Das alles zeigt, dass dieses System ökonomisch gesehen gescheitert ist und von einer stärker integrierenden Alternative abgelöst werden muss. Es gibt tausend Gründe, uns dieser Art von Globalisierung zu widersetzen. Sie darf nicht von Dauer sein, wenn es uns um die Zukunft der Menschheit geht.
Trotz der aufgezeigten Widersprüche leistet die Globalisierung des Eisenzeitalters einen unverzichtbaren Beitrag zur Globalisierung in einem weiteren Sinne. Sie schafft die Infrastruktur und die materiellen Voraussetzungen für die anderen Formen der Globalisierung: Sie hat die großen weltweiten Kommunikationskanäle hervorgebracht, sie hat das Netz von Handels- und Finanzbeziehungen geschaffen, sie hat den Austausch zwischen allen Völkern, Kontinenten und Nationen gefördert. Ohne diese Voraussetzungen wäre es unmöglich, von Globalisierungen ganz anderer Art zu träumen. Sie gingen immer mit der Ökonomie einher, ohne jedoch die Hegemonie innezuhaben. Nun, nachdem die materielle Globalisierung geschaffen ist, muss sich die menschliche Globalisierung ihrer innerhalb eines größeren und umfassenderen Rahmens bedienen und die Vorherrschaft anstreben. Sie vollzieht sich gleichzeitig auf mehreren Ebenen: der anthropologischen, der politischen, der ethischen und der spirituellen. Dies sind die anderen Formen der Globalisierung, die zur Zeit nicht die Oberhand haben. Doch unser Überleben auf der Erde hängt davon ab, ob es uns gelingt, dafür zu sorgen, dass diese anderen Formen der Globalisierung den Verlauf unserer Geschichte bestimmen und die gemeinsame Zukunft von Erde und Mensch garantieren.
Immer mehr breitet sich die – vom Westen ausgehende, aber keineswegs ausschließlich westliche – Überzeugung aus, dass jede Person, sofern sie Mensch ist, heilig und mit Würde ausgestattet ist (res sacra homo). Der Mensch ist ein Zweck an sich und kann niemals zum bloßen Mittel für irgendetwas degradiert werden. Er stellt ein unendliches Projekt dar, das sichtbare Antlitz des Mysteriums der Welt, Sohn und Tochter Gottes. Im Namen dieser Würde wurden die grundlegenden Menschenrechte, die Rechte der Person und die sozialen Rechte, kodifiziert. Sie wurden präziser gefasst als Rechte der Völker, der Minderheiten, der Frauen, der Homosexuellen, der Kinder, der Alten und der Kranken. Zuletzt wurde die dignitas terrae explizit ausformuliert. Sie umfasst die Rechte der Erde als eines lebendigen Superorganismus, der Ökosysteme, der Tiere und alles dessen, was lebt. Diese Rechte wurden unübertrefflich in der Erdcharta dargelegt. (Erdcharta, 2001)
Die Demokratie als universaler gelebter Wert auf allen Ebenen – in den Familien, den Schulen, den Gemeinden, den sozialen Bewegungen und Regierungsformen – durchdringt nach und nach die politischen Vorstellungen weltweit. Das heißt, jeder Mensch hat das Recht zur Teilhabe an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der er angehört und die er mit seiner Persönlichkeit und Arbeitskraft mitzugestalten hilft. Die Macht muss der Kontrolle unterworfen werden, damit sie nicht zur Tyrannei verkommt. Der Weg zu dauerhaften Lösungen ist der unermüdliche Dialog, die beständige Toleranz und die permanente Suche nach Übereinstimmungen in den Unterschieden, und nicht die Gewalt. Der Friede ist zugleich Methode (der Imperativ, stets friedliche oder die am wenigsten zerstörerischen Mittel zu gebrauchen) wie auch Ziel. Er ist die Frucht der Fürsorge eines jeden für alle, für das Gemeinsame Haus und für die unverzichtbare gesellschaftliche Gerechtigkeit. Die Institutionen, so sehr sie sich auch voneinander unterscheiden mögen, müssen ein Mindestmaß an Gerechtigkeit, Gleichheit und Transparenz verwirklichen.
Ein Minimalkonsens für eine globale Ethik konzentriert sich auf die humanitas (Humanität); wir alle und jeder Einzelne von uns sind deren Träger. Die humanitas ist mehr als ein Begriff; sie ist das tiefe Empfinden dessen, dass wir Brüder und Schwestern sind, denselben Ursprung haben, dieselbe natürliche Ausstattung in physikalisch-chemischer, biologischer, soziokultureller und spiritueller Hinsicht haben und dasselbe Schicksal miteinander teilen. Wir müssen alle der Goldenen Regel entsprechend menschlich behandeln: „Handle am anderen so, wie du selbst von ihm behandelt werden willst.“
Die Ehrfurcht vor dem Leben, die unbedingte Achtung den Unschuldigen gegenüber, die Wahrung der physischen und psychischen Integrität der Personen und aller Schöpfung, die Anerkennung des Rechtes des Anderen, in seiner jeweiligen Besonderheit zu leben – das sind die Grundpfeiler, auf denen die Gesellschaftsfähigkeit des Menschen, die Werte und der Sinn unserer kurzen Reise auf diesem Planeten ruhen.
Es begegnen einander die spirituellen Erfahrungen aus Ost und West, der Ureinwohner und der heutigen Kulturen, und es kommt zu einem Austausch ihrer Weltsichten. Durch sie macht sich der Mensch von Neuem fest an der ursprünglichen Quelle allen Seins, er knüpft ein geheimnisvolles Band, das das gesamte Universum durchläuft und alle untereinander verbundenen Dinge wieder vereint in einem dynamischen, nach oben und vorne offenen Ganzen. Diese spirituellen Erfahrungen, die sich in unterschiedlichen Religionen und Wegen konkretisieren, sind es, die des Menschen Innerlichkeit bilden und die weitesten Horizonte entwerfen, die dieses Universum überschreiten und sich dem Unendlichen öffnen. Nur in dieser Dimension der Überschreitung und Überwindung eines jeden Maßes, von aller Raum-Zeit und aller Sehnsucht empfindet sich der Mensch wahrhaft als Mensch. Diese Lektion haben uns bereits die griechischen Meister gelehrt, als sie sagten, dass der Mensch nur im Raum des Göttlichen in vollem Sinne Mensch sei.
Das menschliche Zeitalter der Globalisierung hat sich noch nicht durchgesetzt. Doch man kann bereits seine Elemente erkennen, die wie ein Sauerteig Geschichte und Bewusstsein durchdringen. Dieses Zeitalter wird eines Tages ruhmreich anbrechen. Es wird die neue Geschichte der Menschheitsfamilie einleiten, die so lange ihre gemeinsamen Ursprünge und ihr Mutterhaus gesucht hat.
Nach und nach bricht eine neue Ära an, die sich durch eine neue gemeinsame Hochachtung, Verehrung und Zusammenarbeit zwischen Erde und Mensch auszeichnet. Es handelt sich um die Ära der ganzheitlichen Ökologie und der im Herzen verankerten Vernunft. Die Menschen nehmen die Tatsache ernst, ein Moment innerhalb eines Gesamtprozesses von Milliarden anderen Momenten zu sein. Sie werden sich dessen bewusst, dass sie ein Netz von lebendigen Beziehungen bilden, für welche sie mitverantwortlich sind. Sie können das Leben, die Ökosysteme und die Zukunft Gaias entweder stärken oder sie weiterhin bedrohen, sie können das Scheitern heraufbeschwören und die Biosphäre vernichten.
Nach so vielen Eingriffen in die Rhythmen der Natur werden wir uns dessen bewusst, dass wir das, was von der Natur noch übrig ist, erhalten und wir sie von den Wunden heilen müssen, die wir ihr zugefügt haben.
Diese Sorge muss alle betreffen und die neue Ära der Globalisierung begründen. Der utopische Traum dieser Phase ist es, den Menschen zu humanisieren zu versuchen – den Menschen, der vor der Herausforderung steht, ausgehend von seiner Besonderheit als gemeinschaftsfähiges, kooperatives, zum Mitleid fähiges und ethisches Wesen zu leben, das in seinem Handeln die Verantwortung dafür übernimmt, dass es dem Ganzen zum Wohl gereicht. Diese Utopie muss innerhalb der Widersprüche, wie sie für jeden historischen Prozess unvermeidlich sind oder wie sie aus Interessenskonflikten hervorgehen, konkrete Gestalt annehmen. Doch sie wird einen neuen Horizont der Hoffnung erschließen, der den Weg der Menschheit in die Zukunft ermöglicht.
Es wird immer Widersprüche und Stolpersteine geben, denn die Wirklichkeit ist stets sym-bolisch und dia-bolisch zugleich. Diese Tatsache muss man im Auge behalten, doch im Glauben daran, dass der gesamte Prozess von einer kosmischen Kraft durchdrungen ist, die ihn stets vorwärts treibt und nach oben bewegt.
Aus dieser Sichtweise geht eine neue Ethik hervor. Von allen Richtungen her werden anfanghaft Kräfte sichtbar, die ein neues menschliches und ökologisches Verhaltensmuster anstreben oder bereits ausprobieren. So groß die Schwierigkeiten auch sein mögen: Es wird immer stärker werden und schließlich die Oberhand gewinnen. Es wird das werden,