Hrsg. Heike Wulf & Markus Veith
Schwarz-Gelb
der Tag, die Stadt, das Fieber
©2019 OCM GmbH, Dortmund
Gestaltung, Satz und Herstellung:
OCM GmbH, Dortmund
Verlag:
OCM GmbH, Dortmund, www.ocm-gmbh.de
ISBN 978-3-942672-74-0
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Die Hauptbeteiligten
Charlotte
eine Giraffenfrau voller Sehnsucht
Dominik
steht auf gut aussehende Fußballer
Eva
offizielle Ehefrau von Marcus Schneider
Finn
Rolfs cooler Sohn
Friede
Rolfs Bruder
Gisela
einsame Witwe mit Fußballabneigung
Gustav
genannt Schmidtchen Schleicher und obskures Subjekt der Begierde
Heinrich
ein Rentner voller Selbstgerechtigkeit
Ingrid
eine Haushaltshilfe ohne Skrupel
Jaqueline
12-jähriges Nachbarkind von Tilly mit großem Sachverstand
Jens
ein Totengräber zwischen den Fronten
Julia
Finns Freundin
Klemens
Baggerfahrer, wortkarg, aber mit Tiefgang
Madame Tussaud
Königspudel von Dominik mit unheilvoller Ahnung
Madeleine
Giselas erwachsene Enkelin, der harten Wirklichkeit ausgeliefert
Marcus Schneider
schwarz-gelber Stürmer
Marie
Jens’ Exfreundin, die sich Melody nennt, aber gern Eurydike wäre
Norbert
Ingrids Ehemann, noch skrupelloser
Rolf
ein besorgter Vater und Fan der Schwarz-Gelben
Tilly
Dominiks Tante mit heimlichem Faible für Sexvideos
Udo
Madeleines schlagkräftiger Freund
Ulla
gute Freundin von Gisela und Fußballbesessene
Zippy
entflogener Wellensittich mit Seltenheitswert
00:00 – 01:00
Der Sohn kann nicht schlafen
Winfried Thamm
„Und am Freitach abends früh inne Falle, fit wie die Äffchen, heißt dat Motto. Ihr müsst die schwindelich spiel’n, die Klötze vonne Oberstadt. Die sind groß und breit, aber lahm wie ’ne Schildkröte. Nich’ bis inne Puppen im Park rumknutschen un’ strubbelich saufen. Noch Fragen?“, hatte ihr Trainer beim letzten Training noch gemahnt.
Jetzt war es nach zwölf und er schlief immer noch nicht. Er starrte die dunkle Zimmerdecke an und wartete auf das nächste Auto. Dann wanderten immer die Scheinwerferlichter als helle Fenster-Vierecke durch sein Zimmer. Erst schmale Streifen, die dann zu breiten Lichtfeldern wuchsen und hinter dem Ikearegal zu verschwinden schienen. Das Dunkel danach war noch schwärzer und er fühlte sich wie ein Held, einsam und stark, in einem abgerockten Motel im weiten Niemandsland, irgendwo im Mittelwesten der Vereinigten Staaten, mit einem Schießeisen neben sich, auf seinen Mörder wartend. So ähnlich hatte er es einmal in einem Film gesehen. Das gefiel ihm.
Er hieß Finn, war sechzehn und konnte nicht einschlafen. Da kam ja auch alles auf einmal: um elf sein Spiel beim FC Lütgendortmund gegen die Oberstädter Spielvereinigung. Allein das Wort „Spielvereinigung“ war schon daneben. Die waren alle auf dem Gymnasium, hatten reiche Väter, mindestens drei Paar Fußballschuhe und die Nasen ziemlich weit oben. Es ging um nichts als die Ehre. Also um alles. Er ging zur Gesamtschule, wie die meisten aus seiner Mannschaft. Finn war Torwart. Er hatte ein bisschen Angst vor dem Ascheplatz. Die Hitze der letzten Tage hatte den Boden ausgedörrt und festgebacken, wie Beton. Er würde sich polstern müssen wie ein Michelin-Männchen. Denn ein ängstlicher Torwart ist immer ein schlechter Torwart.
Sein Vater Rolf konnte zu seinem Spiel nicht mitkommen. Das war auch gut so. Väter mischen sich gerne mal ins Spiel ihrer Söhne. Da war sein Vater keine Ausnahme. Und nichts fand Finn peinlicher als das. Rolf musste ins Geschäft, hatte einen kleinen Laden an der Ecke, zusammen mit Onkel Friedel: Obst, Gemüse, Lebensmittel, abends bis neun als Kiosk offen, damit sie über die Runden kamen, mit Bier, Chips, Zigaretten, Jägermeister und dem, was man im Supermarkt vergessen hatte; und mit sehr nackten Frauen in Heften unterm Ladentisch. Sein Vater wusste nicht, dass Finn das wusste. Er hatte eins, unterm Bett.
Rolf hatte sich bemüht, sich richtig angestrengt, und zwar früh genug und es hatte geklappt, hingehauen, funktioniert. Er hatte sie: zwei Karten, für ihn und seinen Sohn. Für das Spiel der Spiele: Schwarz-Gelb Dortmund gegen Blau-Weiß Gelsenkirchen, um halb vier, Heimspiel. Sie würden den Laden heute früher schließen, in der Stadt zusammen eine Pizza essen und dann zum Stadion fahren, er mit seinem Vater. Die Vorfreude formte seine Züge zu einem breiten Lächeln, ließ die Augen in der Dunkelheit funkeln. An Schlaf war nicht zu denken. Gut, dass er Torwart war und nicht so viel Kondition brauchte. Wenn sie gewinnen, sind sie Deutscher Meister, seine Helden in Schwarz-Gelb. Wenn sie versagen und Bayern gewinnt, war’s das. Knapp daneben ist auch vorbei. Vollpfosten. Aber das durfte nicht passieren. Finn ging in Gedanken noch einmal die Aufstellung durch. Die Abwehr stand, im Sturm fehlte die erste Spitze und die Blau-Weißen hatten den besten Torhüter der Welt. Aber so nah waren sie lange nicht mehr dran gewesen, an der Schale. Die machen heute den Sack zu, bestimmt, hoffte Finn.
Und dann war da noch Julia. Wie kann eine Frau von heute nur Julia heißen. Er hieß ja auch nicht Romeo. Doch für sie würde er sich sofort umtaufen lassen. Er würde sich vor allen zum Narren, zur Lachnummer machen lassen, einen Clown nach dem anderen frühstücken, wenn es ihr nur gefiele. Doch da stand sie nicht drauf. Sie war cool und das wäre voll daneben, out-of-brain, totpeinlich; ein extrem vollkrasses No-go, absolut. So sprach Finn gern, denn das war cool, so cool wie sie. Sie gingen miteinander, schon seit drei Wochen. Seine Kumpel machten schweinische Witze und waren picklig vor Neid. Sie waren Hand in Hand und Arm in Arm, wo sie gingen und standen und saßen, konnten nicht voneinander lassen. Sie küssten sich, auch so richtig, wenn alle dabei waren. Und sie fassten sich an, fast überall, wenn keiner dabei war. Selten genug.
Waren sie mit den anderen zusammen