Briefe an Olympias und Papst Innocentius. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660154
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der großen und fromm gesinnten Stadt Konstantinopel hat er es dann unterlassen, nach der Gewohnheit und alt hergebrachten Ordnung die Kirche zu besuchen, er ist nicht mit mir zusammengekommen, hat nicht mit mir gesprochen und hat auch die Gemeinschaft des Gebetes und des heiligen Abendmahles gemieden. Er ist vielmehr, nachdem er das Schiff verlassen hatte, an den Pforten der Kirche vorüber geeilt und hat ausserhalb der Stadt seine Wohnung genommen; und obgleich ich ihn sowohl als seine Begleiter oft und dringend ersuchte, bei mir abzusteigen (es war nämlich Alles in Bereitschaft, Wohnungen und was sonst dazu gehörte), kamen weder sie noch er meiner Einladung nach. Mich erfüllten diese Erfahrungen mit großer Besorgniß und Verlegenheit, da ich nicht einmal einen Grund für diese ungerechte Feindseligkeit zu finden vermochte. Gleichwohl wurde von meiner Seite Nichts versäumt. Ich that, was Pflicht und Anstand erheischten; ich lud ihn wiederholt ein, mich zu besuchen und mir zu sagen, was ihn doch bewogen habe, sofort einen solchen Krieg zu eröffnen und in einer so großen Stadt den Samen der Zwietracht auszustreuen.

      Da er sich nun aber nicht verantworten wollte, und andererseits seine Kläger ungestümer wurden, beschied mich der gottesfürchtige Kaiser zu sich und gab mir den Auftrag, mich zur Wohnung des Theophilus zu begeben und zu hören, was gegen ihn vorgebracht wurde. Man legte ihm nämlich gewaltthätige Angriffe, Mord und vieles Andere zur Last. Allein ich habe dieses Richteramt nicht angenommen, sondern sogar mit der größten Entschiedenheit ausgeschlagen. Denn ich kannte gar wohl die Gesetze der Väter; ich ehrte und achtete auch den Mann und ich besaß einen Brief von ihm, des Inhalts, es sei nicht zulässig, die gerichtlichen Klagen und Verhandlungen über die Grenzen der Provinz hinaus zu ziehen, und was in dieser oder jener Provinz vorgekommen, müsse auch in derselben Provinz erledigt werden. Um jetzt aber seine frühern Feindseligkeiten noch zu überbieten, rief Theophilus meinen Archidiakon zu sich, ganz wie ein unumschränkter Herrscher auftretend, und brachte durch dessen Hilfe, als ob die Gemeinde schon verwaist sei und keinen Bischof habe, die ganze Geistlichkeit auf seine Seite. Die Kirchen geriethen in Aufruhr, indem die Geistlichen an den Kirchen sich verführen ließen, und sich anschickten, mich zu verklagen und Klageschriften gegen mich einzureichen. Nachdem er es so gemacht, ließ er mich durch einen Boten vor Gericht fordern, obgleich er die gegen ihn erhobenen Anklagen noch gar nicht widerlegt hatte, — was doch sehr gegen die Kanones und gegen alle Gesetze verstieß.

      2.

      Ich wußte sehr gut, daß ich nicht vor einem Gerichte erscheinen sollte (denn dann wäre ich fürwahr tausend Mal zu kommen bereit gewesen), sondern vor einem Feind und Widersacher, wie die frühern und die letzten Vorkommnisse gezeigt hatten. Daher schickte ich zu ihm die Bischöfe Demetrius von Pisinus, Eulysius von Apamia, Lupicinus von Appiaria, und die Priester Germanus und Severus, und ließ ihm durch sie in bescheidener und geziemender Weise die Antwort überbringen: ich wolle nicht einem Gerichte ausweichen, wohl aber dem offenkundigen Gegner und unverkennbaren Feind. Denn der Mann, der schon vor dem Empfang von Klageschriften von Anfang an ein solches Verhalten beobachtet, der sich von der Gemeinschaft der Kirche, der heiligen Kommunion, des Gebetes losgerissen, der den Klerus verführt habe und die Kirche verwüste: ob Das der rechte Mann sei, um den Richterstuhl zu besteigen, der ihm in keiner Weise zukomme? Denn es sei nicht in der Ordnung, daß über Denjenigen, der in Thracien wohne, ein Ägyptier zu Gericht sitze, und Das noch gar ein Mann, gegen den selbst noch eine Anklage schwebe, überdieß des Verklagten Feind und Widersacher! Allein obschon ich damit kund gegeben hatte, daß ich bereit war, mich vor hundert und auch vor tausend Bischöfen von den Anschuldigungen zu reinigen, und meine Schuldlosigkeit zu beweisen (wie ich denn wirklich schuldlos bin), so ging er trotzdem nicht darauf ein, sondern eilte ohne Scheu zu vollenden, was er beschlossen hatte. Während ich abwesend war, an eine Synode appellirte, eine gerichtliche Untersuchung forderte, und mich nicht einem Verhör, sondern nur der offenkundigen Feindseligkeit zu entziehen suchte: ließ er sich trotzdem mit den Klägern ein, löste Diejenigen vom Banne, die ich von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, nahm von ihnen sogar Anklageschriften an, noch ehe sie sich wegen der ihnen zur Last gelegten Vergehen gerechtfertigt hatten, und ließ von ihnen Denkschriften ausarbeiten — was doch Alles gegen das Gesetz und gegen die Vorschriften der Kanones war. Wozu soll ich noch ausführlicher sein? Er ließ nicht ab, alles Mögliche in’s Werk zu setzen, bis er mich aus eigener Macht und Gewalt aus der Stadt und aus der Kirche vertrieben hatte, obgleich es bis in den späten Abend dauerte, und das ganze Volk hinter mir her zog. Ich wurde von dem Polizeibeamten mitten durch die Stadt gezogen, mit Gewalt geschleppt und abgeführt, in ein Schiff hineingeworfen und während der Nacht hinwegbefördert, ― weil ich zum Zwecke eines gerechten Verhörs an eine Synode appellirt hatte. Wer mag Das ohne Thränen anhören, hätte er auch ein Herz von Stein? Weil nun aber, wie ich schon vorhin sagte, die unheilvollen Zustände nicht bloß beklagt, sondern auch gebessert sein wollen, darum bitte ich eure Liebe dringend, sich zu erheben und unsere Schmerzen mitzufühlen, und Alles aufzubieten, damit dieses Unheil sein Ende finde. Denn damit hörte bei ihnen die Mißachtung aller Gesetze noch nicht auf, sondern es traten zu den alten weitere Vergehen zu Tage. Als nämlich der gottesfürchtige Kaiser sie nunmehr wegen ihres schamlosen Eindringens in die Kirche hinauswies, und viele der anwesenden Bischöfe, denen ihre allem Recht und Gesetz widersprechende Handlungsweise bekannt war, in ihre Gemeinden zurückkehrten und den Besuch jener Menschen scheuten und flohen wie eine Feuersbrunst, die Alles verheert: da wurde ich zwar in die Stadt und in die Kirche zurückgerufen, aus der man mich ungerechter Weise hinausgetrieben hatte (mehr als dreissig Bischöfe führten mich ein, und der fromme Kaiser hatte einen öffentlichen Schreiber dazu abgesandt); Jener aber [Theophilus] suchte sofort das Weite — warum und weßwegen? Ich ging dann zu dem gottesfürchtigen Kaiser und bat ihn, zur Bestrafung der vorgekommenen Vergehen eine Synode zu versammeln. Theophilus war sich seiner Übelthaten bewußt und fürchtete die Untersuchung; darum hat er, während kaiserliche Briefe, überall hingeschickt, Alle von allen Seiten her zusammen riefen, sich ganz heimlich und mitten in der Nacht in ein Schifflein geworfen und so sammt seinem ganzen Anhang die Flucht ergriffen.

      3.

      Ich hörte aber trotzdem nicht auf, da mir mein gutes Gewissen Muth und Vertrauen gab, dem gottesfürchtigen Kaiser wieder dieselbe Bitte vorzutragen. Er that, was seine fromme Gesinnung erwarten ließ: er sandte wieder zu ihm, um ihn und alle seine Anhänger wieder aus Ägypten herbeizurufen, damit sie sich wegen der vorgekommenen Ungehörigkeit verantworteten, und nicht etwa Das für eine genügende Rechtfertigung hielten, was so ungerechter Weise, von einer Partei, in meiner Abwesenheit und im Widerspruch mit so vielen Kirchengesetzen in’s Werk gesetzt war. Theophilus ließ sich aber auch durch den kaiserlichen Brief nicht bewegen zu kommen, sondern blieb zu Hause, wozu ihm ein Volksaufstand, d. h. der unzeitige Eifer einiger Leute, die allerdings zu ihm hielten, den Vorwand liefern mußte. Hatte ihn doch vor dem kaiserlichen Briefe eben dieses Volk mit vielen Schmachreden gescholten. Allein Das will ich hier nicht eingehend erörtern; ich habe es nur angeführt, um zu zeigen, daß er auf schuldbaren Handlungen ertappt worden ist. Übrigens habe ich mich auch da noch nicht beruhigt; ich drang vielmehr auf die Abhaltung eines Gerichtes, in welchem regelrecht mit Fragen und Antworten vorgegangen werden sollte; ich erklärte mich nämlich bereit zu zeigen, daß ich mich über Nichts zu verantworten, daß Jene sich aber der ärgsten Übertretungen schuldig gemacht hatten. Es waren von Denen, die früher mit ihm hier anwesend waren, einige Syrer hier zurückgeblieben, die auch das Ganze gemeinsam mit ihm hatten vollbringen helfen. Zu Diesen begab ich mich, bereit mich richten zu lassen, und ich lag ihnen wiederholt an mit dem Verlangen, mir die schriftlichen Eingaben oder die Klageschriften zu geben, oder mich über die Gegenstände der Klagen oder die Person meiner Ankläger zu unterrichten — und es ist mir in keinem Punkte willfahrt, ich bin vielmehr wieder aus der Kirche vertrieben worden. Wie soll ich nun erzählen, was da geschehen ist? Es ist ein Trauerspiel ohne Gleichen. Wo finde ich Worte, es zu schildern? und wer vermöchte es ohne Schauder zu hören?

      Während ich auf den Forderungen beharrte, die ich eben erwähnt habe, drang auf einmal eine Schaar von Soldaten in die Kirchen ein, und zwar am großen Sabbath [Ostersamstag], als der Tag sich schon zum Abend neigte, trieb den ganzen Klerus, der zu mir hielt, mit Gewalt hinaus, und umstellte bewaffnet den Altar. Frauen, die schon zum Empfange der Taufe ihre Gewänder abgelegt hatten, ergriffen zur selben Zeit entkleidet die Flucht, durch diesen entsetzlichen Überfall in Furcht gejagt, und eilten