Ich wollte Karl töten, die schiere Power der Kontrolle spüren, einen anderen Menschen verletzen, so wie auch ich verletzt worden war. Mord stellte einen perfekten Tribut an Terrible dar, der Karl eiskalt exekutiert hätte. Ich griff nach dem Pickel. Mir wäre die Möglichkeit einer Niederlage nie in den Sinn gekommen. Ich könnte Karls Ohren abschneiden und ihn in einer Welt der Stille zurücklassen. Der Eispickel rutschte vom Armaturenbrett, und das Auto raste quer über die verschiedenen Spuren. Reifen quietschten. Hupen plärrten.
Karls Glasauge löste sich aus der Augenhöhle und schimmerte weiß.
„Du wirst ihn noch umbringen“, heulte Mum. Sie kniete auf dem Boden und suchte das Auge, das Karl jede Nacht herausnahm, reinigte, in ein Papiertuch wickelte und in eine Seifenschale legte.
Karl blinzelte mich an, rotzte mir voll ins Gesicht und wartete auf den nächsten Angriff. Wenn ich ihn jetzt frei lasse, mein Knie von seiner Brust nehmen würde, dann wäre ich so gut wie tot. Karl würde mich auf die Straße schmeißen und grinsen, wenn mein Kopf wie eine überreife Frucht aufplatzte.
„Du machst alles nur noch schlimmer für mich.“ Schon wieder Mum. Irgendwie gelang es ihr mit einem Fuß die Bremse zu erreichen. Der Wagen ruckelte und schoss nur knapp an einem Pickup auf der anderen Spur vorbei.
Brech ihm den Hals. Ich hörte Terribles Stimme in meinem Kopf, als wäre er hier, als sähe er, was vor sich ging. Ich glaubte nie an Engel. Ich habe Terrible nie als einen engen Freund angesehen, doch in dieser Nacht überkam mich etwas Mächtiges, fast schon Übernatürliches, und es verlieh mir unendliche Kraft.
„Worauf starrst du?“ Karls Blick war so aggressiv, dass er mir wie ein Schlag ins Gesicht vorkam. Er bremste mich kurz, doch dann erinnerte ich mich an die Nacht, als er einfach so da saß, auf einem Fleischbällchen kaute, schluckte und jeder Silbe seines Satzes Nachdruck verlieh, indem er Mums Schädel im Rhythmus der Sprache auf den Tisch aufschlug – und das ohne Vorwarnung. Meine Mutter hielt beide Hände auf die Nase gepresst. Blut rann ihr durch die Finger. Zitternd stand sie auf, torkelte zum Spülbecken, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und schnappte sich wortlos einen Stapel schmutzigen Geschirrs. Sie drehte sich um und schleuderte die Teller einen nach dem anderen in Karls Richtung – wie Frisbee-Scheiben. Sie schossen an meinem Kopf vorbei, zerbrachen auf dem Tisch, berührten Karls Schulter und zerbarsten vor seinen Füßen. Splitter hingen in seinem Pferdeschwanz und lagen in meinen Nudeln, und schon bald sah die Küche wie eine weiße Wüste aus.
„Raus mit dir.“ Ich trat die Fahrertür mit dem Fuß auf. Der scharfe Wind biss mir ins Gesicht. Vor uns tauchten gefährlich nah rote Rückleuchten auf. Autos mussten riskante Fahrmanöver machen, um an uns vorbei zu kommen. In der Entfernung hörte ich eine Sirene. Ich drückte Karl immer noch mit der Faust in den Sitz und gab Mum einen Tritt, dass sie endlich die Karre verlässt. Mit einem Hechtsprung landete ich auf der Straße. Ein scharfer Schmerz durchzog meinen Brustkorb. Der Asphalt riss mir die Haut auf. Karl schlängelte sich über den Highway, knallte in andere Autos und machte mitten auf der Straße eine Vollbremsung.
Ich schnappte mir Mum am Ellbogen und stolperte mit ihr über die vier Spuren. Hupen schrillten in unseren Ohren. Karl hatte die Karre gewendet und fuhr auf uns zu. Mum versuchte in den zugemüllten Straßengraben zu flüchten. Um uns herum quietschten Reifen. Der stechende Geruch verbrannten Gummis zog mir in die Nase. Karl kam immer näher. Ich hörte das hochtourige Dröhnen des Motors. Jetzt! Ich griff Mum und riss sie zu einem Vorsprung, bei dem eine kleine Betonmauer aus der Böschung ragte.
„Er wird uns umbringen“, schrie sie. Sie zitterte am ganzen Leib. Karl knallte auf die Barriere. Kleine Gesteinssplitter lösten sich und ich konnte die Wucht des Aufpralls am ganzen Körper spüren. Er hatte den Kühler seines Wagens geschrottet. Heißer Dampf stieg um uns herum zum Himmel auf. Auch die Windschutzscheibe war geborsten. Töte mich. Trau dich doch, du Motherfucker. Ich wollte, dass er es tut. Ich wollte, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis hockt. Ich wollte, dass er aufhört, uns weh zu tun.
Karl grinste schmierig, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit durchdrehenden Rädern weg.
„Du bist es nicht wert“, hallte sein Schrei in die Nacht. Langsam wurden die Rücklichter von der Dunkelheit verschluckt.
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