„Phantastisch“, sagte er entzückt, „wunderbar. Wirklich, ganz vorzüglich haben Sie das geregelt, Monsieur Carberry.“ Er beugte sich interessiert zu Marchais und Louis hinunter, die jetzt zu seinen Füßen lagen und sich nicht mehr rührten. Auch sie hatten die Besinnung verloren und konnten vorläufig nicht mehr für Aufruhr sorgen.
Der Profos strich sich mit den Händen übers Hemd, als müsse er lästigen Staub loswerden, dann hob er den Kopf und sagte: „Sir John, du alte Nebelkrähe, du kannst wieder bei mir vor Anker gehen.“
Der Papagei, der sich kurz zuvor vorsichtshalber in die Hauptwanten zurückgezogen hatte – er hatte mit de Faleiro recht unangenehme Erfahrungen gesammelt, als dieser mit einer Muskete auf ihn gefeuert hatte –, segelte daraufhin mit weit ausgebreiteten Schwingen heran und ließ sich auf der Profosschulter nieder.
Delamotte verfolgte auch dies mit hochgezogenen Augenbrauen, dann sagte er: „Monsieur Carberry, vielleicht ist es Ihnen und Ihren Kameraden ein besonderes Vergnügen, diese drei Delinquenten mit der Jolle an Land zu bringen.“
„Wie?“ Carberry mußte sich erst einmal überlegen, ob er auch richtig verstanden hatte. Dann aber nickte er und entgegnete mit grollender Stimme: „Wir übernehmen das. Ich nehme Ferris, Stenmark, Blacky, Jeff und Luke mit. Einverstanden?“
„Gut“, sagte Delamotte und lächelte. „Gut, einverstanden. Wir können die drei Halunken gleich in die Jolle laden.“
„Endlich sind wir sie los“, sagte Marteau, der dunkelhaarige Decksälteste der „Mercure“. Mit ihm atmeten auch die anderen auf.
Unter den gleichmäßigen Riemenschlägen der Seewölfe glitt die Jolle in die Inselbucht. De Faleiro kehrte in die Wirklichkeit zurück, noch ehe sich der Bug über den hellen Sand des Ufers schob, und sofort richtete sich sein haßerfüllter Blick auf den Profos, der auf der Heckducht saß und die Ruderpinne bediente.
„Ich weiß schon, was du sagen willst“, brummte Carberry in seinem schlechten Spanisch. „Aber ich rate dir davon ab, Don Großmaul. Zeige lieber Reue. Das ist für einen Mann in deiner Lage bedeutend besser, glaub es mir.“
Juan de Faleiro wollte aber weder demütig sein Haupt beugen noch vernünftig sein. Er fing sofort wieder an, dem Profos und den fünf anderen Männern an den Riemen die wüstesten Schimpfwörter an den Kopf zu werfen.
Luke Morgan wandte sich kurz zu dem Spanier um und sagte: „Hör auf. Willst du dir noch ein paar Ohrfeigen einhandeln?“
De Faleiro achtete überhaupt nicht auf ihn, sondern tobte weiter. Luke schüttelte den Kopf, drehte sich wieder um und pullte fleißig weiter.
„Das hat ja doch keinen Zweck“, brummelte er.
„Achtung“, sagte Ferris. „Die beiden anderen sind auch wieder wach, eben haben sie sich bewegt. Sie tun aber so, als wären sie noch ohnmächtig. Mit denen kriegen wir auch gleich noch Ärger, wetten?“
Keiner zweifelte daran. Carberry wartete, bis das Boot auf dem schmalen Stück Strand der Bucht auflief, dann sprang er über das Dollbord, landete im flachen Wasser, watete an Land, hob de Faleiro aus der Jolle und setzte ihn aufs Ufer.
In diesem Moment sprang Marchais unversehens auf und wollte sich auf den Profos stürzen, doch Ferris war genauso schnell hoch und versetzte ihm einen Hieb, daß er quer über die Duchten flog. Es war Marchais’ Pech, daß er nicht verstanden hatte, was die Männer auf englisch gesprochen hatten, sonst wäre er nämlich gewarnt gewesen.
Louis wollte hinter seinen beiden Spießgesellen nicht zurückstehen, also griff er Blacky an und versuchte, ihm die Pistole aus dem Gurt zu reißen. Er hatte aber nicht mit Stenmark gerechnet. Der räumte ihn mit einem einzigen Faustschlag aus dem Boot und sprang ihm dann nach, damit Louis keinen weiteren Versuch dieser Art unternehmen konnte.
Marchais wurde von Ferris an Land befördert, und zwar nicht gerade auf die sanfte Art. Carberry stellte de Faleiro wieder auf die Beine und setzte seine „Belehrung“ dadurch fort, daß er ihn mit harten Fäusten und kräftigen Tritten in den Allerwertesten über den Strand trieb. Ferris, Stenmark, Blacky, Jeff Bowie und Luke Morgan jagten Marchais und Louis hinterher, und von der „Mercure“ aus, wo alle aufatmeten, daß die drei Kerle von Bord waren, wurde ihre Aktion mit spontanem Beifall bedacht. Die Franzosen pfiffen und johlten und warfen ihre Mützen in die Luft. Der Kutscher, Bill, Finnegan und Rogers klatschten lachend in die Hände.
Carberry blieb stehen. De Faleiro lag wieder am Boden, atmete schwer und wagte nicht, weiteren Widerstand zu leisten. Links und rechts neben ihm landeten auch Marchais und Louis im Sand. Die fünf Seewölfe traten zu ihrem Profos.
Carberrys Empfehlung an die drei Kerle, Reue zu zeigen und zu üben, fiel allerdings auch jetzt auf keinen fruchtbaren Boden. Der Spanier und seine beiden Kumpane fuhren fort, auf die lästerlichste Weise zu fluchen.
„Ich geb’s auf“, sagte Carberry. „Die kapieren ja nicht mal, wenn man ihnen mit Belegnägeln die Rüben weichklopft.“
„Richtig, Ed“, pflichtete Ferris ihm bei. „Auf was warten wir also noch? Hauen wir ab. Je eher wir weitersegeln, desto besser für uns.“
Sie kehrten zum Boot zurück, schoben es wieder ins Wasser zurück, stiegen ein und wendeten. Dann pullten sie zur „Mercure“, gingen längsseits und enterten an der Jakobsleiter auf. Die Jolle wurde von flinken Händen wieder hochgehievt und binnenbords geholt. Wenig später ging die Galeone erneut unter Segel und steuerte westwärts.
De Faleiro, Marchais und Louis unternahmen keinen Versuch mehr, ihr Schicksal zu beeinflussen. Sie setzten sich nur auf, blickten der „Mercure“ nach und verwünschten deren Besatzung in die tiefsten Höllenschlünde.
2.
Somit entschwand also die Ferris-Tucker-Gruppe an Bord der „Mercure“, und die acht Männer – oder besser, die zehn Männer, denn Jack Finnegan und Paddy Rogers gehörten ja nun dazu – ahnten nicht, daß das Aussetzen der drei Kerle auf Marittimo noch verhängnisvolle Folgen haben würde – nicht für sie, aber für Philip Hasard Killigrew und dessen Gruppe.
Nachdem die Seewölfe ihre „Isabella VIII.“ im versandeten Kanal der Pharaonen, der für sie zu einem Kanal des Todes geworden war, hatten zurücklassen müssen, waren sie gemeinsam nach Damiette gesegelt. Bis hierhin hatten sie die beiden Beiboote der „Isabella“ benutzt. Dann aber hatten sie sich trennen müssen. Drei Gruppen waren gebildet worden, die eine wurde von Hasard angeführt, die zweite von Ben Brighton und die dritte von Ferris Tucker.
Ferris’ Gruppe war gleich in Damiette an Bord der „Mercure“ gegangen. Delamotte hatte Verstärkung gut gebrauchen können, denn seine Galeone war unterbemannt gewesen. Später, vor der Küste Ägyptens, hatte man Finnegan und Rogers, die einzigen Überlebenden der gesunkenen „Zeland“, an Bord genommen, und diese beiden Männer hatten sich nur zu gern Ferris’ kleinem Trupp angeschlossen.
Hasard und Ben Brighton waren mit den Jollen noch bis nach Alexandria gesegelt, dort aber hatten auch sie sich voneinander trennen müssen. Ben hatte eine Sambuke gekauft, Hasard eine Feluke. Beide Schiffe waren in See gegangen, doch Ben hatte den Weg westwärts entlang der Küste vorgezogen, während der Seewolf Kurs auf die offene See genommen hatte.
Nach den beiden Gefechten gegen Uluch Ali, den Oberschnapphahn und gefährlichsten Galgenstrick an Nordafrikas Küsten, und gegen Muley Salah waren Hasard, die Zwillinge, Dan O’Flynn, Big Old Shane, Gary Andrews, Batuti und Matt Davies – sowie Arwenack, der Schimpanse, der sie wie bisher an Bord der „Isabella VIII.“ auch jetzt begleitete – zunächst westwärts gesegelt. Dann aber hatten sie, um aus dem Bereich der nordafrikanischen Piraten zu gelangen, Kurs auf Sizilien genommen, an deren Südküste sie