Bertha T. Thompson ist Wochen vor dem Covid 19- Drama in Rhiad gelandet, der saudischen Hauptstadt, in der auch Donald Trump vor vier Jahren einschwebte, zu seiner ersten Auslandsreise als Staatsoberhaupt der USA. Sie fliegt als Captain für „Federal Express“. Sie kam erstmals aus Shanghai in Saudi Arabien an, mit kostbarer Fracht: Computer. Ground control, die Rollkontrolle, hatte dem Vollfrachter die parking position zugewiesen. Bertha ist eine jener Frauen, die als „tough“ qualifiziert werden können. Ich kann das bestätigen.
In Montmartre hatten wir uns, vorübergehend, eine Wohnung geteilt, eine sexlose WG. In ihrer Freizeit startet Bertha in Oldtimer-Langstreckenrennen im eigenen Mercedes-Benz-Cabriolet. In ihrem Heißluft-Ballon gondelt sie über die Alpen. Männer, die an Berthas Brüsten die verlorene Mami wiederfinden wollen, zumindest dieses wohlige, vertraute Gefühl von Wärme und Geborgenheit, müssen wahrscheinlich nach zwei Stunden Liebestaumel von der Flugzeugführerin die Frage hinnehmen: „War das alles?“
Das baut den Mann auf, keine Frage.
Ein am Place de Fürstenberg etablierter Galerist, der mit der Pilotin Bett und Rennauto teilte, hat mir seine Leidensphase bestätigt, die ein Saudi in anderer Form in Rhiad erlebte. Bertha, US-Bürgerin, wartete im Cockpit ihres Jets auf der ihr vorgeschriebenen Parkposition auf Vertreter des Ramp Services, einen Lademeister und einen für die Betankung zuständigen Agenten. Nach 20 Minuten Wartezeit rollten die Saudis eine Treppe an den Airbus. Der Gentleman, der an die Tür klopfte, trug ein langes, weißes Gewand, geschnitten wie ein deutsches Nachthemd zu Kaisers Zeiten. Offenbar verwirrte ihn das Weib, das sich vor ihm auftürmte, 1,80, uniformiert, offenes, langes Haar.
„Where is your captain?“, wollte er wissen.
„I am the captain“, antwortete Bertha, der die Verunsicherung des Arabers nicht entgangen war. Ihre Uniformjacke war, züchtig, geschlossen. Ganz sicher. Vielleicht waren ihre marylin-ähnlichen Rundungen zu erahnen, aber das war nicht ihr Problem, allenfalls ein Geschenk der Natur.
„Where is your co-pilot?“, setzte der Saudi nach, wohl auf männlichen Beistand hoffend.
„Gioia!“, rief die Flugzeugführerin in Richtung Cockpit, „Gioia, I need your help“.
Die 33-jährige Co-Pilotin, Römerin, Mutter, ein Kind, trat nun in die Tür, die Bertha und Gioia vom saudiarabischen Territorium trennte. Der Handling Agent schwieg, drehte sich auf seinen Sandalen und eilte die Treppe hinab. 30 Minuten später fuhr ein schwarzer Range Rover vor. Die Fenster waren mit Vorhängen verschlossen. Ein Saudi, schwarzer Anzug, Leinen, passende schwarze Loafer, informierte die aus zwei Frauen bestehende Crew: „In Ihren Uniformen dürfen Sie das Hotel nicht verlassen. Falls Sie das vorhaben, dann nur in traditionellen Kleidern, die bis zu Ihren Knöcheln reichen.“
Der Saudi transportierte die Pilotinnen direkt in die Tiefgarage des Hotels. In einem Lastenaufzug erreichten die Frauen ihre Zimmer. 15. Etage. Königreich Saudi Arabien, zwischen Falken und dem 21. Jahrhundert. Bertha und Gioia bestellten den Roomservice und schalteten ihre Fernseher auf CNN.
Eine Rolls-Royce-Jahresproduktion für Ibtissam
Für eine Frau wie Ibtissam wäre die Monatsproduktion von Rolls Royce für einen Eheinteressenten, einen saudischen Thronfolger beispielsweise, allenfalls die Anzahlung. Ibtissam belohnte sich für ihre sexuelle Askese mit Essen, vor allem Kaviar, Austern und Hummer. Na ja, und mit einigen diamantenbesetzten, goldenen Armbanduhren der von ihr geschätzten Marken Patek Phillip oder Vacheron Constantin. In ihrer unendlichen Phantasie verhielt sich meine arabische Gefährtin gelegentlich so, wie es schwangeren Frauen angedichtet wird, die von ihren Männern als Liebesbeweis Unmögliches fordern, und das vorzugsweise zwischen drei und fünf Uhr morgens: „Ich träume von Lammhirn“, hauchte sie in unserer ersten gemeinsamen Nacht auf getrennten Lagern. Ersatzweise in gewürztem Wasser gekochte Schnecken. Nur, in den Restaurants auf dem Place Dauphine gab’s nach Mitternacht ums Verrecken kein Hirn, und die Schnecken, die auf der Tageskarte angeboten werden, sind in Knoblauchbutter ertränkt. Wir näherten uns zum Lunch folglich erneut einer Alternative zwischen Kaviar und Spaghetti – bis Franz Joseph, der trotz seines kaiserlichen Namens Franzose war, ein banales Steak anbot, na gut, mit Trüffeln. „Ja, ja, das würde mich schon reizen“, sagte sie. „Nur, ich muss halal essen.“ Also Fleisch, das nach vorgegebenen muslimischen Ritualien bearbeitet wird, einschließlich des Schlachtens selbst.
„Halal und Halali, was ist da der Unterschied“, trompetete der offensichtlich korankundige Koch, und garantierte meinem Gast, in seinem Restaurant würde jede Speise nach religiösen Richtlinien angerichtet werden. Für sie sogar mit Blick auf Mekka.
Ibtissam schnitt zwei Bissen vom Steak und hatte plötzlich keine Lust mehr für eine derartig schweißtreibende Tätigkeit. „Darling, schneide mir bitte das Fleisch.“
Immerhin, wir näherten uns. Darling, der Startschuss für so manche Katastrophe zwischenmenschlicher Beziehungen.
Ihre hemmungslose Bestätigung, sie habe nie ungekochte Spaghetti gesehen, weil sie weder Lebensmittelmärkte betrete noch irgendwelche Küchen, zeugten nicht von Ignoranz und kindlicher Naivität allein, sondern enthielt auch die Botschaft, sie sei schrecklich verwöhnt und werde sich nicht dazu herunterlassen, für einen Mann in Kochtöpfen zu rühren. So gesehen hatte sie ihre Gleichberechtigungsgrenzen abgesteckt. Warum sollte die Tochter eines ölgetränkten Wüstenfürsten sich überhaupt mit derartig banalen Geschichten befassen. Küche? Ungekochte Spaghetti? You must be kidding! Kochbücher. Spielerei, eine Sandkiste für frustrierte Erwachsene, die beim Schneiden von Zwiebeln Kinderlieder singen. Warum sollte sie Rosenkohl entblättern und das Waschen von Blattsalat einem Opernabend vorziehen? Ja, warum? Ibtissam schleppte 40.000 Dollar in Travellerschecks mit sich herum, die berühmte eiserne Reserve. Diese Araberin wartete nicht vor dem Louis-Vuitton-Palast am Champs-Élyseés mit 436 Japanerinnen, 789 Südkoreanern, zwei Pinnebergerinnen, drei Burmanesinnen und einer vom Herrscher Kim Jong-un mit dem Taschenkauf für seine geliebte Genossin Ehefrau Ri Sol-Ju beauftragte Nordkoreanerin in der unendlichen Schlange, die vor dem gläsernen Eingang steht, wie eine Kerzenlose Lichterkette.
Feilschen entsprach nicht ihrem Kontostand
Ibtissam ließ die Luxusverkäufer, in der Vor-Virus-Zeit, in ihrer Hotel-Suite antreten, die um Mitternacht wie ein arabischer Basar wirkte. Leere Schuhkartons, ein Chanel-Abendkleid, zwei weitere Louis-Vuitton-Koffer, eine Halskette, schlicht, massives Gold, 18 Karat, die ihr ein echter Prinz empfohlen hatte. Der war, vor Jahren, bei einem Edeljuwelier, Harry Winston, an der Avenue Montaigne für die VIP-Kunden abgestellt. Schließlich war auch er eine Hoheit. Sein Vater war König. Kurzfristig. Die in einer Chanel-Tüte verpackten Birkenstock hatte Ibtissam sich – angeblich – von Karl Lagerfeld aufquatschen lassen, wegen des Gehkomforts. Sie war eine der Kundinnen des Couturiers gewesen und hatte bei Karl über Rückenschmerzen geklagt, weil sie hin und wieder bedauert werden wollte. Der PR-geschulte Lagerfeld nahm Maß und schickte eine Assistentin mit den Gesundheitsschuhen in die Nobelherberge.
Ibtissam verfügte über ein Dutzend Kreditkarten und fragte nie wirklich nach dem Preis. Das Feilschen, das die heimatlichen Basaristen zur Perfektion erlernen, ermüdete sie. Handeln entsprach nicht ihrem Kontostand.
Sie blieb nur eine Nacht bei mir, dann war ihre Suite im Plaza Athenée bereit und endlich konnte sie die Zimmerkellner zu nächtlicher Stunde damit nerven, ihr umgehend ein Dutzend Austern zu servieren, weil sie im arabischen Satelliten-Fernsehen gesehen hatte, dass das Fleisch der Meeresfrucht offenbar die Haut glättet.
Am nächsten Tag bestellte Ibtissam mich ins Hotel, weil sie Begleitung zum Kauf von sechs Kartons eines Kosmetik-Produkts namens „La Prairie“ benötigte, mit Austernextrakt veredelte Haut- und Körpercremes. Natürlich wollte sie danach nur noch bei „Marius&Jeanette“ an der Avenue George V reservieren, weil der Concierge ihr das Lokal wegen der außergewöhnlichen Austernauswahl empfohlen hatte. Ein weiterer Grund: Sie konnte das Restaurant zu Fuß erreichen, 388 Meter Fußweg.
Meine verhätschelte Freundin hat ihren Aston Martin tatsächlich einmal durch Paris gesteuert. Ein Hotelpage begleitete sie, damit Ibtissam die Adresse finden konnte, das „Ritz“, am Place Vendôme. Zwei Kilometer Luftlinie, die sie im zweiten