Der Erste Offizier der Dubas hatte unterdessen wieder sein Spektiv auf die Karawane gerichtet. Immer mehr Kamele, Maultiere und Männer tauchten auf. Es wollte kein Ende nehmen. Ja, wie groß war denn diese Karawane der Giaurs? Dem Ersten wurde mulmig zumute. Hatte sich Delanoff da nicht doch übernommen?
„Bei allen Wassergeistern“, sagte der Steuermann der Dubas. „Das ist ja eine Riesenmeute!“
„Und denen sollen wir trotzen?“ fragte ein Mann der Besatzung.
„Wir werden ihnen trotzen“, entgegnete der Erste. „Wir gehen dichter unter Land. Klar Schiff zum Gefecht!“
So wurde die Dubas etwas näher zum Ufer verholt – und die Mannschaft griff zu den Waffen. Musketen, Tromblons und Arkebusen: Andere Waffen hatten Delanoffs Soldaten nicht.
Die Dubas verfügte über keine fest montierten Geschütze wie Drehbassen oder Mörser. Kanonen hatte sie schon gar nicht. Schließlich war der Zweimaster in erster Linie ein Segler zur Aufklärung.
Mit einigermaßen gemischten Gefühlen blickten die Männer der Dubas den anrückenden „Giaurs“ entgegen. So manchem rutschte das Herz etwas tiefer – und dann sogar in die Hosentasche. Denn die „Piraten“, das war ganz offensichtlich, hielten mit ihrer Karawane geradewegs auf den Ankerplatz der Dubas zu. Offenbar hatten sie das Schiff gesichtet. Was wollten sie wohl? Friedliche Absichten hegten sie ganz bestimmt nicht.
Delanoff und die acht Mannen krochen im Gebüsch nahe des Ufers herum, bezogen „strategisch kluge“ Positionen und warteten darauf, daß die Karawane sich ihnen näherte. Mit verkniffener Miene spähte der Kapitän durch eine winzige Lücke im Blätterwerk und sah die ersten „Giaurs“, wie diese mit ihren Tieren das Ufer betraten.
„Da sind sie!“ zischte Delanoff.
„Und sie kommen direkt auf uns zu“, murmelte der Große, der sich als erster freiwillig gemeldet hatte.
„Was die wohl vorhaben?“ flüsterte ein anderer Mann hinter ihnen. „Etwa die Dubas vereinnahmen? Das dürfen wir nicht zulassen.“
„Halt doch dein Maul, Kerl“, wies Delanoff ihn zurecht. „Die wollen keine Dubas, die wollen Schmuggelware. Sie sind die Kuriere, die die Ware in den Orient schleppen, vielleicht auch ins Abendland. Weiß der Teufel, wohin. Mir ist es egal. Ich will die Köpfe dieser Galgenstricke.“
„Sie deuten auf die Dubas“, brummte der Große. „Ich kann es deutlich erkennen.“
Delanoff schnitt eine höhnische Grimasse. „Na und?“
„Die haben schon einen Plan“, meinte der Mann hinter ihnen.
„Sie scheinen irgendwas abzusprechen“, sagte der Große. „Vielleicht wär’s besser gewesen, wenn wir die Dubas hätten verschwinden lassen.“
„Maul halten!“ schnarrte Delanoff. „Die Entscheidungen treffe ich, verstanden? Und was ich entscheide, ist immer richtig.“
„Jawohl, Kapitän“, murmelten die acht Mannen.
„Ruhe jetzt!“ zischte Delanoff. „Sie sind schon nah heran. Gleich können sie uns hören. Haltet die Waffen bereit. Wenn wir schießen, dann muß jede Kugel sitzen.“
Selbstverständlich hatte auch er in der Zwischenzeit begriffen, daß die „Giaurs“ klar in der Überzahl waren. Sie waren mindestens doppelt so viele wie die Männer der Dubas, wenn nicht gar noch mehr. Und bewaffnet waren sie auch. Logisch – welcher Schmuggler oder Galgenstrick lief schon ohne Schießprügel durch die Gegend?
Delanoff war weit davon entfernt, seine Entscheidung zu revidieren. Er hielt an seinem Vorhaben fest. Natürlich hatte er das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Er würde diesen Kerlen schon das Fürchten lehren, keine Sorge. Heulend würden sie die Flucht ergreifen.
Allerdings staunte Delanoff nicht schlecht, als die Karawane der „Schmuggler“ in unmittelbarer Nähe der Dubas anhielt. Damit nicht genug. Einer der Giaurs erdreistete sich sogar, etwas zu der Dubas hinüberzurufen – etwas, das keiner verstand, denn seine Sprache war ein fürchterliches Kauderwelsch.
Was – bei Allah und sämtlichen Propheten – hatte das zu bedeuten?
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