Lasst euch von diesem Kapitel nicht in die Irre führen: Die Schuld liegt nicht nur bei den Reagans und Trumps. Da ist auch noch ein so ein Ex-Präsident aus Arkansas. Denn es war ja so: Wenn Ronnie das Gottesgeschenk für die GOP war, dann wurde William Jefferson Clinton zum großen Star der Demokraten. Ich ließ mich auch total davon blenden. Zuerst wurde ja allgemein befürchtet, dass Bill Jeff, weil er nun mal aus Arkansas war, sich entweder als Südstaaten-Rassistensau entpuppen würde oder dass man ihn neutralisieren würde wie Carter, auch wenn inzwischen alle wussten, dass Jimmy ein verdammter Heiliger gewesen war. Aber Bill Clinton – oder, wie ich immer sage, Clinton I., wobei Hillary dann natürlich Clinton II. ist – wickelte uns alle ein, indem er Bürger jeder Hautfarbe ansprach und dann noch über einen Charme verfügte, den man Carter nur hätte wünschen mögen. Außerdem KONNTE ER AUCH NOCH SAXOFON SPIELEN. Sowas hatte die Welt noch nicht gesehen. Der konnte echt Saxofon spielen! Wie konnte das denn angehen? Eigentlich geht man bei Präsidenten doch immer davon aus, dass sie gar nichts können!
Also sprang ich nur zu gern auf den Clinton-Zug auf, wie zuvor die vielen Konservativen auf den Reagan-Zug, und es wurde eine tolle Fahrt! Es gab Rockmusik und MTV und Arbeitsplätze und das Internet und jede Menge anderer cooler Sachen. Clinton war der perfekte Präsident für die Neunziger: jung, rebellisch, witzig und, ich muss es mal sagen, cool. Er tat sein Bestes, für uns das Beste zu tun. Wir erlebten einen Wirtschaftsboom, wie es ihn zu meinen Lebzeiten noch nie gegeben hatte. Die Menschen waren glücklich – zumindest die Demokraten. Und diese Zeit war der überzeugende Beweis dafür, dass man die ganze Flaggenschwenkerei, die Adler und den ganzen anderen patriotischen Quatsch überhaupt nicht brauchte. Wir konnten auch einfach so Amerika sein, weil unser Land schlicht das beste der ganzen Welt war. Das mussten wir den anderen auch nicht dauernd unter die Nase reiben, schließlich waren wir vollauf damit beschäftigt, in diesem tollen Land zu leben.
Und dann platzte die verdammte Blase, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn. Die Dotcom-Blase machte die Leute fast im gleichen Augenblick reich und arm. Die Republikaner fanden die Außenpolitik von Clinton I. nicht so klasse, vor allem seine Krisenbewältigung bei der Somalia-Mission, und nachdem sie 1994 im Kongress wieder die Mehrheit erlangt hatten, begannen sie mit einer Blockadepolitik, die Clintons Regierung zweimal völlig lahmlegte. Dann folgten eine Zigarre, ein Geständnis und ein fleckiges Kleid – die verdammte Lewinsky-Affäre. Zwar kam es nicht zu einer Amtsenthebung, aber Clintons Glaubwürdigkeit war danach komplett hinüber. Sein Vermächtnis bestand hauptsächlich darin, dass er den Demokraten die Wiederwahl erheblich erschwerte. Das fand ich besonders enttäuschend, weil er meiner Meinung nach ein ebenso guter Präsident gewesen war wie Reagan. Unter Clinton I. gab es für kurze Zeit sogar einen Haushaltsüberschuss – das hatte es in den USA zuletzt in den Sechzigern gegeben. Clinton I. war, ganz ähnlich wie Reagan, ein passendes Symbol seiner Zeit: entspannt und locker, wohlmeinend, aber letztlich eben doch nur menschlich und alles andere als fehlerlos. Eine Erkenntnis und eine Frage drängen sich mir deshalb auf. Die Erkenntnis, dass wir keine Partei wählen, sondern eine Person. Sagt, was ihr wollt, es stimmt doch. Es gewinnt der, den die Leute am liebsten mögen. Und wenn das stimmt, dann frage ich mich: Wozu brauchen wir eigentlich überhaupt politische Parteien?
Ich weiß, sie machen die Dinge leichter. Die meisten von uns können sich nicht mal dazu aufraffen, die Geheimzahl für ihre Bankkarte auswendig zu lernen. Und sich mit dem ganzen Politikkram auseinanderzusetzen, dazu haben die Leute noch weniger Lust. Aber bei Parteien weiß man: Republikaner sind normalerweise für weniger Staat, Steuersenkungen und mehr Rechte für die Bundesstaaten, und sie vertreten konservativere Einstellungen, sind beispielsweise gegen Abtreibung, für gute christliche Werte und die Stärkung des klassischen Familienbilds. Die Demokraten sind eher Futuristen, glauben an die Freiheit und daran, dass man auf einander und auf sich selbst achten soll, sie vertrauen auf den stärkenden Einfluss des Staates und wollen Gesetze schaffen, die Freiheiten schützen statt sie zu beschneiden, und sie sind für gleiche Rechte, egal in welchem Bereich. Diese beiden Parteien bestimmen seit Mitte des 19. Jahrhunderts unsere Politik und mussten sich kaum gegen Bedrohungen von außen durchsetzen (auch wenn die Tea Party das jetzt bestimmt nicht gern hören wird); wir sind sie so gewohnt, dass wir sie für selbstverständlich halten. Oder vielleicht sollte ich das anders formulieren: Sie halten uns für selbstverständlich. Sie wissen einfach, dass sie über das meiste Geld und die meisten Werbemöglichkeiten verfügen, und dass wir damit gezwungen sind, für den zu stimmen, den sie ausgewählt haben. Aber inzwischen kann ich bei beiden Parteien keine einzige neue Idee erkennen. Was spielt es also noch für eine Rolle, aus welchem Lager sie stammen? Warum sollte man also nicht mehr auf Sympathie und Charme achten?
Ich sage euch, warum, und das, was bei den Vorwahlen der Demokraten geschah, beweist das auch: Solange die Parteien über Geld verfügen, ist Politik ein Geschäft. Es war völlig offensichtlich, dass das Democratic National Committee Bernie Sanders zugunsten von Hillary Clinton aus dem Weg räumte. Das war höchst unethisch und zudem noch irre peinlich, weil Bernie die große Nummer war. Bernie war meine erste Wahl. Mir war scheißegal, ob er so alt war wie Jesus, mich interessierte nicht, ob er lila anlief, wenn man ihn provozierte, und ich hatte kein Problem damit, dass er früher parteilos war und nur deshalb zu den Demokraten stieß, damit er als Präsident kandidieren konnte. Bernie Sanders ist ein großartiger Typ, der Klartext redet und schon seit Jahren gegen die Verschwendung von Steuergeldern und die Aushöhlung von Bürgerrechten kämpft. Der war echt mein Macker – scheiße, er war für alle die erste Wahl. Das wussten auch die Typen vom Democratic National Committee, und deswegen starteten sie ein paar echt verrückte Aktionen, um ihm ein Bein zu stellen. Es ist noch immer nicht ganz klar, wie viel Clinton II. tatsächlich davon wusste, aber Tatsache ist, dass die Partei dafür verantwortlich war, genau wie den Republikanern vorzuwerfen ist, dass sie Trump mit seinen Hassbotschaften so lange eine Plattform boten und zuließen, dass er bis an die Spitze kam. Diese Parteien glauben, sie wären an sich wichtiger als ihr Kandidat, wer auch immer das ist, und sorry, das ist einfach nur blöd. Ich wähle nicht die Republikaner oder die Demokraten, meine Wahlentscheidung ist beeinflusst von dem, was ich bin, und ich bin ein bisschen von beidem. Und ich bin davon überzeugt, dass es den meisten Amerikanern so geht – die extremen Positionen an den äußeren Rändern spielen gar keine so große Rolle. Damit meine ich gar nicht die Fanatiker, sondern all die anderen Leute, die nicht unbedingt sofort zu irgendeiner Gruppe gehören wollen. Aber so ist Amerika: Hinter verschlossenen Türen fällt jeder seine Entscheidungen entsprechend den Erfahrungen, die er im wahren Leben gemacht hat. Wenn also die Wahlentscheidungen der meisten Amerikaner nicht so klar ausfallen, wieso gibt es dann diese antiquierten politischen Parteien, die von fanatischen Sackgesichtern geführt werden, die dafür Millionengehälter beziehen? Wenn wir schon wissen, dass wir denjenigen wählen, den wir mögen, können wir doch noch einmal ganz von vorn anfangen. Überlegen wir uns doch einfach mal, wie es sein könnte, wenn wir diese zwei abgehangenen Parteien abschaffen würden.
Zurzeit von Reagan und Clinton I. kam tatsächlich schon einmal Bewegung in die alten Lager. Reagan repräsentierte den neuen Konservativen: einen auf Freiheit bedachten Familienmenschen, sauber und ordentlich und bodenständig, in eine Flagge gewickelt wie ein Schwein in eine Decke und etwas wacklig beim Management von Steuerthemen. Clinton I. war genauso, er orientierte sich an einer neuen, demokratischen Parteilinie, dem so genannten Dritten Weg. Damit sollte die Partei wieder stärker zur Mitte finden und konservativer werden, aber gleichzeitig ihre liberale Haltung in Menschenrechtsfragen beibehalten. Dass Politiker ihre Standpunkte verschieben oder ändern, das hat es immer schon einmal gegeben. Aber meiner Meinung nach brauchen wir diese ganze Scheiße nicht. Wir brauchen ein völlig neues Regelwerk. Wollt ihr, dass wir zu der Zeit zurückfinden, in der man bei der Regierungsarbeit noch das Motto „aus dem Volk, für das Volk und durch das Volk“ beherzigte? Dann, liebe Freunde, habe ich einen Vorschlag für euch. Passt gut auf, denn ich erzähle das alles nur einmal. Es mag ein bisschen verrückt klingen, aber es ist ja nur ein schmaler Grat zwischen verrückt und kreativ, auch wenn die Entwickler solcher Ideen dann oft an der Praxis scheitern. Aber ich habe eine Idee und eine Lösung.
Zwischen