Kurzer Lebenslauf von Adolf Haas
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Karte des Deutschen Reiches mit Lebensstationen von Adolf Haas
1 Cuxhaven – Ausbildung zum Matrosenartilleristen in der „Stammabteilung der Marineartillerie-Abteilung Kiautschou“: ca. 10.1913–12.1.1914 (Kap. 1.1 und 1.2)
2 Hamburg-Langenhorn – Reservist beim SS-Panzergrenadier-Ersatz-Bataillon 18: ab ca. 16.3.1945 (Kap. 6.2)
3 Hamburg-Neuengamme – Gerichtsbeisitzer eines SS- und Polizeigerichtes im KZ Neuengamme: 14.4.1945 (Kap. 6.2)
4 Bergen-Belsen (bei Celle) – Kommandant von Bergen-Belsen: 7.5.1943–2.12.1944 (Kap. 5)
5 Oranienburg – Ausbildung zum Schutzhaftlagerführer im KZ Sachsenhausen: 1.3.1940–1.6.1940 (Kap. 3)
6 Berlin – Antrittskonferenz von Oswald Pohl mit 14 KZ-Kommandanten: 24.4.1942 (Kap. 4.3)
7 Niederhagen/Wewelsburg – Lagerführer und später Kommandant von Niederhagen/Wewelsburg: 17.6.1940–7.5.1943 (Kap. 4)
8 Wuppertal-Barmen – Arbeit als Konditor: ca. 1911–1913 (Kap. 1.1)
9 Siegen – Geburtsort: 14.11.1893 (Kap. 1.1)
10 Hachenburg – Kindheit und Schulzeit: ca. 1894–1908 (Kap. 1.1); Familiengründung, Tätigkeit als Bäcker und SS-Führer: 1920–1936, 1937–1940 (Kap. 1.4 und 2); Fronturlaub und Abschied von Familie: 15.3.1945 (Kap. 6.1)
11 Westerburg – Führer des III. Sturmbanns der 78. SS-Standarte: 1937 (Kap. 2.5)
12 Mogendorf – Beteiligung am Novemberpogrom: 10.11.1938 (Kap. 2.7)
13 Limburg (Lahn) – Führer des III. Sturmbanns der 78. SS-Standarte: 1935 (Kap. 2.4)
14 Wiesbaden – Ausbildung zum Konditor: ca. 1908–1911 (Kap. 1.1); SS-Führer des I. Sturmbannes der 78. SS-Standarte, auch kurzzeitiger Wohnsitz: 1936 (Kap. 2.4)
15 Mainz – Untersuchungshaft: 18–27.7.1934 (Kap. 2.3)
16 Bad Kreuznach – Arbeit als Konditor: ca. 1911–1913 (Kap. 1.1)
17 Mannheim – Arbeit als Konditor: ca. 1911–1913 (Kap. 1.1)
18 München-Dachau – Lehrgang in der SS-Führerschule Dachau: 10.10.–10.11.1937 (Kap. 2.5)
Vorwort von Kirsten John-Stucke, Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg
Mit der vorliegenden Biografie über Adolf Haas, den Lagerkommandanten des KZ Niederhagen/Wewelsburg und des KZ Bergen-Belsen, stellt Jakob Saß einen wichtigen Beitrag für die Forschungen zu nationalsozialistischen Konzentrationslagern und ihrer Führungsriege vor. Zu Adolf Haas, der in Sachsenhausen ausgebildet wurde, um dann zunächst in Wewelsburg und später in Bergen-Belsen KZ-Kommandant zu werden, gab es bisher keine eigenständige Studie, in der seine widersprüchliche Persönlichkeit untersucht worden ist, zu dünn und unübersichtlich erschien lange Zeit die Aktenlage. Es ist daher das Verdienst von Jakob Saß, die wenigen erhaltenen Dokumente zusammenzutragen, akribisch auszuwerten und zusammen mit den in den Gedenkstätten gesammelten Erinnerungsberichten der Überlebenden aus Wewelsburg und Bergen-Belsen sowie weiteren Zeitzeugenberichten zusammen zu bringen. Es gelingt ihm auf diese Weise, die Biografie von Adolf Haas aus unterschiedlichen Perspektiven heraus intensiv zu durchleuchten und zu bewerten.
Täterbiografien bilden mittlerweile in den meisten Gedenkstätten für NS-Opfer in Deutschland einen wichtigen Bestandteil der pädagogischen Vermittlungsarbeit. Biografische Zugänge, Werdegänge von SS-Männern, ihre Sozialisierungsprozesse und Ambitionen, helfen, das Selbstverständnis und den Aufbau dieser verbrecherischen Organisation zu verstehen und Einblicke in die ideologische Weltanschauung der Schutzstaffel (SS) zu geben, die sich selbst als Elite der „nordisch-arischen Rasse“ verstand. Eine rassistische und menschenverachtende Ideologie, deren radikale Umsetzung und Konsequenz zur Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich zur Ermordung von Millionen Menschen in Deutschland und Europa führte. Durch die biografischen Zugänge werden die Akteure und Akteurinnen greifbar und dadurch gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen und Strukturen im NS-Verfolgungsapparat leichter verständlich.
Jakob Saß lässt die biografische Studie nicht mit dem ungelösten Verschwinden des ehemaligen Lagerkommandanten im April 1945 enden, sondern beschreibt sehr ausführlich auch die Bemühungen der Nachkriegsjustiz, Adolf Haas aufgrund seiner verbrecherischen Taten während seines Kommandos in den Konzentrationslagern – mehr als 3000 Häftlinge starben in dieser Zeit – anzuklagen. Gerade die Darstellung des gesellschaftlichen und juristischen Umgangs mit den Verbrechen des NS-Täters und die Recherchen im familiären Umfeld zeigen die aktuelle Relevanz des Themas bis heute. Die meisten der SS-Täter konnten sich nach dem Krieg einer strafrechtlichen Verfolgung entziehen. Doch stellt sich die Frage, wie denn die Gesellschaft und die Familien der SS-Täter mit den Verbrechen der SS-Täter umgegangen sind.
Jakob Saß‘ Studie über Adolf Haas‘ Leben und die juristische und familiäre Aufarbeitung bietet viele aktuelle Ansatzpunkte zum Nachdenken und zum Diskutieren. Ich wünsche dem Buch daher viele aufmerksame Leserinnen und Leser.
Kirsten John-Stucke
Kreismuseum Wewelsburg, Januar 2019
Vorwort von Thomas Rahe, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen
Adolf Haas, der erste Kommandant des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, ist bisher kaum Gegenstand der Historiografie geworden. Weder die Forschungsliteratur zur Geschichte der Konzentrationslager Niederhagen/ Wewelsburg und Bergen-Belsen noch die einschlägigen Studien zu SS-Tätern gehen ausführlich auf seine Lebensgeschichte und insbesondere seine Bedeutung als KZ-Kommandant ein. Das mag auch darin begründet sein, dass seine SS-Karriere im Schatten seines Nachfolgers Josef Kramer steht, der seit 1933 im KZ-Dienst tätig war, 1944 als Kommandant von Auschwitz-Birkenau im Zentrum des Holocaust agiert hatte und 1945 im ersten KZ-Prozess auf deutschem Boden als prominentester Angeklagter in einem aufsehenerregenden Verfahren wegen seiner Massenverbrechen in Auschwitz und Bergen-Belsen zum Tode verurteilt und gehängt wurde.
Anders als Kramer hat Adolf Haas nie vor Gericht gestanden, sodass zu ihm und seinem Handeln in den Konzentrationslagern keine Prozessakten vorliegen. Auch hat er keine Diensttagebücher, Memoiren oder Reden hinterlassen. Wie in vielen ähnlichen Fällen waren und sind die Angehörigen nicht bereit, der Forschung Einblicke in die familiäre Überlieferung zu geben, wie Dokumente, Briefe und andere persönliche Aufzeichnungen, oder für Interviews zur Verfügung zu stehen.
Die Häftlingstagebücher aus den Konzentrationslagern wie auch die Erinnerungsberichte und Interviews der Überlebenden zeichnen ein widerspruchsvolles Bild von Adolf Haas, das nicht recht in die gängigen Schemata der NS-Täter passt.