Abb. 6: Arten von Abschlüssen
3.5.1.2 Einzelabschluss True and Fair View
Es steht dem Unternehmen oder in Kapitalgesellschaften den Leitungsorganen frei, den Jahresabschluss als Führungsinstrument und Instrument der Rechenschaftsablage so zu gestalten, dass er ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt und den Anforderungen, den Grundsätzen ordnungsgemässer Rechnungslegung an die Verlässlichkeit und Willkürfreiheit entspricht. Weil damit steuerliche Nachteile verbunden sein können, wird dieser Abschluss in der Regel zusätzlich zum OR-Abschluss nach einem allgemein anerkannten Standard (Dual Reporting) erstellt. In der Schweiz sind nach Verordnung anerkannter Standards der Rechnungslegung (kurz VASR)128 IFRS, IFRS für SME, Swiss GAAP FER und US GAAP gesetzlich anerkannt.
Theoretisch ist auch ein statutarischer Einzelabschluss nach True and Fair View möglich, welcher demnach sowohl den Ansprüchen des Handelsrechts wie der gewählten Standards der Rechnungslegung entspricht.129 Die Umsetzung in der Praxis dürfte allerdings nicht einfach zu lösen sein.
Das True-and-Fair-View-Konzept wird deshalb vor allem für konsolidierte Abschlüsse eingesetzt, bei welchen bekanntlich keinerlei Rücksichtnahme auf steuerliche Überlegungen bestehen, weil nicht der Konzern, sondern die einzelnen Konzernunternehmen steuerpflichtig sind.
Nach OR 962 II Minderheiten oder Anteilseigner mit einer Nachschusspflicht einen Abschluss nach einem anerkannten Standard verlangen. Das oberste Leitungs- und Verwaltungsorgan ist für die Auswahl eines anerkannten Standards für die Rechnungslegung zuständig. Nach OR 962a I ist die Angabe des Standards aufzuführen und für die gesamte Jahresrechnung anzuwenden. Weiter ist dieser Abschluss durch einen zugelassenen Revisor mit einer ordentlichen Revision prüfen zu lassen. Dieser muss dem obersten Organ der Gesellschaft vorgelegt werden, bedarf aber nach OR 962a IV keiner Genehmigung.
3.5.2 Konzernabschluss
Rechnungslegungspflichtige juristische Personen, welche eines oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen kontrollieren sind verpflichtet, für die Gesamtheit der kontrollierten Unternehmen eine konsolidierte Jahresrechnung (Konzernrechnung) nach EU-Terminologie Konzernabschluss (OR 963 I), zu erstellen. Börsenkotierte Gesellschaften, Genossenschaften mit mindestens 2‘000 Genossenschaftern und Stiftungen, die zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind, müssen ihre Jahresrechnung, die in der Regel eine Konzernrechnung ist, nach einem anerkannten Standard erstellen. Für alle übrigen gelten die Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung (mit Ausnahmen nach OR 963b IV), was bedeutet, dass es sich um einen Konzernabschluss mit zuverlässiger Darstellung handelt. Dies wird bei mittelgrossen Konzernen mit einem begrenzten Kreis von Adressaten die »normale« Variante darstellen. Die handelsrechtlichen Einzelabschlüsse nach OR (HB I) werden vereinheitlicht, bereinigt und nach den allgemein anerkannten Konsolidierungsregeln (HB II) zum Konzernabschluss zusammengestellt.130
Nach OR 962 III entfällt die Pflicht zur Erstellung eines Abschlusses nach einem anerkannten Standard für den Einzelabschluss, wenn der Konzernabschluss nach diesem erstellt wird.
3.5.3 Zwischenabschluss
Dient der Jahresabschluss als Führungsinstrument, ist die Zeitnähe der Information zentral. Es ist verständlich, dass zur Unternehmensführung die Entwicklung der Ertrags- und Vermögenslage in kürzeren Zeitabständen als einem Geschäftsjahr mit zwölf Monaten Dauer und zwei bis drei Monaten für die Abschlusserstellung überwacht werden muss. Im Management Accounting ist die unterjährige Erfolgsermittlung (z. B. monatlich, quartals- oder semesterweise) seit langem eingeführt. Sie weist Kosten und Leistungen aus und verzichtet somit auf betriebs- und periodenfremde sowie ausserordentliche Erträge und Aufwände. Die handelsrechtlichen Bewertungsmassstäbe sind nicht massgebend.
In der externen finanziellen Berichterstattung von Publikumsgesellschaften war es in der Schweiz bis in die 1990er Jahre nicht üblich, über Zwischenergebnisse zu informieren. Selbst die stets fortschrittlicheren Rechnungslegungsvorschriften für Banken verlangten nur die Publikation einer Semesterbilanz. Über die Ertragslage fehlten jegliche quantitativen Informationen.
Nach OR 960f sind für den Zwischenabschluss eine Bilanz, eine Erfolgsrechnung und ein Anhang zu erstellen. Vereinfachungen sind zulässig, sofern diese gekennzeichnet sind. Auch ist auf weitere Faktoren wie die Saisonalität einzugehen. Auf zusätzliche Angaben im Anhang, eine Geldflussrechnung oder einen Lagebericht kann verzichtet werden, sofern nach OR 961d eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard erstellt wird.
FER 12 über die obligatorische, freiwillige Zwischenberichterstattung ist 2013 aufgehoben worden. Zwischenabschlüsse werden nur in den besonderen Vorschriften für börsenkotierte Gesellschaften in FER 31 geregelt. Diese umfassen in gekürzter Form Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung und Eigenkapitalnachweis (FER 31/10). Der Zusammenschluss basiert auf den gleichen Grundlagen und Grundsätzen sowie auf der gleichen Gliederung wie der Jahresabschluss. In der Bilanz sind die Zahlen des Vorjahresabschlusses und in der Erfolgsrechnung diejenigen des Zwischenabschlusses des Vorjahres anzugeben. Überdies ist der Geschäftsvorgang qualitativ zu erläutern.131 Eine spezialgesetzliche Regelung für Zwischenabschlüsse besteht für Banken.132
Nach dem Kotierungsreglement (kurz KR) hat ein Emittent von Beteiligungsrechten an der Schweizer Börse einen Haupt- und Zwischenabschluss zu erstellen. Das heisst, einmal jährlich ist ein Halbjahresabschluss zusätzlich zu publizieren. Quartalsabschlüsse in der Schweiz erfolgen auf freiwilliger Basis. Eine Prüfungspflicht für die Zwischenabschlüsse besteht nicht.
3.6 Geschäftsbericht
3.6.1 Aufgaben und Umfang des Geschäftsberichts
Im Aktienrecht von 1936 wurde die Verwaltung einer Aktiengesellschaft verpflichtet, in einem schriftlichen Geschäftsbericht den Vermögensstand und die Tätigkeit der Gesellschaft darzulegen und den Jahresabschluss zu erläutern. Bei der Revision des Aktienrechts 1991 wurde die Bezeichnung auf Jahresbericht umgestellt und als Aufgabe festgehalten, den Geschäftsverlauf sowie die wirtschaftliche und finanzielle Lage darzustellen. Im Rechnungslegungsrecht 2011 wurde die Bezeichnung »Geschäftsbericht« zum Oberbegriff mit den Elementen Jahresrechnung und Lagebericht, bisher Jahresbericht genannt, sofern dies vom Gesetz verlangt wird. Der Begriff Geschäftsbericht (OR 958 II) umfasst je nach Unternehmenskategorien verschiedene Elemente (
Abb. 7: Aufgaben und Umfang von Geschäftsberichten
Konzerne haben neben den Jahresabschlüssen der Obergesellschaft noch eine konsolidierte Rechnung zu erstellen (OR 959 ff.). Muss der Jahresabschluss nach einem anerkannten Standard wie Swiss GAAP FER erstellt werden, umfasst die Jahresrechnung auch einen Eigenkapitalnachweis.
Bei grösseren Unternehmen, die der ordentlichen Revisionspflicht unterstehen (OR 727 I) oder Beteiligungspapiere an der Börse kotiert haben, deckt sich somit die Bezeichnung Geschäftsbericht mit jener aus dem bisherigen Recht.
Besondere Vorschriften kommen bei publikumsorientierten Unternehmen