Superhelden. Grant Morrison. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Grant Morrison
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная психология
Год издания: 0
isbn: 9783854454199
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ein vom Ego befreiter Buddhist, spukte er über die Straßen von Central City als letzter Überrest eines schemenhaften Bewusstseins. Infantino ließ es aussehen, wie sich Alzheimer vielleicht anfühlen könnte. Wie würde sich unser Held aus dieser ultimativen Falle befreien? Ein kleines Mädchen, dessen Püppchen der Flash an diesem Tag zuvor aus dem Fluss gerettet hatte, erinnerte sich irgendwie noch an den Flash, und so begann er langsam, seinen ontologischen Status wiederherzustellen – nur für den Fall, das Ihr Euch schon gewundert habt.

      Durch das Auge eines Erwachsenen mag die Moral simpel und Broomes Story seicht erscheinen. Es ist wahr, dass Broomes Geschichten nicht selten dünn wirkten, doch dieser lag eine tiefschürfende Botschaft zugrunde. Sie demonstrierte eindringlich die Verwundbarkeit des Superhelden-Körpers, die quer durch das Silberne Zeitalter so präsent war. Sie offenbarte das Ende der Reise, den umnebelten, fürchterlichen Verlust des Bewusstseins und der Willenskraft, den so viele junge Leute – unvorbereitet auf die psychotischen Nebenwirkungen von Albert Hoffmans chemischer Kreation – in einer Zeit des Krieges durchleben mussten. Und es zeigte ihnen, dass nur Güte, Verbundenheit und Gemeinschaft den Weg zurück ebnen konnten.

      Bereichert wurden Flash-Storys außerdem immer durch die unterhaltsamen Flash-Facts: kurze Unterbrechungen, die einem näher brachten, warum etwa die Windgeschwindigkeit eines Hurrikans einen Strohhalm durch ein solides Stück Holz treiben konnte, oder wie es möglich war, dass es neun Minuten dauerte, bis uns das Licht der Sonne erreichte – so dass wir erst neun Minuten später erfahren würden, wenn die Sonne erloschen wäre. Flash-Facts eigneten sich herrlich, Lehrer und Eltern zu beeindrucken und zu untermauern, dass Comics der jungen Generation durchaus etwas Wissenswertes vermitteln konnten.

      Flash-Storys waren das Werk gut vorbereiteter Erwachsener, die Kinder wirklich verstanden. Im Gegensatz zu den titanischen, aber auch oft grausamen und süßlichen Sinneswelten der Superman- und Batman-Geschichten, repräsentierten die weiblichen Hauptfiguren eine erfrischende Selbstsicherheit. In den anmutigen Händen von Infantino oder Kane wurden Frauen wie Iris Allen, Sue Dibney und Jean Loring in die feinste Pariser Mode gekleidet. Ihre Frisuren richteten sich nach den neuesten Trends. Dies war zum einen ein Resultat des Comics Codes, der darauf bestand, dass weibliche Charaktere realistisch proportioniert und angemessen gekleidet sein müssten, aber half zum anderen dabei, die Heldinnen von Julius Schwartz in hippe und hübsche Vertreterinnen des Jackie-Kennedy-Styles zu verwandeln. Wenn sie ihre Superheldenkostüme abgestreift hatten, trugen die Männer Slacks, Blazers und Trilby-Hüte sowie sportliche Kurzhaarschnitte. Eine Ästhetik, die später als „Metrosexualität“ bezeichnet werden sollte, stand hier bereits in vollster Blüte. Und sie hingen alle miteinander ab, diese jungen Pärchen mit guten Jobs, positiven Einstellungen und Doppelleben, in denen sie das Verbrechen bekämpften, welche sie aber vor ihren besseren Hälften geheim hielten.

      Schwartz etablierte damit auch ein neues gemeinsames Universum. Flash war etwa mit Green Lantern, Hal Jordan, befreundet. Er war auch mit dem Elite-Uni-Professor Ray Palmer (The Atom) und dessen Freundin, der Anwältin Jean Loring, befreundet. Er war zudem ein Kumpel des Elongated Mans, des „Detektivs aus Gummi“ Ralph Dibny, und seiner Frau Sue. Sie trafen sich nicht, um, wie spätere Marvel-Helden dann, miteinander zu kämpfen. Sie trafen sich zu Picknicks, die routinemäßig von eigentümlich kleinformatigen, beinahe höflichen außerirdischen Invasionen unterbrochen wurden – und zwar jener Art Invasion, bei der die Eindringlinge durch die Anwendung wissenschaftlichen Wissens mithilfe von Tafelsalz oder H2O abgewehrt werden konnten. Ihre Sexualität stand nie zur Debatte. Entspannt und kosmopolitisch, wie sie waren, standen sie für die Verkörperung unseres Kennedy-Mans. Bahnbrechende Pioniere, Astronauten, Vorbilder. Erstrahlend im Licht des Sonnenkönigs.

      Und dann war der Präsident plötzlich tot. Die goldenen Mauern Camelots waren eingestürzt, um die grausame Realität der blutigen Sümpfe Vietnams zu offenbaren, wo zwei Millionen potenzielle Astronauten, Künstler, Dichter, Musiker und Wissenschaftler als Opferlämmer einer amerikanischen Generation zur Schlachtbank geführt wurden.

      Und damit einher ging die größte Revolution von allen.

      Die Marvel-Superhelden setzten zur Landung an.

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      Als ob es irgendjemand von langer Hand geplant hätte, begann die neue Ära von Superhelden mit den Worten: „MIT DER PLÖTZLICHEN WUCHT EINES BLITZSCHLAGS …“

      Das prometheussche Zeitalter war verkündet worden. Die Zeit der Männer, welche das Feuer aus ihren Handflächen gebären konnten, war angebrochen. Und mit dieser Bestätigung der prometheischen Dimension der Superhelden kam auch die Zurkenntnisnahme von Bestrafung, Untergang, Vergeltung und Schuld – Themen, die sich durch die Erfahrungen einer sehr speziellen Generation von Kindern ziehen sollten. Von nun an waren Superkräfte zumindest mit enormer Verantwortung verbunden, im schlimmsten Fall wurden sie gar als horrender Fluch empfunden.

      Stan Lee hatte bereits seit 20 Jahren Geschichten für Comics geschrieben und war nun fast so weit, alles endgültig hinzuwerfen. Das Geschäft lag nach den Wertham-Jahren am Boden, und die Branche hangelte sich von einem kurzlebigen Trend zum nächsten. Lee hatte Western, Liebes- und Monstergeschichten und für Crime-Comics geschrieben, bis ihm seine Frau Joan vorschlug, einen letzten Versuch zu wagen. Eine letzte Demonstration dessen, was er selbst gerne lesen würde, und nicht das, was ihm die Verleger nahelegten zu schreiben.

      Superhelden waren wieder auf dem aufsteigenden Ast gelandet, was sie den Neuerungen des Silbernen Zeitalters bei DC und dem Erfolg ihrer Justice League of America zu verdanken hatten. Dies veranlasste den Verleger Martin Goodman, Stan Lee mit einer Herausforderung zu konfrontieren: Er fragte ihn, ob er in der Lage sei, für ihn ein Superhelden-Team – ähnlich der Gerechtigkeitsliga, nur moderner, frischer und relevanter – zu kreieren.

      Und so machte sich Lee, der nichts zu verlieren hatte, ans Werk und schuf so ganz nebenbei ein Imperium. Er hatte das Glück, zwei der talentiertesten, kreativsten Köpfe der Branche in seinem Team begrüßen zu dürfen: Jack Kirby und Steve Ditko. Marvel sah die ineinander verwobene, verknüpfte Welt von Julius Schwartz und konstruierte nun seine eigene, praktisch von heute auf morgen. Eine ganze Welt, die von evolutionären Fortschritten geprägt war.

      Fantastic Four #1 erschien Ende 1961, zwei Jahre vor den anderen, den realen Fab Four aus Liverpool. Um gleich zu Beginn mit der Tradition zu brechen, trugen die Fantastic Four Zivilkleidung. Als Jack Kirby schließlich unter Druck gesetzt wurde, ihnen Superhelden-Outfits zu geben, antwortete er mit funktionalen blauen Overalls, die eher an die Astronauten der Mercury-Missionen als an Zirkusartisten erinnerten, und etablierte die Fantastic Four als erste bodenständige Vertreter des Weltraumzeitalters innerhalb des Genres. Marvel berief sich auf Jerry Siegels ursprüngliche Idee. Was wäre, wenn Superhelden real wären? Was wäre, wenn sie nicht nur Märchen für Kinder wären? Was wäre, wenn Superhelden unter uns wandeln würden, wie die Marsianer – oder die Roten, die uns eine Dekade zuvor bedroht hatten? Das war die Prämisse.

      Sie waren auch eine Familie, doch anders als die Familie Captain Marvels, in der jeder mit jedem eng befreundet war, oder die Superman-Familie, für die es galt, jeden Tag einen neuen epischen Weltuntergang zu verhindern, stritten und umarmten sich die Fantastic Four wie eine echte Familie.

      Das erste Cover von Fantastic Four zitierte das Titelbild der ersten Ausgabe von Justice League of America, indem es das Team im Kampf mit einem Monster abbildete. Die Gerechtigkeitsliga sah sich von einem gigantischen außerirdischen Seestern bedroht, nur waren hier die Helden mit einem Unterwelttitanen aus Kirbys Feder konfrontiert.

      „ICH KANN MICH NICHT SCHNELL GENUG UNSICHTBAR MACHEN!“, lautete der ergreifende Aufschrei dieser modernen, unabhängigen Frau.

      „ES BRAUCHT MEHR ALS SEILE, UM MISTER FANTASTIC AUSSER GEFECHT ZU SETZEN!“, prahlte ein Mann mit seltsam verdünnten Gliedmaßen, der sich gerade aus seinen Fesseln herausstretchte – es wurde nicht erklärt, wie er überhaupt in diese peinliche Lage gekommen war. Die anderen beiden Charaktere waren ein feuriger, fliegender Mann, der ein wenig an Human Torch von 1940 erinnerte, sowie ein orangener Felshaufen namens The Thing.

      Von den vier Hauptfiguren