Der Posten wies nach links.
„Da hinüber. Ich gebe euch Feuerschutz.“ Er gab Dauerfeuer. Breitbeinig stand er da. Er drehte den Oberkörper und damit auch die MPi. Ein breites Feld bestreute er mit seinen Kugeln.
Gravina und Tornado blieben ihm nichts schuldig. Sie nahmen ihn aus zwei Richtungen unter Beschuss, und sein Feuerschutz brach zusammen. Er war gezwungen, in Deckung zu gehen. Die Fronten fraßen sich fest.
Draußen eilte Roberto Tardelli auf eine Leiter zu. Sie führte an der Fassade zum teilweise eingestürzten Dach hinauf. Von dort oben hoffte Roberto einen guten Überblick zu haben.
Wenn er Glück hatte, war es ihm möglich, von dieser hohen Warte aus beide Parteien in Schach halten zu können. Er hängte sich die MPi über die Schulter.
In der Halle kläfften nach wie vor die Waffen. Weithin waren die Schüsse zu hören. Roberto konnte das nur recht sein. Nichts wäre ihm angenehmer gewesen als die Unterstützung der Polizei, die von irgendjemand, der die Knallerei gehört hatte, alarmiert wurde.
Die eiserne Leiter war vom Rost schon ziemlich arg angeknabbert. Sehr viel Vertrauen durfte man zu ihr nicht mehr haben. Sie knirschte und wackelte, und es war nicht auszuschließen, dass sie aus der Mauerverankerung brach, sobald Roberto das Dach fast erreicht hatte. Dann wäre es mit ihm acht Meter in die Tiefe gegangen.
Roberto verdrängte den Gedanken, dass etwas passieren konnte. Nur wer wagt, kann auch gewinnen. Er kletterte hastig die Sprossen hoch, während in der Fabrikhalle nach wie vor der Teufel los war.
Jetzt brach eine eiserne Halteklammer. Zum Glück hielt die zweite noch. Aber die Leiter klapperte und wackelte gefährlich. Roberto beeilte sich, auf das Dach zu gelangen.
Endlich war er oben. Über einen schmalen brüchigen Sims erreichte er ein großes Loch im Dach. Er legte sich auf einen morschen Balken und blickte hinunter.
Gravina und Tornado flitzten soeben schießend hoch. Sie stürmten auf ihre Gegner los. Cusack und die Hitmen suchten Deckung hinter einer dicken Trennwand. Cyril Murray sprang auf und wollte die Wand ebenfalls erreichen, doch da erwischte ihn eine Garbe aus Gravinas Maschinenpistole.
Er riss die Arme hoch, bog den Körper nach vorn, stolperte und fiel. Für Roberto Tardelli bestand kein Zweifel, dass der Mann tot war. Als Brian Cusack seinen Stellvertreter zusammenbrechen sah, drehte er durch. Die kalte Wut packte ihn. Er wollte sich nicht mehr länger von den Mafiosi hetzen lassen. Er wollte sich nicht mehr länger vor ihnen verstecken. Mit einem heiseren Schrei kam er aus der Defensive.
Ein weiter Sprung beförderte ihn aus der Deckung. Tony Tornado und Pietro Gravina wollten ihre Maschinenpistolen sofort auf ihn richten, doch er war schneller.
Seine Kugel erwischte Gravina. Der Mann hatte keine Chance, ihr zu entgehen. Seine Beine knickten ein. Er fiel auf das Gesicht und rührte sich nicht mehr.
Cusack wollte diesen Erfolg wiederholen, aber Tony Tornado blieb nicht einfach als Zielscheibe stehen. Er zog sich schießend zurück.
„Los!“, brüllte Brian Cusack. „Hinterher! Der Bastard darf nicht entkommen!“
Die Hitmen fächerten auseinander. Zu dritt versuchten sie sich Tornado zu holen. Der Mafioso hielt sie sich mit einer Vielzahl von Schüssen vom Leib. Aber einmal wird jedes Magazin leer. Tornado verfeuerte seine letzte Patrone.
Als die Waffe nur noch klickte, warf er sie weg und griff nach seiner Pistole. Doch im nächsten Moment erstarrte er. Drei Waffen waren auf ihn gerichtet.
Er begriff, dass er verloren hatte. Brian Cusack und die beiden Hitmen näherten sich ihm langsam. Der König von Brooklyn bleckte die Zähne. Er blickte Tornado hasserfüllt an.
„Pech gehabt!“, sagte er heiser. „Jetzt sitzt du in der Klemme.“
Tornados Gesicht wurde teigig.
„Kommt schon!“, knurrte er. „Macht Schluss!“
Cusack nickte seinen Männern zu.
„Macht ihn fertig!“
Als sie ihre Waffen auf den Mafioso richteten, schrie Roberto Tardelli: „Halt! Hände hoch! Lasst eure Waffen fallen! Ich kann mit meiner MPi jeden von euch erwischen. Es wäre dumm, wenn einer von euch den Helden zu spielen versuchte!“
20
Seit Jahren arbeitete Clips Duffy auf der Mülldeponie. Früher hatte er alten Leuten ihr Gerümpel abgekauft, hatte es zum Trödler gebracht und verscherbelt. Heute war er selbst Trödler, und sein Sohn zog von Haus zu Haus, um all die Dinge abzuholen, die die Leute nicht mehr gebrauchen konnten, während der Vater tagaus, tagein im Müll nach Gegenständen wühlte, die man im Laden noch einmal an den Mann bringen konnte. Es war modern, Antiquitäten in seiner Wohnung stehen zu haben, und es gab Leute, die gaben gutes Geld für alte Stücke. Je schäbiger sie waren, desto besser verkauften sie sich manchmal.
Clips Duffy konnte das nur recht sein. Er hoffte, dass dieser Altwaren-Boom noch recht lange anhielt, denn davon profitierten er und sein Sohn. Duffy war ein kleiner Mann, der das Gesicht einer Wühlmaus hatte. Vielleicht grub er deshalb so gern im Müll herum. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt und grau vom Staub.
In dem Sack, den er auf dem Rücken trug, befanden sich ein paar Gegenstände, an denen er große Freude hatte. Kupfergeschirr. Eine Messingvase. Ein Alabasterengel. Der Job auf der Deponie wurde von Tag zu Tag einträglicher. Die Menschen warfen immer wertvollere Dinge weg, ohne es zu wissen. Clips Duffy brauchte sie nur wieder einzusammeln und in seinem Laden auf Hochglanz zu bringen und auszustellen. Das Zeug ging weg wie die warmen Semmeln.
Duffy kratzte sich am Kopf. Grinsend dachte er: Vielleicht sollte man versuchen, die Leute dazu zu erziehen, ihre alten Sachen nicht mehr wegzuschmeißen, sondern gleich zu mir in den Laden zu bringen. Das würde mir meine Arbeit wesentlich erleichtern.
Er lachte in sich hinein und ging ein paar Schritte weiter. Plötzlich stutzte er. Was war das gewesen? Er hob den Kopf und lauschte. Da war es wieder, das Geräusch, das ihn stutzig gemacht hatte.
Jemand stöhnte.
Um Himmels willen.
Duffys Herz schlug sofort schneller. Er überkletterte den Müllberg, der ihm die Sicht nahm, stolperte, fiel, blieb an einem Stück Stacheldraht hängen, zerriss sich die alte Arbeitskleidung, kam wieder auf die Beine und erblickte einen gefesselten Mann, der verzweifelt versuchte, sich zu befreien.
„Mister!“, rief der Altwarensammler. „Mister, warten Sie, ich helfe Ihnen!“
Christopher Copeland drehte den Kopf in seine Richtung. Noch nie war ihm jemand so willkommen gewesen wie dieser alte Mann in der schäbigen Kleidung.
„Ich komme schon!“, rief Clips Duffy. „Gleich bin ich bei Ihnen!“
Atemlos erreichte er den Journalisten.
„Sie schickt der Himmel“, sagte Copeland.
„Wer hat das getan?“, wollte Duffy wissen.
„Zwei Kerle. Autostopper.“
„Ich sag’s ja immer. Man soll keine Stopper mitnehmen. Zehnmal geht es gut,