Ron betrachtete das Bild, dann guckte er mir ins Gesicht, sah an mir herunter und fragte knochentrocken: „Waren seitdem wohl ein paar harte Jahre, was?“
Als Teenager war ich ein begeisterter Footballspieler. Mit 16 machte ich mein erstes Spiel für meinen neuen Club, St. Kilda City, der Nachwuchsmannschaft des Traditionsclubs und Calton-Konkurrenten St. Kilda, und gleich in der ersten Minute prallte ich mit einem riesengroßen Gegenspieler zusammen, der mich mit einem gut gezielten Stoß seines Ellenbogens ausknockte. Ich fiel um wie ein Stein, und als ich wieder zu mir kam, hörte ich als erstes, wie einer der Trainer sagte: „Eine so schlimm gebrochene Nase habe ich noch nie gesehen.“ Na, herzlichen Dank aber auch. Er wischte mir das Gesicht mit einem nassen Handtuch ab und fügte dann hinzu: „Sollen wir die mal wieder geradebiegen?“
Damit legte er mir seine schmierigen Pfoten auf beide Seiten meiner Nase, und es machte „Knack!“ und „Knirsch!“ Dann stellte er zufrieden fest: „Na also, das sieht man schon gar nicht mehr.“ Inzwischen war ich zwar schon wieder auf den Beinen, stand aber kurz davor, wieder umzukippen. Ich spuckte, schluckte, hustete Blut und sah nur noch schwarz-weiß. Meine Augen schwollen allmählich zu. Aber trotzdem schaffte ich es, bis zum Quartertime Break durchzuhalten, und unser Trainer kam zu mir und gratulierte mir zu meinem Durchhaltevermögen.
„Ich dachte, der hätte dich umgebracht“, sagte er über den frühen Schlag, der mich erwischt hatte. Dann fragte er, ob ich noch ein Quarter schaffen würde. „Das bisschen Schmerz bringt dich schon nicht um.“
Tatsächlich spielte ich weiter bis zur Halbzeitpause, und das noch nicht mal schlecht, aber in der Pause schwollen meine Augen vollständig zu, und damit war Schluss. Einige Tage lang konnte ich nichts sehen. Football war mir unglaublich wichtig, aber mein Selbsterhaltungstrieb und die Tatsache, dass ich – für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich gut genug und groß genug dazu war und tatsächlich überlebte – dazu eingeteilt worden war, bei St. Kilda zu spielen, standen einer Karriere als Profi-Footballer dann doch im Wege.
Und überhaupt wurde die Musik allmählich immer wichtiger. Von frühester Kindheit an war ich von Musik umgeben. Mein Vater war ein großer Fan von Nat King Coles seidiger Stimme. Meine Mutter hörte lieber Frank Sinatra. Aber mit Laura und John fing der Spaß erst richtig an. Bei ihnen liefen ständig Platten von Elvis Presley, Eddie Cochran, Fats Domino, Jerry Lee Lewis, Little Richard und Buddy Holly. Und mitten drin war ich und hopste noch in Windeln zwischen den groovenden Teenagern herum. Schon bald traten dann dank Judy auch die Beatles, die Stones und The Who in mein Leben. Jahre später, als ich mich mit dem Verkauf klassischer E-Gitarren beschäftigte, lernte ich George Harrison persönlich kennen, einen starken Typen und echten Gentleman.
Als ein paar Freunde anfingen, auf Gitarren herumzuschrammeln, war ich sofort mit dabei. Den ersten Bass kaufte ich mir aus dem Grund, aus dem heraus es die meisten Bassisten tun – aus reiner Notwendigkeit, weil niemand anders den Job übernehmen will. Ich sah mich schon bald als den nächsten John Entwhistle, den Killer-Bassmann von The Who. Mit Musikunterricht gab ich mich nicht allzu viel ab, was wahrscheinlich niemanden überraschen wird, der mich einmal hat spielen sehen. Die paar Stunden, die ich tatsächlich hatte, gab mir ein großartiger Gitarrist namens Tony Naylor, der bei Allan’s Music auf der Collins Street in Melbourne unterrichtete. Mein Kumpel Graham Kennedy und ich nahmen jeder vier Stunden, und danach guckten wir selbst, wie es weiterging.
Mit 15 sah ich mein erstes richtig großes Konzert mit Graham in der Festival Hall von Melbourne; die britischen Rocker von Free. Sie traten gemeinsam mit Manfred Mann’s Earth Band und Deep Purple auf, aber Free fegten die anderen geradezu von der Bühne. In diesem Augenblick wusste ich, dass ich in einer Band spielen wollte. Die Typen da oben waren so cool und auch noch sehr jung – Gitarrist Paul Kossoff war nur vier Jahre älter als ich. Plötzlich kam es mir gar nicht mehr so unrealistisch vor, von einem Rock’n’Roll-Leben zu träumen: Wenn diese Jungs es so weit gebracht hatten, warum dann nicht auch ich? Ich hatte schon andere Bands in der Festival Hall gesehen, darunter auch Creedence Clearwater Revival, die absolut phantastisch waren, aber Free waren für mich wirklich das Größte.
Meine Mutter unterstützte mich sehr in meinen musikalischen Ambitionen, auch wenn ich sie einmal schwer enttäuschte: Ich lehnte ihren Vorschlag ab, bei der Caulfield City Pipe Band Dudelsackspielen zu lernen. Keine Ahnung, wieso sie auf diesen Gedanken kam; meine Mutter hatte – und hat – gelegentlich ziemlich exzentrische Einfälle. Man stelle sich nur vor, was die anderen Mieter im Hilton gesagt hätten, wenn sie mich in einem Kilt erwischt hätten! Es ist wiederum eine ironische Wendung des Schicksals, dass mir ein wenig Dudelsack-Erfahrung durchaus gelegen gekommen wäre, als wir später „It’s A Long Way To The Top“ aufnahmen. Aber das konnte ich ja damals nicht wissen.
Aber meine Mutter nahm mir das nicht übel. Wenn sie bei uns im Hilton vorbeiguckte, dann hörte sie Graham und mir bei unseren ersten Versuchen auf sechs Saiten zu, wenn wir die Rolling Stones, The Who und all die anderen verhackstückten. Das war noch während unserer Akustikphase. Als die elektrischen Gitarren, die Verstärker und das Schlagzeug bei uns Einzug hielten, strapazierten wir ihre Geduld ein wenig stärker. Laute Rockbands in der Lernphase sind in einem zwölfstöckigen Hochhaus selten willkommen. Meine Mutter hatte zwar etwas gegen unsere Lautstärke, aber sie stand trotzdem immer hinter uns; die Musik sorgte ihrer Meinung nach dafür, dass wir nicht auf der Straße herumlungerten und uns mit der Polizei anlegten. Und das an sich war schon mal eine gute Sache.
Meinen ersten Bass kaufte ich im Oriental Pearl Loan Office auf der Chapel Street in South Yarra für 22 Dollar. Es war eine Pfandleihe, eine düstere, staubige, muffige Höhle, in der die verschiedensten schrägen Typen herumlungerten und auf eine Wendung des Glücks oder das Geschäft ihres Lebens warteten. Der Laden machte besten Umsatz mit „Gütern aus zweiter Hand“. Der Besitzer, ein kleiner Typ namens Neil, nahm als Bezahlung ohne weiteres den Gutschein der Sozialbehörde an, der eigentlich für meine Schulbücher ausgestellt worden war. Bei dem Bass handelte es sich um einen ziemlich schlechten Fender-Precision-Nachbau, der mich dazu zwang, rechtsseitig Bass-Spielen zu lernen, obwohl ich eigentlich Linkshänder war. Eigentlich hatte ich das Instrument umdrehen und wie Paul McCartney links herum spielen wollen, aber das funktionierte nicht, weil die tiefste Saite dann nicht mehr an den ganz äußersten Wirbel gereicht hätte. Die einzige Lösung wäre ein neuer Satz Saiten gewesen, aber ich hatte leider nur einen Gutschein zum Bezahlen gehabt. Also brachte ich mir bei, rechtsseitig zu spielen.
Als Linkshänder hatte man damals ohnehin jede Menge Schwierigkeiten. In der ersten Klasse hatte ich eine Lehrerin, eine absolut grauenhafte Frau, die Linkshänder nicht ausstehen konnte und alle „betroffenen“ Schüler links an die Doppeltische setzte. Dann ging sie mit gezücktem Lineal durch die Reihen und schlug alle Kinder auf die Knöchel, die sie mit einem Stift in der linken Hand erwischte. Wir Linkshänder wurden also regelrecht zum Rechtsschreiben geprügelt. Wer leicht stotterte, bekam von der blöden Ziege eins mit dem Gürtel übergezogen.
Ich investierte an der Prahran High nicht allzu viel Energie oder Zeit, und den größten Teil meines Wissens habe ich mir irgendwie selbst beigebracht. In den etwas mehr als fünf Jahren, die ich an dieser Schule war, gab es keine Woche, in der ich wirklich an allen Tagen erschien. Ich machte immer mal wieder blau. Und Hausaufgaben machte ich überhaupt nicht – kein einziges Mal. Aber trotzdem lavierte ich mich irgendwie durch und bewarb mich schließlich sogar um ein Stipendium für eine Ausbildung an einem Lehrer-College. Als Lehrer hatte man zehn Wochen Jahresurlaub, und schon allein das hatte seinen Reiz. Seltsamerweise fiel ich während der ganzen Zeit an der Prahran High nur in einem Fach wirklich mit Pauken und Trompeten durch – in Musik.
Schule war für mich eine Art Teilzeitvergnügen. Im Grunde schwänzte ich auch gar nicht, weil meine Mutter darüber Bescheid wusste, dass ich nicht hinging. Es war nicht ihre Art, mich zum Schulbesuch zu zwingen, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie mich deswegen zur Rede gestellt hätte. Ich nehme an, wenn meine Zensuren stark in den Keller gegangen wären, hätte es anders ausgesehen.
Es