Soziokratie 3.0 – Der Roman. Jef Cumps. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jef Cumps
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783969102831
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HRS helfen könnten. Bevor Bernie aufbricht, frage ich ihn, ob er sein Angebot, mir bei der Anwendung von S3 bei HRS zu helfen, ernst meinte.

      »Natürlich«, sagt er. »Es würde mich freuen. Die Geschäftswelt braucht mehr solcher Initiativen. Ich bin glücklich, wenn ich dazu etwas beitragen kann.«

      »Fantastisch«, antworte ich erleichtert. »Ich brauche wirklich Hilfe.«

      »Hast du morgen Vormittag Zeit?«, fragt Bernie. »Falls ja, könnten wir erste Schritte besprechen, die du bei HRS unternehmen kannst.«

      »Mit Vergüngen«, sage ich. »Das könnte genau das sein, was ich als Vorbereitung auf das Gespräch am Freitag brauche, bei dem Paul das Management über seine Entscheidung informiert. Er hat mich gebeten, dort etwas über meine Pläne für HRS zu berichten. Ich sollte also gut vorbereitet sein.«

      »Genau. Dann sollten du darüber nachdenken, wie du es angehen willst. Wie willst du S3 in dein Unternehmen einführen?«

      »Noch mal Hausaufgaben?«, frage ich und lache mit rollenden Augen.

      »Genau«, antwortet Bernie. »Wir sehen uns morgen.«

      9

      EINLADUNGSBASIERTE VERÄNDERUNG

      Ich stehe extra früh auf. So kann ich mich mit Bernies Hausaufgabe beschäftigen, bevor ich zur Arbeit aufbreche. Ich will den perfekten Plan und entscheide, dass es zuerst eine klare Kommunikation zu den anstehenden Änderungen braucht. Vielleicht muss ich dafür einen Kommunikationsspezialisten beauftragen.

      In der darauffolgenden Zeit gibt es noch keine Veränderung der operativen Arbeit. Erst mal wird eine Handvoll Leute die notwendigen Veränderungen identifizieren müssen. Welche Rollen und Kreise müssen etabliert werden? Wer trifft sich wann mit wem? Welche Entscheidungen müssen wie gefällt werden? Außerdem müssen alle Treiber definiert werden, sodass jede Rolle und jeder Kreis klare Ziele und konkrete Verantwortlichkeiten hat.

      Danach werden alle in S3 geschult. Und erst dann können wir wirklich die neue Arbeitsweise im Unternehmen implementieren.

      »Ist das dein Ernst?«, fragt Bernie mich, nachdem ich ihm meinen Plan erläutert habe. Er sieht besorgt aus.

      »Vielleicht sollten wir mit den Schulungen früher beginnen?«, schlage ich vorsichtig vor.

      »Stell’ dir für eine Minute lang vor, du wärst einer der HRS-Mitarbeiter und wüsstest von alldem bisher nichts. Und dann erhältst du plötzlich eine schöne und gut formulierte Mitteilung über den neuen Geschäftsführer und seinen Plan. Was wäre deine Reaktion?«

      Ich schweige, während ich versuche, mich in diese Situation zu versetzen.

      »Vermutlich würde ich das Ganze für eine der üblichen Veränderungsvorhaben halten, mit meinen Kollegen darüber Witze machen und abwarten, ob das Ganze wirklich mich und meine Arbeit betrifft.«

      »Gut«, sagt Bernie. »Und jetzt nehmen wir an, dass der Plan fertig ist und im ganzen Unternehmen ausgerollt wird. Du sollst dein Verhalten komplett ändern, weil der Geschäftsführer es gesagt hat und weil es in einem Dokument steht. Wie würdest du dich fühlen?«

      Ich schlucke.

      »Ich hätte damit so meine Probleme«, gebe ich zu.

      »Und würde es dich glücklicher machen oder würdest du dich ermutigt fühlen? Würdest du mehr Verantwortung übernehmen wollen? Denn das war ja der Treiber für dich, Geschäftsführer zu werden. Erinnerst du dich? Darum tust du das alles. Die S3-Muster sind Werkzeuge, um das zu erreichen – nicht mehr und nicht weniger.«

      Stille. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, und fühle mich bedrückt. Ich begreife, dass mein wunderschöner Plan nicht funktionieren kann – ganz im Gegenteil. Wie konnte ich nur so dumm sein?

      Glückerweise regt Bernie sich nicht auf. Ich bemerke sogar ein Funkeln in seinen Augen.

      »Das ist vielleicht die wertvollste Einsicht, die ich dir geben kann, Chris«, fährt er fort. »Dein plangetriebener Ansatz mag in einigen Situationen funktionieren, aber nicht für HRS, wenn ich bedenke, wo ihr im Moment steht.«

      Ich sehe Bernie fragend an und er erläutert: »In einer komplexen Umgebung kannst du nicht mit einem festen Plan navigieren. Stattdessen braucht es mehr Selbstorganisation bei den Beteiligten und die Möglichkeit, dass sich die passenden Praktiken herausbilden. Und du möchtest, dass das Unternehmen als Ganzes agiler wird, sodass es sich schnell an geänderte Gegebenheiten anpassen kann.«

      Ich nicke; das ist genau das, was ich will.

      »Um das zu erreichen«, fährt Bernie fort, »musst du einen kohärenten, dezentralen Ansatz entwickeln, mit dem die Mitarbeiter selbstständig entscheiden und handeln können. Gleichzeitig müssen sie die Themen mit anderen diskutieren können, wenn es notwendig oder wertvoll erscheint. Du möchtest doch, dass die Menschen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen verantworten und Verantwortung für das Wohlergehen des Unternehmens übernehmen, als wäre es ihr eigenes.«

      Ich nicke erneut. Er hat recht. Ein detaillierter Plan von oben würde das falsche Signal senden.

      »Aber was soll ich stattdessen tun?«, frage ich kleinlaut. Ich habe meinen ganzen Mut verloren.

      »Versetze dich noch mal in die Rolle eines HRS-Mitarbeiters. Was würdest du dir wünschen, wie der neue Geschäftsführer das Thema angeht?«

      »Ich müsste ihm vertrauen können«, spreche ich das Erste aus, was mir in den Sinn kommt.

      »Was meinst du damit?«

      »Wenn er sagt, dass mehr Selbstorganisation und eigenständige Entscheidungen gewünscht werden, sollte das glaubhaft sein und nicht wie ein Sales-Pitch klingen.«

      »Okay, gut. Und wie kann er das sicherstellen?«

      Darüber muss ich einen Moment nachdenken.

      »Er müsste klarmachen, welche Vorteile dadurch für das Unternehmen und für mich entstehen. Ich wäre für die Veränderung nicht bereit, wenn ich das ›Warum‹ nicht verstehe.«

      Bernie nickt.

      »Und er müsste als Vorbild agieren«, fahre ich vorsichtig fort. »Ich möchte zum Beispiel nicht, dass er alle Entscheidungen selbst fällt. Und ich würde es gerne sehen, dass er selbst mit den S3-Mustern experimentiert. Und das gilt nicht nur für ihn, sondern für das ganze Managementteam.«

      Ich fahre fort: »Und natürlich darf das Ganze nicht in Chaos und endlosen Diskussionen enden, in denen nichts entschieden und nichts erledigt wird.«

      »Das sind bereits einige wichtige Punkte. Es muss klar sein, warum die Veränderung notwendig ist. Die Geschäftsführung und das Managementteam müssen die Veränderung vorleben und was auch immer du tust, sollte dazu führen, dass das Unternehmen mehr und nicht weniger Wert schafft«, fasst Bernie zusammen. »Was brauchst du noch in diesem Szenario?«

      »Ich sollte wählen können, was ich verändern möchte, basierend auf dem, was ich für notwendig und wertvoll für das Unternehmen halte.« Ich sehe Bernie fragend an.

      »Im Grunde ja«, sagt Bernie. »Es ergibt Sinn, dass die Menschen selbst entscheiden, wie sie die Arbeit erledigen, für die sie Verantwortung übernommen haben. So entwickeln sie selbst Strategien, die gut für sie funktionieren. Sie spielen ihre Stärken aus, übernehmen Verantwortung und sind generell motivierter.«

      Ich fahre laut denkend fort: »Ich vermute, es wird komplizierter, wenn eine Gruppe von Menschen gemeinsam Verantwortung übernimmt. Sie müssen sich schließlich darauf einigen, wie sie weiter vorgehen. Und das Konsent-Prinzip legt nahe, dass wir Einwände gegen Aktivitäten und Entscheidungen suchen und ausräumen, richtig? Bedeutet das also, dass alle jederzeit Einwände vorbringen können, wenn sie begründen können, warum etwas nicht gut genug ist?«

      Bernies