•Avicenna (980–1037) wurde – neben Hippokrates und Galen – zur dritten medizinischen Lehrautorität des späten Mittelalters.
•Averroës (1126–1198) übte als Übersetzer und Kommentator des Aristoteles sowie als Verfasser einer medizinischen Enzyklopädie großen Einfluss auf die mittelalterliche Scholastik aus.
Nur dank arabischer Übersetzungen, die ins Lateinische übertragen wurden, war Aristoteles seit dem 12. und 13. Jahrhundert westlichen christlichen Gelehrten zugänglich. Und ohne die Vorleistungen arabischer Astronomen hätte Nikolaus Kopernikus (1473–1543) wohl kaum seine kopernikanische Wende vollzogen, hin zu einem Weltbild, in dem die Erde sich um die Sonne dreht.
Diese wissenschaftlichen Leistungen der arabischen Welt waren möglich, solange im Islam die wissenschaftsfreundliche Mu’tazili-Schule tonangebend war. Mit der Zeit gewann jedoch die rigoros orthodoxe Ash’ari-Schule die Oberhand. Sie begegnete den Wissenschaften mit Misstrauen.
Im arabischen Raum wurde die Religion also strenger, während sie gleichzeitig im christlichen Westeuropa schwächer wurde. Damit hängt es zusammen, dass sich die großen naturwissenschaftlichen und technischen Umwälzungen ab dem 17. Jahrhundert im christlichen Abendland abspielten.
Merke also: Je schwächer die Religion ist, egal welche, desto besser steht es um die Wissenschaft.
Wie begann die wissenschaftliche Revolution?
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Kirche bereits so schwach, dass die wissenschaftliche Revolution ihren Lauf nehmen konnte: In Europa hatte Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest gewütet. Etwa 25 Millionen Menschen hatte sie getötet, ein Drittel der damaligen Bevölkerung. In dieser dramatischen Lage hatte sich die Kirche als überfordert erwiesen. Ihre Gebete und Bußübungen hatten dem Schwarzen Tod nichts anhaben können. Deshalb begannen die Ärzte nun, sich mit den körperlichen Ursachen der Krankheit zu beschäftigen.
Das Massensterben dünnte die Hierarchien aus, auf denen sich die Macht der Kirche gegründet hatte. So konnten neue wirtschaftliche und politische Kräfte an Boden gewinnen, die Wissenschaft und Technik schätzten und förderten. Die Erfindung des Buchdrucks um 1450 eröffnete neue Möglichkeiten des Gedankenaustauschs an der kirchlichen Kontrolle vorbei.
Nun schlug in Westeuropa die Stunde der wissenschaftlichen Schriften aus der Zeit des Hellenismus. Vermittelt wurden sie unter anderem durch griechische Flüchtlinge aus Byzanz, das ab 1453 im Osmanischen Weltreich aufging. Ihre wiederentdeckten Erkenntnisse und Methoden beflügelten die westlichen Gelehrten. Unterdessen wurde 1485 bei den Osmanen der Buchdruck verboten: eine religiös motivierte Entscheidung mit fatalen Folgen für die Konkurrenzfähigkeit der islamischen Welt.
So ereignete sich in Westeuropa von 1500 bis 1700 einer der bedeutendsten Umbrüche der Menschheitsgeschichte.
Warum bekämpfte die Kirche die Freiheit der Wissenschaften?
Die Macht der Kirche war freilich noch lange nicht überwunden. Zwar war sie durch die Auszehrungen der Pestzeit sowie – seit dem frühen 16. Jahrhundert – durch die Kirchenspaltung bereits angezählt. Aber das machte sie zunächst eher noch gefährlicher. Denn noch lange versuchte die Kirche, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und ihre alles beherrschende Stellung zurückzuerlangen.
Dabei schreckten die geistlichen Autoritäten auch vor äußerster Brutalität nicht zurück – in bester Absicht, wohlgemerkt: Sie waren überzeugt, dass alle Andersgläubigen in der Verdammnis enden würden. Deshalb mussten sie verhindern, dass der Irrtum noch mehr Menschen anstecken und in die Hölle ziehen würde. So glaubten die Inquisitoren auch verantwortlich zu handeln, als sie 1633 den Astronomen Galilei unter Androhung der Folter zwangen, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu widerrufen.
Die kirchliche Ideologie rechtfertigte also die Folterung und Hinrichtung von Menschen, die sich nichts anderes hatten zuschulden kommen lassen, als wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Brauchen wir uns da zu wundern, wenn Wissenschaftler auf Kirche und Religion nicht gut zu sprechen sind?
Galilei (1564–1642) hatte bestritten, dass die Erde der unbewegliche Mittelpunkt der Welt sei, wie die Kirche lehrte. Vielmehr drehe sich die Erde um die Sonne. Das durfte nicht sein. Denn dadurch hätte der Mensch seine zentrale Stellung im Kosmos verloren.
Dass die Idee mit der Sonne als Zentralgestirn nicht neu war, haben wir gesehen: Sie war in hellenistischer Zeit von Aristarchos vertreten worden. Die mittelalterliche Kirche hielt es jedoch mit dem Weltbild des Claudius Ptolemäus (100–160 n. Chr.), der – wie Aristoteles – die Erde als Mittelpunkt des Alls betrachtete.
Als 1543 Kopernikus die Erde wieder auf die Reise um die Sonne schickte, war die Kirche davon zunächst sogar angetan. Denn anhand seiner Berechnungen ließ sich auch der kirchliche Kalender genauer bestimmen. Erst 1616 ließ sie sein Werk „De revolutionibus orbium coelestium“ verbieten. Da hatte der Protestant Johannes Kepler (1571–1630) bereits festgestellt, dass die Planetenbahnen elliptisch verlaufen – zur Bestürzung der frommen Astronomen, die durch die unschönen Ellipsen den christlichen Glauben an die Perfektion der Schöpfung gefährdet sahen.
Seit 1609 konnte Galilei den Himmel durch ein Fernrohr beobachten. Was er sah, bestätigte, dass die Erde sich um die Sonne drehte. Da es der Kirche an Argumenten fehlte, nötigte sie ihren renitenten Sohn schließlich zum Einlenken durch eine Warnung vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen.
Mit der Zeit akzeptierte aber auch die Kirche die unbestreitbaren kosmologischen Tatsachen. Sie passte ihr Weltbild an und besann sich darauf, dass mathematisch derart präzise Naturgesetze doch nur von ihrem Gott eingerichtet sein konnten.
Das sahen auch die Wissenschaftler lange so. Bis hin zu Galilei und Newton glaubten sie noch, dass hinter den Naturgesetzen eine höchste göttliche Instanz stecke, die mit der Natur auch ihre Gesetze erschaffen habe. Sie hatten sich eben noch nicht ganz von den kirchlichen Dogmen der Vergangenheit befreit, meint Jaeger. Doch je mehr die Wissenschaftler erkannten, umso weniger erschien ihnen eine Rückführung natürlicher Phänomene und Gesetze auf einen Gott überzeugend.
Wie wandelte sich das Leben der Menschen im 19. Jahrhundert?
Im 19. Jahrhundert änderten Naturwissenschaft und Technik das Leben der Menschen Schlag auf Schlag. Am Ende des Jahrhunderts wurden Waren in der Massenproduktion hundertmal schneller gefertigt als zu seinem Beginn. Die Städte waren nachts von elektrischem Licht erleuchtet, die Menschen konnten telefonieren, mit der Eisenbahn oder in den ersten Autos fahren. Auch die Nahrungsproduktion wurde durch neue Agrartechnologien komplett umgewälzt. All das lässt sich verstehen als Triumph des naturwissenschaftlichen über das religiöse Denken: Die Kirche hatte während des gesamten Mittelalters nichts Vergleichbares zustande gebracht.
Um Arbeit zu finden, zogen die Menschen scharenweise aus ihren Dörfern in die Nähe der Fabriken. Der Kirche gelang es nicht, die Verbindung zu den entwurzelten Menschen aufrechtzuerhalten: Die Proletarier gaben dem harten Realismus eines Karl Marx den Vorzug vor den rückwärts gewandten Träumen der Romantik mit ihrem verklärenden Blick auf das katholische Mittelalter.
Wie hat Darwin den Mensch ins Tierreich integriert?
Derweil bereitete ein Biologe den schärfsten Angriff auf das christliche Menschenbild vor, den die kirchliche Lehre seit dem Aufkommen der Naturwissenschaften hatte verkraften müssen: Charles Darwin (1809–1882).
Die Vorarbeit hatten die Geologen geleistet: Sie hatten zunehmend erkannt, dass die Erde viel älter sei als in der Bibel behauptet. Lange hatte man der Bibel entnommen, dass die Erde vor wenigen tausend Jahren von einem Gott erschaffen worden sei, komplett in ihrer heutigen