„Wie lange liegen Sie schon hier?“, wollte der Altwarensammler wissen.
„Eine halbe Stunde.“
„Sie Ärmster. Ihre Handgelenke sind ja schon ganz wundgescheuert.“
„Ich wollte die verdammten Fesseln abkriegen, aber sie sitzen zu stramm.“
„Wenn diese Banditen andere Dinge auch so gut könnten wie unschuldige Menschen wie Pakete verschnüren, was?“
Endlich fand Clips Duffy sein Messer. Er hatte es nicht gekauft, sondern auf der Deponie gefunden. Der Griff war mit handgeschnitztem Elfenbein verziert. Eine Rarität. Und eine Kostbarkeit, von der sich Duffy ausnahmsweise nicht trennen wollte.
Rasch schnitt er die Stricke durch.
„So“, sagte er danach, und das Messer verschwand wieder in einer seiner Taschen. „Jetzt sind Sie frei, Mister. Wie fühlen Sie sich?“
„Es geht einigermaßen“, sagte Copeland.
„Soll ich Ihnen beim Aufstehen behilflich sein?“, fragte Clips Duffy fürsorglich.
„Nein, danke. Das schaffe ich schon allein.“
„Wie Sie meinen.“
Copeland erhob sich.
„Sehen Sie Ihre Taschen durch“, forderte ihn Duffy auf.
„Wozu?“
„Sie müssen doch wissen, was Ihnen gestohlen wurde.“
Copeland tat dem Mann den Gefallen. Er checkte seine Taschen durch, obwohl er wusste, dass ihm der Mafioso nichts abgenommen hatte.
„Nichts“, sagte er dann. „Es fehlt nichts.“
„Wirklich nicht?“, fragte Duffy verwundert.
„Es ist alles da. Die Kerle scheinen nur an meinem Wagen interessiert gewesen zu sein.“
„Können Sie sich an die Banditen noch erinnern?“
„Ich habe ein schlechtes Personengedächtnis.“
„Heißt das, Sie würden die Kerle nicht wiedererkennen?“
„Ich weiß es nicht.“
„Sie müssen trotzdem Anzeige erstatten.“
Davon wollte Christopher Copeland verständlicherweise nichts wissen. Er hatte Angst vor einem Wiedersehen mit dem Mafioso. Wenn er sich an die Polizei wandte, würde man ihm viele Fragen stellen. Noch mehr als dieser Altwarensammler, und wenn er sich bei seiner Aussage dann verhedderte, würde man seinen Schwindel durchschauen. Man würde die Wahrheit von ihm hören wollen, und es konnte für ihn lebensgefährlich sein, die Wahrheit zu sagen.
„Kommen Sie“, sagte Clips Duffy hilfsbereit. „Dort hinten steht mein Lastwagen. Eine alte Karre, bei der man den Eindruck hat, sie würde jeden Augenblick auseinanderfallen, aber bisher hat sie das noch nicht getan. Ich bringe Sie zur Polizei.“
„Das ist wirklich nicht nötig, ich komme schon allein zurecht“, wandte der Journalist ein.
„Hören Sie, ich kann Sie doch nicht allein davontrotten lassen. Wie stünde ich denn vor mir selbst da?“
Copeland musste den Altwarensammler zu dessen Lastwagen begleiten.
Copeland blieb davor stehen. Duffy grinste.
„Sieht nicht sehr vertrauenerweckend aus, die Karre, wie? Aber sie fährt noch ganz gut.“
Der Altwarensammler legte seinen groben Jutesack hinten auf die Ladefläche und kletterte dann in das Fahrerhaus. „Kommen Sie, Steigen Sie ein!“, forderte er den Journalisten auf.
Christopher Copeland stieg ein. Duffy startete die Maschine. Sie sprang sofort an, machte aber einen Höllenlärm. Sie verließen die Mülldeponie. Von Minute zu Minute wurde Copeland unruhiger. Es konnte nicht mehr weit bis zum nächsten Polizeirevier sein. Dort würde er dann eine Aussage machen müssen, die nicht stimmte, und auch was dieser Altwarensammler sagte, würde zu Protokoll genommen werden.
Die nächste Ampel zeigte rot. Zwei Wagen vor ihnen stand ein freies Taxi in der Kolonne. Das war die Rettung. Copeland griff in seine Hosentasche, holte seine Dollars hervor und legte einen Hunderter auf die Sitzbank.
„Vielen Dank für Ihre Mühe“, sagte er.
„Warten Sie, so warten Sie doch!“, rief Duffy. „Ich nehme kein Geld von Ihnen.“
„Stecken Sie es getrost ein, ich kann es mir leisten.“
„Aber ich muss mit Ihnen doch noch zur Polizei..
„Ich nehme das Taxi dort vorn.“
„Und meine Aussage?“
„Die Cops werden mir auch so glauben“, sagte Copeland und sprang aus dem Lastwagen. Ein Windstoß wollte sich die Banknote holen, doch Duffy packte blitzschnell zu und steckte sie ein, während Copeland zum Taxi voreilte und sich in den gelben Wagen setzte.
Es kam Grün.
Das Yellow Cab setzte sich in Bewegung. Copeland nannte dem Fahrer seine Adresse. Zu Hause angekommen, duschte er. Danach zog er sich um und nahm sich einen großen Drink.
Hinterher rief er die Polizei an, um zu melden, dass man ihm seinen Wagen gestohlen hatte. Er sprach nicht von zwei Autostoppern, die ihn überfallen hatten, und erst gar nicht über den Mafioso, der ihn unter Druck gesetzt hatte. Er meldete einen ganz gewöhnlichen Autodiebstahl. So etwas kam alle Tage vor. Und er wusste eines: dass er Männern wie Cusack nie wieder einen Gefallen erweisen würde. Was er erlebt hatte, sollte ihm eine Lehre sein.
21
Zunächst standen die Gangster wie angewurzelt da. Sie hoben weder die Hände, noch trennten sie sich von ihren Waffen. Roberto Tardelli hatte sie gut im Visier. Er befand sich schräg über ihnen, und jeder, der sich eine Chance ausrechnete, war ein Idiot.
„Habt ihr nicht gehört?“, rief er schneidend. „Ihr sollt eure Waffen fallenlassen und die Flossen hochnehmen!“
Tony Tornado zog seine Pistole sichtbar mit zwei Fingern. Er warf sie auf den Boden. Roberto war sein Lebensretter. Ohne ihn wäre er jetzt bereits mit Blei gespickt gewesen. Aber er empfand keine Dankbarkeit, denn er glaubte zu wissen, dass dieser Bursche dort oben - wer immer er sein mochte - dafür sorgen würde, dass er im Zuchthaus landete.
„Cusack!“, schrie Roberto. „Brauchen Sie eine Extraeinladung?“
Der König von Brooklyn trennte sich endlich von seiner Waffe. Aber seine beiden Hitmen glaubten, es ihm schuldig zu sein, sich für ihn total einzusetzen. Sie kreiselten herum. Ein Revolver krachte. Eine MPi hämmerte. Roberto war gezwungen, zurückzuschießen.
Er spürte einen glühend heißen Schmerz am linken Oberarm, biss die Zähne zusammen und ließ den Abzug seiner Maschinenpistole erst los, bis die beiden schießwütigen Kerle kampfunfähig waren.
„Raus aus der Halle!“, rief Roberto. Sein Befehl galt Tornado und Cusack. Die beiden Hitmen waren verletzt