe ich vielleicht Schlitzaugen und