Seewölfe - Piraten der Weltmeere 556. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399635
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kehrten zu ihrem Lagerplatz zurück. Rasch hatten sie ihre Sachen zusammengepackt. Nun beluden sie die Kamele und Maultiere. Als das geschafft war, setzte sich die Karawane in Bewegung. Hasard, Ben und Don Juan schritten mit Dan und den Zwillingen an der Spitze der langen Kolonne und führten sie die Hänge hinunter zum Ufer des Meeres.

      Noch hatte es keinen richtigen Namen, dieses „Meer ohne Ende“. Aber Hasard war sicher, daß er erkunden würde, wie es tatsächlich hieß. Die Einheimischen würden es ihnen sagen. Vielleicht gelangte man schon bald in den Besitz neuer Karten, die das Geheimnis des Meeres entschleierten.

      Was am allerwichtigsten war: Hasard und seine Mannen mußten um jeden Preis herausfinden, ob es einen Seeweg nach Westen gab, eine Verbindung zum Mittelmeer.

      Doch dies waren Probleme zweitrangiger Art, wenn Hasard es sich richtig überlegte. Wenn sie sich erst ein Schiff besorgt hatten, würden sie sich nahezu von selbst lösen. Das Schiff! Die Mannen konnten es kaum erwarten, endlich wieder an Bord eines richtigen Segelschiffes zu stehen.

      Monate waren vergangen, in denen sie zuletzt nicht einmal mehr Kontakt zu einem Wasser gehabt hatten. Jetzt hatten sie wieder Hoffnung und Zuversicht. Sie brauchten nicht mehr länger „Landwölfe“ zu spielen.

      Aber der Segler mußte her, und zwar so schnell wie möglich. Deshalb war Hasard froh, daß Dan den Zweimaster gesichtet hatte. Vielleicht hatten sie ja wirklich Glück und konnten dem Kapitän das Schiff abkaufen.

      Das Wasser rückte näher. Nur noch etwa eine halbe Meile, und sie hatten die Küste erreicht. Die Mannen fieberten dem Augenblick entgegen, in dem sie das zweimastige Schiff vor sich haben würden.

      Aber sie ahnten nicht, was sie erwartete. Sie konnten nicht wissen, daß sie sich geradewegs in die Hölle begaben.

      Zoltan Delanoff hatte nur ganz wenig geschlafen. Aber das spielte keine sonderlich große Rolle. Seine Energiereserven waren enorm. Er konnte zwei Nächte verbringen, ohne ein Auge zu schließen, und war auch danach noch putzmunter.

      Plötzlich straffte sich die Gestalt des Kapitäns. Unermüdlich hatte er die Umgebung beobachtet. Jetzt schien es sich auszuzahlen. An Land hatte sich etwas geregt – im Wald!

      „Erster“, sagte Delanoff. „Haben Sie das gesehen?“

      Der Erste stand auf dem Achterdeck, hob den Kopf, kniff die Augen zusammen und gab sich redlich Mühe, etwas zu erkennen. Doch an Land wirkte alles wie ausgestorben, nicht einmal ein paar Vögel stiegen aus den Wäldern auf.

      „Nein, Kapitän“, erwiderte der Erste Offizier wahrheitsgemäß.

      „Sie sehen nie etwas, wie?“

      „Im allgemeinen halte ich meine Augen offen, Kapitän.“

      Delanoff musterte den Offizier kalt. „Werden Sie bloß nicht frech.“

      „Das – würde ich mir nie erlauben.“

      „Ja, schon gut.“ Zoltan Delanoff richtete sein Augenmerk wieder auf das Ufer und den Wald. Er war ganz sicher, keiner Halluzination erlegen zu sein. Da tat sich etwas. Es braute sich was zusammen.

      Die Schmugglerbande trat wieder in Aktion. Am hellichten Tag! Das Gesindel wurde immer dreister und unverschämter.

      Delanoffs Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze des Hasses. Er konnte es kaum erwarten, zuzuschlagen und diesen Galgenvögeln eine Lektion zu erteilen. Sie würden um Gnade winseln und zitternd vor ihm auf den Knien rutschen.

      Er aber würde kein Erbarmen kennen. Wenn man das Höllenpack nicht ausrottete, vermehrte es sich derart stark, daß man seiner nicht mehr Herr werden konnte. Das zeigte sich immer wieder – jetzt auch hier.

      Der Kapitän hob das Spektiv ans Auge und peilte zu dem Punkt, wo er die Bewegung wahrgenommen hatte. Eine Weile verharrte er völlig reglos, dann stieß er einen triumphierenden Laut aus.

      „Da ist es wieder!“

      Der Erste nahm ebenfalls das Rohr zur Hand. Er spähte hindurch, betrachtete die Bäume und dachte: Fahr doch zur Hölle, du blöder Hund.

      Die Mannschaft der Dubas war auf den Beinen. Die Kerle blickten sich untereinander an. Hatte der Kapitän jetzt völlig den Verstand verloren? Oder dachte er sich wieder eine neue Schikane aus, um seine Besatzung zu kujonieren?

      „Das ist doch der Gipfel der Frechheit“, sagte Delanoff. Er war von Zorn erfüllt und fasziniert zugleich.

      Jetzt hatte auch der Erste Offizier mit der Optik etwas eingefangen.

      „Das ist ja – kaum zu fassen“, sagte er überrascht.

      „Sie sehen also, was auch ich sehe, Erster?“ fragte Delanoff.

      „Jawohl, Kapitän.“

      „Dann teilen Sie mir mit, was es ist, zum Teufel!“

      „Ein Kamel, Kapitän“, entgegnete der Erste. „Genauer ausgedrückt, handelt es sich meiner Ansicht nach um den Kopf eines Kamels, denn mehr kann ich nicht erkennen.“

      „Haben Sie schon mal einen Kamelkopf gesehen, der ohne den Rest, ich meine, den zugehörigen Leib, durch die Wälder trabt?“ fragte Delanoff aufgebracht.

      „Noch nie, Kapitän“, antwortete der Erste. „Und wir sehen ja eigentlich recht selten Kamele in unserer Gegend. Das da muß weiter aus dem Süden kommen.“

      „Es ist nicht nur ein Kamel“, sagte Delanoff. Er stieß einen Laut aus, der wie ein Grunzen klang. „Da ist noch eins – und dort, dort trabt soeben ein Maultier aus dem Wald. Sperren Sie Ihre Augen gefälligst auf!“

      „Jawohl, Kapitän.“ Der Erste war überrascht und betroffen zugleich.

      Delanoff, dieser alte Fuchs, hatte also doch recht behalten. Es braute sich was zusammen an der Küste bei Batumi, und es war nur richtig gewesen, die Nacht hier zu verbringen, um die Entwicklung der Dinge abzuwarten.

      Jagdfieber ergriff den Ersten Offizier. Jawohl, beim Henker, man muß diesem Schmuggler- und Schnapphahngesindel das Handwerk legen!

      „Da sind auch Kerle bei den Tieren“, sagte Delanoff.

      „Jawohl, ich sehe sie“, bestätigte der Erste. „Eine ganze Menge Kerle, Kapitän, und es tauchen immer mehr Kamele und Maultiere aus dem Wald auf.“

      „Das sieht mir ganz nach einer Karawane aus“, sagte Delanoff und knirschte mit den Zähnen. „Sie rücken mit einem großen Aufgebot an, damit sie die ganze Schmugglerware, die sie aufzuladen gedenken, auch verfrachten und wegschaffen können. Diese Halunken.“

      „Die sehen mir nach Fremden aus“, sagte der Erste nach einem weiteren ausgiebigen Blick durch das Spektiv. „Woher mögen die stammen?“

      „Es sind Weiße“, brummte Delanoff. „Der Art ihrer Kleidung nach zu urteilen, handelt es sich um Giaurs.“

      „Ungläubige Hunde aus dem Abendland.“

      „Sie haben einen weiten Weg unternommen, um im Hagel unserer Kugeln zu verrecken“, sagte der Kommandant zynisch.

      „Ob es Piraten sind?“

      „Natürlich sind es Piraten.“ Delanoff ließ das Spektiv sinken. „Los, Freiwillige vor! Ich gehe mit einem Stoßtrupp an Land, ehe die Kerle den Wald verlassen und ans Ufer vordringen!“ Er trat mitten zwischen seine Männer. „Natürlich gibt es irgendwo ein geheimes Versteck, wo die Schmuggler, die von der See kamen, in der Nacht ihre Ware abgeladen haben. Jetzt erscheinen ihre Verbündeten, um das Zeug abzuholen.“

      „Hier, Kapitän“, meldete sich einer der Männer. „Ich bin mit dabei.“ Er war groß und wuchtig gebaut, ein Schrank von Kerl, und er fürchtete sich vor nichts.

      „Gut“, erwiderte Delanoff. „Weiter so. Wir werden die Lumpen beobachten, sie umzingeln und das Feuer auf sie eröffnen, sobald sie sich dem Versteck genähert haben. Erster, Sie übernehmen bis auf weiteres den Befehl über die Dubas und geben uns Rückendeckung, verstanden?“