Seewölfe - Piraten der Weltmeere 277. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954396740
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nämlich keineswegs Verachtung, sondern eine gehörige Portion Respekt, obgleich sie ihm ein paarmal ziemlich übel mitgespielt hatten. Kathryn Stephens, das sollte Hasard auch noch erfahren, hatte bei diesem Gesinnungswandel ihres Mannes auch etwas nachgeholfen, und so trug sie indirekt zur Rettung der Arwenacks bei.

      Stephens legte also großen Wert darauf, solch hartgesottene Kämpfer in seiner Truppe zu haben. Daß sie zwangsrekrutiert waren, störte ihn dabei nicht im geringsten. Das war nur eine notwendige Begleiterscheinung.

      So hatte sich Hasard mit seinen Leuten also bei Burke verdingt, um den Kopf zu retten und an den spanischen Goldschatz zu gelangen. Diesen Schatz, mit dem es eine besondere Bewandtnis hatte, konnte er sehr gut gebrauchen, denn in England wollte er ein neues Schiff bauen lassen, die „Isabella IX.“

      Stephens hatte auf Burkes Befehl hin zu einem Feldzug gegen die irischen Rebellen ausrücken sollen, die erst kürzlich einen Geldtransport der Burkes überfallen hatten, doch mitten in die Vorbereitungen war die Nachricht von der Entführung Henriettas geplatzt.

      George Darren Burke hatte einen regelrechten Tobsuchtsanfall erlitten und seine Truppe mit dem Auftrag losgeschickt, ihm den Kopf des Rebellenführers Finbar Murphy zu bringen. Ohne diese Trophäe durfte sich Stephens auf keinen Fall nach Galway zurücktrauen.

      Das Kommando bestand aus vierzig Mann einschließlich Hasards und seiner Männer. Die Waffen, die Ausrüstung und den Proviant hatten sie auf einem flachen Boot den River Corrib hinauftransportiert. Das Boot wurde von Pferden auf einem Treidelpfad gezogen. Alle Männer, auch Hasard und seine Gefährten, hatten ein Reitpferd, das war aus Gründen der Beweglichkeit in der Wildnis unbedingt erforderlich.

      Stephens, das hatte sich inzwischen gezeigt, konnte sich durchaus fair verhalten, aber galt dies auch jetzt, da er die beiden Rebellen in Händen hatte? Er mußte aus ihnen herausquetschen, wo Finbar Murphy sich versteckt hielt, seine Karriere hing davon ab.

      Er hatte sich schon ganz schön in Fahrt gebracht und wäre allem Anschein nach wohl auch nicht zimperlich mit den Gefangenen umgesprungen. Jetzt aber stand er erschüttert da und ließ die Arme nach unten baumeln.

      Vor ihm hockten die Rebellen auf dem weichen Untergrund des Flußufers, und gerade hatte er ihnen die Kopfbedeckungen weggenommen. Dem einen Mann, der einen breitkrempigen Hut getragen hatte, war dabei ein falscher Bart aus dem Gesicht gefallen, ein eher lächerliches, aber doch wirksames Mittel der Tarnung.

      Norman Stephens hatte diesen Mann jetzt erkannt, daran bestand kein Zweifel.

      „Hasard“, sagte er. „Kommen Sie doch bitte her.“

      Hasard trat zu ihm und fragte: „Ist was nicht in Ordnung, Stephens? Warum zögern Sie? Haben Sie Gewissensbisse?“

      „Das nicht, aber – na, nun geben Sie es ruhig zu. Sie kennen diesen Mann doch auch. Vor mir brauchen Sie es nicht zu verheimlichen. Alles, was ich von Ihnen will, ist, daß Sie mir bestätigen …“

      „Augenblick“, unterbrach ihn der Seewolf. „Ich glaube, da täuschen Sie sich wirklich, Stephens.“

      „Sie meinen, ich leide unter Halluzinationen?“

      „Wie bitte? Nein, natürlich nicht.“

      Stephens richtete seinen Blick auf ihn. Er war groß und breitschultrig, hatte schulterlanges mittelblondes Haar und ein schmales und scharfgeschnittenes Gesicht mit einem Schnauzbart. Zwischen ihm und dem Seewolf gab es einen Anflug von Sympathie, doch jetzt war Stephens’ Blick hart.

      „Gaukeln wir uns nichts vor“, sagte er. „Spielen wir mit offenen Karten. Kathryn hat gesehen, daß Sie mit Ihren Männern bei Sally Middelbar waren, sie hat es mir erzählt. Streiten Sie das nur nicht ab, Mann.“

      „Sally Middlebar?“ Hasard mußte wirklich überlegen, bis er begriff. Schließlich kannte er diese Sally, die eine von Kathryn Stephens’ Freundinnen war, nur dem Vornamen nach. Sie hatte ihn und seine Männer bei den Vorbereitungen zur Befreiung von Dan unterstützt, ihnen ihr Haus zur Verfügung gestellt und ihnen Flaschen zum Basteln von Wurfgranaten besorgt. Und im Keller ihrer Wohnung hatte sich Hasard mit den beiden Söldnern der Burke-Truppe befaßt, die er gefangengenommen und verhört hatte, wie auch Stephens jetzt die Rebellen zu vernehmen trachtete.

      Plötzlich fiel es dem Seewolf wie Schuppen von den Augen.

      „Ich verstehe“, sagte er. „Das hier ist also Douglas, Sallys Mann, nicht wahr?“

      „Ja“, antwortete Stephens. „Sie müssen es am besten wissen, Hasard.“

      „Das ist ein Irrtum. Er war nicht zu Hause, als wir uns bei Sally kurzfristig versteckten.“

      „Sondern wo?“

      „Ich habe nicht die geringste Ahnung“, erwiderte Hasard, aber diesmal schwindelte er bewußt. Sally hatte ihnen anvertraut, daß ihr Mann mit den irischen Rebellen zusammenarbeitete. Doch so weit ging das neu entwickelte Vertrauen zu Stehpens nun doch nicht, daß Hasard ihm dies auf die Nase band.

      „Bei Finbar Murphy war er“, sagte Norman Stephens aufgebracht und richtete seinen Blick jetzt wieder auf den demaskierten Gefangenen. „So ist es doch, Douglas, oder? Das also ist der Grund dafür, warum man dich in der letzten Zeit so selten in Galway sieht. Es kann sich ja bald kaum noch jemand an dich erinnern, aber ich habe ein ausgezeichnetes Personengedächtnis. Jetzt ist es heraus: Du bist ein Verräter.“

      Douglas Middlebar sah ihn offen an. „Seien wir doch mal ehrlich, Norman. Du kannst Burke genausowenig leiden wie ich, und du weißt, daß er unberechenbar ist. Er stellt eine Gefahr für Galway dar, und gegen diese Gefahr kämpfe ich.“

      „Deshalb hast du dich mit Murphy verbündet?“

      „Nur vorübergehend.“

      „Du bist ein Narr, Douglas!“ stieß Stephens zornig hervor. „Burkes Tochter befindet sich in euren Händen, aber sie ist unschuldig an dem, was ihr Vater tut. Will dir das nicht in den Kopf? Ich wette, du hast Murphy alle erforderlichen Informationen geliefert, damit er unsere Leute überfallen und Henrietta entführen konnte. Weißt du, wie viele Tote es gegeben hat? Mein Gott, ich könnte dich deswegen umbringen!“

      „Murphy wußte ohnehin Bescheid“, sagte Middlebar. „Er hätte die Sache auch ohne mein Zutun durchgezogen. Du kannst mich dafür nicht verantwortlich machen.“

      „So? Kann ich das nicht?“ rief Stephens, der seine Gefühle nicht mehr im Zaum halten konnte. „Aber ich kann dir meine Meinung darüber sagen, was ich von einem Mann halte, den ich jahrelang als anständigen Kerl angesehen habe!“

      Hasard griff ein und legte Stephens die Hand auf den Unterarm.

      „Nun mal langsam, Norman“, sagte er. „So kommen wir nicht weiter.“

      „Mischen Sie sich da nicht ein“, sagte der andere schroff.

      „Ich muß mich einmischen, denn ich bin überzeugt, daß unser Freund Douglas uns gleich mitteilt, wohin wir uns zu wenden haben, um Henrietta befreien zu können.“

      Douglas Middlebar spuckte vor ihm aus. „Du Hund, wer bist du eigentlich? Und was hast du mit meiner Frau zu tun? Gib mir ein Messer, dann tragen wir die Sache unter Männern aus!“

      Hasard bückte sich, packte ihn bei seinem Hemd und riß ihn zu sich hoch. Er drängte ihn gegen den Stamm einer Weide und sagte: „Du täuschst dich in mir, Mann. Zu tun habe ich mit deiner Frau überhaupt nichts, verstanden? Aber kämpfen will ich mit dir, wenn du unbedingt darauf aus bist. Nur wirst du uns vorher verraten, wo Murphy und dessen Bande stecken – so wahr ich Philip Hasard Killigrew heiße.“

      Douglas Middlebar riß die Augen weit auf. „Killigrew? Du bist – der Seewolf? Der Herr steh mir bei!“

      2.

      Callaghan schickte sich an, sich auf Henrietta Burke zu stürzen, da drehte sich Finbar Murphy überraschend zu ihm um, stieß die anderen zur Seite und rief: „Holla, Callaghan, du bist wohl