Leider förderte der Aufenthalt in Griechenland auch erstmalig Anzeichen für die angespannte Beziehung zwischen Waters und Richard Wright zutage. Es tat sich ein Graben zwischen den beiden auf, der noch Jahre später signifikante Auswirkungen auf Pink Floyd haben sollte. „Rick war ein lieber, schüchterner Typ“, berichtet Jenny. „Seine Freundin war zu diesem Zeitpunkt in Amerika. Er hielt eine Menge von ihr. Aber Roger machte ihn dauernd runter. Es war so, als ob er in Rick eine Art Sandsack sah, auf den er eindreschen konnte.“
Nachdem sich die einzelnen Bandmitglieder nach dem Sommer wieder in London eingefunden hatten, brachte die Gruppe in Erfahrung, dass Peter Jenner immer noch an einer Zusammenarbeit interessiert war. Als Waters ihn informierte, dass die Band in erster Linie einen echten Manager bräuchte, stellte er seinen Plan, sie für DNA unter Vertrag zu nehmen, erst einmal hinten an und holte seinen alten Freund und Kollegen von der London Free School hinzu: Andrew King. „Pete und Joe Boyd wollten DNA zusammenführen und ich sollte als Manager fungieren“, erinnert sich Andrew King. „Aber als es mit dem Label nicht wirklich nach Wunsch lief, schlug Pete vor, dass er und ich gemeinsam Pink Floyd managen sollten.“ Jenner nahm sich eine zwölfmonatige Freistellung von seinem Lehramtsposten an der Wirtschaftsuni, wobei er sich die Option offenließ, im Falle einer Bruchlandung als Pop-Manager jederzeit wieder zurückzukehren. Andrew King und Peter Jenner hatten bereits gemeinsam die Schulbank gedrückt und waren nach der Universität zusammen durch die USA gereist. Sie waren in den Worten Kings „bürgerlich-liberale Intellektuelle, die mit der Londoner Avantgarde-Szene verbandelt waren“.
„Ich hörte nicht viel Popmusik“, gesteht Jenner. „Ich stand gerade mal auf Bob Dylan und die Byrds. Aber ich war nicht der Meinung, dass weiße Männer den Blues singen könnten.“
Damals arbeitete King in der PR-Abteilung von British European Airways, aber hatte, was äußerst wichtig war, auch ausreichend Geld von seiner Familie zur Verfügung, um ein wenig zu investieren. Mit einem Hinweis auf ihre Bedürftigkeit überredete Waters das neue Management, der Band eine PA-Anlage zu finanzieren. Zwar bekamen sie die auch, doch die vollständige Ausrüstung verschwand kurz darauf wieder. Erneut griffen King und Jenner tief in ihre Taschen. Später sollte Waters gestehen, dass er das Duo ursprünglich für Drogendealer mit Niveau gehalten habe, die auf der Suche nach dem großen Wurf waren.
Inzwischen brauchte auch die Free School eine Finanzspritze. „Wir stellten etwa einen Newsletter zusammen“, erzählt Hoppy. „Ich zahlte die Produktionskosten und obwohl ich Anfang der Sechzigerjahre als Pressefotograf ganz gut verdient hatte, verdingte ich mich nun anderweitig und wurde ärmer und ärmer. Um die Schule über Wasser zu halten und den Newsletter weiterhin veröffentlichen zu können, beschloss ich einen Benefiz-Event zu veranstalten, woraus sich dann eine ganze Reihe solcher Veranstaltungen entwickelte.“
Peter Jenner arrangierte, dass auch The Pink Floyd Sound bei diesen Konzerten in der All Saints Church Hall, in unmittelbarer Nähe zur Westbourne Park Road, zum Zug kamen. In der für die Gegend bedeutenden Veranstaltungshalle sollten später Bühnenmusicals und Theaterstücke aufgeführt werden und der Gemeinde von Notting Hill sollte sie als allgemeiner Versammlungsort dienen. Damals traf sich dort unter anderem eine von Londons ersten Spielgruppen für Kinder.
John Leckie, der später bei Aufnahmesessions von Pink Floyd als Toningenieur arbeiten sowie Größen wie die Stone Roses und Radiohead selbst produzieren sollte, war im benachbarten Ladbroke Grove aufgewachsen: „Ich sah Pink Floyd ein paar Mal in der All Saints Hall. Fantastisch. Das einzige Problem war, dass das eben eine Schulversammlungshalle war. Deshalb standen da all diese winzigen Kindertische und Stühlchen in der Gegend herum, was eine ziemlich witzige Kulisse bot, wenn irgendjemand plötzlich aufsprang, ausflippte und zu dieser abgefahrenen Musik seinen Idiotentanz aufführte.“
Eben in der All Saints Hall erlebte auch Andrew King seine Pink-Floyd-Premiere. „Ich glaube, es war dort, dass ich sie zum ersten Mal auftreten sah“, erzählt er. „Sie spielten damals immer noch 15-minütige Versionen von ‚Louie Louie‘ und ich erinnere mich daran, wie sonderbar doch alles klang. Ich wusste Bescheid über den Blues und die Wurzeln des Rock’n’Roll und das hier klang irgendwie nicht richtig. Aber all diese musikalischen Unstimmigkeiten bewirkten, dass es dann doch auch wieder funktionierte. Außerdem fand ich, dass Syd eine magnetische Ausstrahlung hatte.“
Im Publikum befand sich auch die aufstrebende Schriftstellerin Jenny Fabian, die einen im Musikbusiness angesiedelten Roman mit dem Titel Groupie schreiben sollte, der 1969 veröffentlicht wurde. „Ich hatte gerade die Flucht vor meinem ersten Ehemann ergriffen und lebte nun am Powis Square“, erzählt sie heute. „Ich war stets auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem, und die Leute, die ich in die All Saints Hall gehen sah, erweckten meine Neugier. Die Musik fand ich auch interessant, die Typen auf der Bühne sahen nicht minder interessant aus und der Leadsänger sah sogar ein bisschen mehr als bloß interessant aus.“
Nachdem ihr Jenner und King „als zwei Privatschüler, die ich aus einem vergangenen Leben kannte“, aufgefallen waren, „erlaubte ich Andrew, mich zu verführen“, wie Jenny sagte, bevor sie sich mit dem wahren Objekt ihrer Begierde, Syd Barrett, befasste. Später sollte er nur sehr oberflächlich getarnt als Ben in ihrem Buch in Erscheinung treten, während seine Band dort Satin Odyssey hieß.
Syds magnetische Bühnenperformance während diesen frühen Gigs wurde durch eine exotisch anmutende Lightshow ergänzt, für die Joel und Toni Brown verantwortlich zeichnete. Das amerikanische Ehepaar, das aus Ashbury-Haight, dem Hippie-Bezirk San Franciscos, stammte, bediente sich eingefärbter Dias und eines Projektors, was sich markant von den üblichen Deckenscheinwerfen in den meisten Auftrittssälen abhob. Als die Browns in die USA zurückkehrten, machten sich Peter Jenner und seine Frau Sumi daran, aus einem halben Zoll dicken Regalbrettern, fixierten Scheinwerfern für den Hausgebrauch von Woolworth, Reißzwecken und Kunststoff-Gel eine Vorrichtung zu basteln, die ähnliche Resultate liefern sollte. Joe Gannon, ein 17-jähriger Amerikaner, der die Gigs in der All Saints Hall besucht hatte, wurde als erster Beleuchter der Band angeheuert.
Obwohl Jenners Beleuchtungsanlage im Vergleich mit dem heutigen Standard hoffnungslos primitiv gewirkt haben mag, verlieh sie Pink Floyd seinerzeit eine spezielle visuelle Komponente, die ihnen diesbezüglich auch einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschaffte. Außerdem gelang damit auch eine Art Vorstoß in jenen Bereich, den Jenner als „Medienmix-Welt“ bezeichnet. Die Bandmitglieder waren empfänglich für die Idee, schließlich hatten sie auch schon die musikalische Begleitung zu Mike Leonards Licht-und-Sound-Workshop am Hornsey College of Art beigesteuert. Im März traten sie außerdem auf dem Lumpenball der University of Essex vor auf die Bühne projizierten Filmaufnahmen auf, die ein im Rollstuhl sitzender Student, während er durch London geschoben wurde, gefilmt hatte.
Aufgrund ihrer avantgardistischen Lightshow und Bühnenprojektionen wurden die Konzerte in der All Saints Hall immer mehr zum beliebten Gesprächsthema, obwohl einer der ersten Auftritte so spärlich besucht war, dass Syd sich im Scherz erlaubte, eine Rede aus Hamlet für die wenigen Anwesenden zu rezitieren. „Es waren vielleicht 20 Leute bei unserem ersten Auftritt“, gesteht Roger Waters. „In der zweiten Woche waren es dann 100, als Nächstes vielleicht 300 oder 400. Und irgendwann kamen viele gar nicht mehr rein.“
In Übereinstimmung mit ihrer politisch links orientierten Einstellung, die auch ihr Management teilte, sollte die Band schon bald bei einem Oxfam-Benefizkonzert (gemeinsam mit den Komikern Peter Cook, Dudley Moore und Barry Humphries) sowie einer Show im Roundhouse in Camden, bei dem für die Unabhängigkeit Rhodesiens geworben wurde, auftreten. Da aber die Free School ihre finanziellen Schwierigkeiten nicht abschütteln konnte, ließ Hoppy nicht locker und machte mit großem Eifer auf sein Anliegen aufmerksam. Inspiriert von der New Yorker Village Voice unterbreitete Hopkins unter anderem Barry Miles (später nur mehr Miles) seine Idee, eine kostenlose Zeitschrift für die alternative Szene zu initiieren. Miles hatte schon die Indica Bookshop and Gallery eröffnet – El Dorados für die hippe Szene und fixe Anlaufpunkte zu Besuch weilender amerikanischer Beatniks. Auch war er mit Paul McCartney befreundet. Die Zeitschrift, International Times, wurde somit aus der Taufe gehoben, um – in den Worten