Seewölfe Paket 20. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397792
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müßte ich deine Angaben erst nachprüfen“, sagte der Dicke. „Das wirst du verstehen. Immerhin könnte es gut sein, daß du mich an der Nase herumführst. Daß du mir einfach irgendeine Position nennst, meine ich, obwohl dort keine Killigrews und keine Seewölfe zu finden sind.“

      „Und keine Schätze.“

      „Eben.“

      „Gouverneur“, sagte Caligula. „Ich weiß, was ich rede. Ich habe selbst gegen den Seewolf gekämpft. Und gegen seine Kumpane, gegen Jean Ribault zum Beispiel. Ich könnte dir sehr viel erzählen.“

      „Ja? Dann tu es doch.“

      „Nimm mir die Ketten ab. Jetzt gleich.“

      Don Antonio schüttelte den Kopf und bewegte tadelnd den Zeigefinger. „So haben wir nicht gewettet, Amigo. Du hast mir versprochen, daß du mir erst einmal alles sagst. Wir schließen eine Vereinbarung ab, und ich halte mich daran.“

      „Wer garantiert mir dafür?“

      „Ich.“

      Caligula lachte trotz seiner Qualen. „Ich habe Lust, dir ins Gesicht zu spucken, Mann. Du bist doch das scheinheiligste und ausgekochteste Schlitzohr, das mir je über den Weg gelaufen ist.“

      „Du behauptest, ich lüge?“ Don Antonios Stimme war schrill geworden.

      „Ja! Du willst mich reinlegen! Ich verrate dir die Lage des Verstecks, und anschließend bin ich ein toter Mann!“

      „Wache!“ schrie Don Antonio.

      Die Tür wurde aufgestoßen, drei Soldaten stürmten herein. Don Antonio sprang auf – eine erstaunliche Leistung für einen Mann seines Gewichtes – und deutete mit seinem dicken, stämmigen Finger auf den Delinquenten. „Abführen! Weg mit diesem Hundesohn! Bindet ihn auf die Streckbank! Legt ihm Daumenschrauben an! Zwickt ihn mit glühenden Zangen!“

      „Der Teufel soll dich holen!“ brüllte Caligula. Dann wurde er hochgerissen und abgeführt.

      Das „Plauderstündchen“, wie Don Antonio de Quintanilla es genannt hatte, war vorbei. Aber er nahm sich schon jetzt vor, am frühen Morgen wieder bei Caligula zu sein. Dann wollte er ihm genüßlich mitteilen, welche neuen „Spielchen“ er sich ausgedacht hatte, um ihn weichzukochen.

      Lange hält er nicht mehr durch, dachte er, als er in die Residenz zurückkehrte, irgendwann bricht er zusammen. Vielleicht schon heute nacht. Oder morgen früh. Das hängt davon ab, wer den längeren Atem hat.

       8.

      Mitternacht war vorbei, als Caligula wieder in seine Zelle geschleppt wurde. Die Wachen ketteten ihn an, und er blieb reglos auf dem kahlen Steinboden liegen. Er atmete flach und unregelmäßig. Erst nach Stunden kam er wieder zu sich. Er versuchte, sich aufzusetzen. Es gelang. Er kroch durch die Zelle und setzte sich so hin, daß er sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnen konnte.

      Lange blickte er starr vor sich hin. Dann begann er, seine Ketten abzutasten. Seine Finger glitten bis zu dem Augbolzen, der in die Wand eingelassen war. Er zerrte an dem Eisenring, mit dem seine Handketten verbunden waren – vergebens.

      Doch später registrierte er, daß sich der Bolzen ein wenig bewegen ließ. Er arbeitete, ruckte und rüttelte, zerrte und keuchte, und irgendwann schlief er vor Erschöpfung ein.

      Der neue Tag brachte neue Pein und Qualen. Schritte im Gang, die Tür wurde geöffnet, man löste seine Ketten und führte ihn ab, in den Vernehmungsraum. Don Antonio erschien, seine Fragen prasselten auf Caligula ein, sein Gelächter gellte in seinen Ohren. Caligula schwieg. Er wollte nicht sterben. Aber er wollte auch keine Schmerzen mehr ertragen.

      Gegen Mittag war er wieder in seiner Zelle. Carnera erschien und brachte das Essen. Caligula schleppte sich zu seinem Napf. Maden wimmelten in dem Fraß, das Wasser roch faulig. Wütend schleuderte er beides von sich.

      Der Abend. Wieder ein Verhör. Don Antonio lockte ihn mit dem Versprechen, ihn als erstes fürstlich tafeln zu lassen, in der Gouverneursresidenz, wenn er endlich alles verriet. Doch wieder hielt Caligula stand. In dieser Nacht glaubte er, sterben zu müssen, aber er war doch zäher, als er selbst noch zu hoffen wagte.

      So vergingen Tage. Längst hatte Caligula begriffen, daß er verraten und verkauft war, sobald er das Geheimnis der Position der Schlangen-Insel dem fetten Kerl verriet. Es war eine aussichtslose Lage.

      Er hatte auch erkannt, daß die Idee der Black Queen, den Bund der Korsaren über die Spanier vernichten zu lassen, geradezu wahnsinnig war. Närrin, dachte er, während er sich keuchend auf dem Boden wand, verfluchtes, verbohrtes Weibsstück.

      Jeder Mann der Crew des Zweideckers, der wegen ihres Planes persönlichen Kontakt mit den Spaniern aufnahm, war dazu verdammt, über die Klinge zu springen. Deshalb war das ganze Unternehmen verrückt und absurd. Warum, zur Hölle, schleppte sie sich nicht selbst nach Havanna?

      Er verwünschte sie in die tiefsten Schlünde der Hölle. Er schlug und trat sie in seinen Gedanken, er ließ seinen ganzen Zorn an ihr aus. Er selbst hatte nach Havanna gehen wollen, das war richtig, aber er war wegen Cariba hier, und ihre Idee war es schließlich gewesen, den Kreolen mit dem hirnrissigen Auftrag loszuschicken.

      Im übrigen hatte Don Antonio Caligula hämisch und süffisant erklärt, was mit Cariba geschehen war, der sich mit seinem Wissen über die Position des Verstecks hatte freikaufen wollen, dann aber von Don Juan de Alcazar zu dessen Aktion mitgenommen worden war.

      So ging es also nicht. Jeder Tag, der jetzt verstrich, schien außerdem zu beweisen, daß das Unternehmen gescheitert war. Don Juan schien zumindest in große Schwierigkeiten geraten zu sein, sonst wäre er längst als triumphierender Sieger zurückgekehrt.

      Doch er, Don Antonio, war großmütig und souverän, anständig und menschenfreundlich. Das jedenfalls hob er immer wieder hervor. Er wollte Caligula nicht sterben sehen. Er wollte ihn am Leben erhalten, ihm sein Dasein sozusagen schenken. Wenn er, Caligula, die Position des Schlupfwinkels verriet, ließ er, Don Antonio, ihn selbstverständlich sofort frei.

      Selbstverständlich, dachte Caligula voll ohnmächtigem Zorn. Der Galgen oder der Tod durch Erschießen winkt mir, nichts anderes. Vielleicht bauen sie den Galgen schon. Oder das Peloton steht bereits Gewehr bei Fuß. Für wie blöd hält mich dieser gemeine Hund eigentlich?

      Er wußte, daß Don Antonio nichts von dem, was er laufend versprach, in die Tat umsetzen würde. Und er wußte auch, daß er irgendwann nicht mehr die Kraft haben würde, der Folter zu widerstehen. Er mußte fliehen. Fort, nur fort – aber wie? Carnera, dieser Hund, war nicht bereit, ihm zu helfen. Auch die schönsten Versprechungen konnten ihn nicht locken, er hatte zuviel Angst vor den Soldaten und ihrem elenden Kommandanten.

      Bei den Soldaten brauchte Caligula es gar nicht erst zu versuchen. Sie meldeten jeden Bestechungsversuch sofort dem Sargento, und der war der Ehrgeiz und die Disziplin in Person. Er mußte also auf einem anderen Weg geschehen. Caligula raffte sich auf und nahm seine letzten Kräfte zusammen. Es mußte gelingen. Fort, nur fort, raus und ab in die Wälder, das waren jetzt seine einzigen Gedanken. Wie von Sinnen zerrte er nachts an seinen Handketten und dem Eisenring, immer dann, wenn er sicher sein durfte, daß der Wachtposten döste.

      In der Nacht vom 22. auf den 23. April gelang es: Caligula brach den Eisenring, mit dem seine Handketten verbunden waren, samt dem Bolzen aus der Kerkermauer. Die Ketten rasselten, er stürzte mit ihnen zu Boden. Er blieb liegen und lauschte. Nein, niemand schien etwas gehört zu haben.

      Um Mitternacht, beim Wachwechsel, betraten zwei Posten seinen Kerker, um ihn zu kontrollieren. An diese Routine hatte auch er sich bereits gewöhnt. Gezwungenermaßen wenn er schlief, traten sie ihn, oder aber sie traktierten ihn mit den Kolben ihrer Musketen, um festzustellen, ob er noch am Leben war. War er wach, kujonierten sie ihn ebenfalls. Weil er sie anspuckte, wie sie behaupteten – auch wenn er es nicht tat.

      Caligula entblößte die Zähne und gab einen dumpfen, röchelnden