Kunden finden und zufriedenstellen, »nicht renditeorientierte Dienstleistungen« (Unger) mit dem Dienst an der Rendite verbinden: So läuft heute produktpartnerschaftlich die Arche Noah des Non-Commercial- und des Commercial-Marketings vom Stapel. »Vieles, was wir uns heute gar nicht vorstellen können«, sei möglich, versicherte Hensel, und einen Vorgeschmack darauf bietet zuletzt und in schärfster Avantgardehaltung die 1999 gegründete Marketingplattform »Klösterreich«, die derzeit zwanzig Klöster, Orden und Stifte aus fünf Bundesländern Österreichs und aus Ungarn zusammenschweißt, auf daß sie der häßlichen Managermode des »Klosters auf Zeit« das Mäntelchen des »qualitativen Kultur- und Gesundheitserlebnisses« umhängt.
Orte der Einkehr und Besinnung sollen Klöster sein, und bei »abnehmenden religiösen, kirchlichen Bindungen« kommen sie jetzt der »zunehmenden Nachfrage nach sinnstiftenden Angeboten« entgegen. Aus der Karl Krausschen Wortspielhölle emporgestiegen, rangiert die kulturtouristische Abteien-Kooperative an der Spitze des neusten Bildungs- und Selbstfindungsgedröhns. Das Ende einer Entwicklung besiegelnd, die vom Sight-Seeing (70er) übers Life-Seeing (80er) und das Life-Styling (90er) zum nunmehrigen Life-Feeling führte, will man die »Orgel im Bauch spüren« (Hensel) und ein »Dach für die Seele« überm Kopf, derweil der Magen »edle Tropfen« aus den Klosterkellern und Heilkräuter aus den Klostergärten verlangt. Wie diese Ausgeburt an teuflischem Beherbergungstinnef als »innerlich bereicherndem Tourismus« und »organisierter Gastfreundschaft« zu promoten ist, erläutert Hermann Paschinger, der Medienoperator für die »Qualitätsvereinigung ›Klösterreich‹«: »Von Gästen bevorzugte Motivbündel wie ›Kultur und Geschichte erleben‹, ›Spiritualität‹ und ›Essen, Trinken, Kaufen‹ können von Stiften & Klöstern besonders gut abgedeckt werden. Das Motto lautet daher: ›Österreichs Stifte & Klöster – Ein Erlebnis für Leib & Seele‹.« Oder reichen wir, über das Kraut der »Themenwege« (»Klangreich – Orgel und Musik« etc.) und rauchende Rüben (»Kloster for Kids als Entdeckungsreise in das Stift Altenburg«) hinweg, dem Würdenträger Abt + Joachim F. Angerer, Stift Geras-Pernegg, die Kerze des Wortes: »Der Mensch also ist es, der zählt, und Menschlichkeit ist unsere Verständigung.«
Gegen diesen bigotten Kirchentourismusturbokapitalismus nimmt sich das Wittenberger Stadtfest »Luthers Hochzeit« wahrlich gottgefällig und fromm aus. Da wurde im »Rom der Protestanten« zum neunten Mal ein Laiendarstellerehepaar durch die Straßen geleitet, Martin L., dem Freund des gehorsamen, gebärfreudigen Weibes, zur Ehr’, und unter den profan-zeremoniellen Klängen der Spielleut’ und Landsknechte begann des Bürgermeisters Herz zu lachen – angesichts der vielen fröhlichen Gesichter und des sich füllenden Gemeindesäckels.
Wie sprach der Herr Zentner vom Luther-Zentrum? »Kirche vermarkten zu wollen ist ein sensibles Geschäft, auf das sich beide Parteien mit viel Leidenschaft einlassen müssen.« Und Herr Hensel echote: »Kirche und Tourismus sind ein schönes Paar.« Ob Gottes Segen auf ihm ruht?
Leise rieselt der Milzbrand
Es ist schon bizarr, ja zuweilen traumhaft dämlich, was die Werbewirtschaft so treibt – ein Gewerbe, das sich gerne selbst den Nimbus der überkreatürlich Kreativen verpaßt und behauptet, die wortgewandtesten, bildmächtigsten, ideenreichsten Kräfte zu beschäftigen. Dieses semimondäne Metier der, beim Lichte der arg außer Kurs geratenen Aufklärung besehen, windigen Trendsetter und -server bringt indes wenig anderes hervor als eine unendliche Menge an poliertem Müll, buckligen Metaphern und elenden Überredungsübungen.
Bereits ein kurzer Blick in ein beliebiges lokales Anzeigenblatt liefert stichhaltige Beweise genug. Der Metzger macht es nicht mehr unter »Superschnupperzuschnapppreisen«, und das Hi-Fi-Geschäft annonciert nicht bloß »Powerpreise«, nein: neuerdings sogar »Pauerpreise«. Was immer das beim Käufer erwirken mag, es wird so hingeschrieben. Ähnlich haltlos handelt etwa die deutsche Bierwirtschaft, wenn sie durch nahezu eine halbe Milliarde Euro jährlich neologistischen Nonsens und Kalauerkram wie »Harzhaft frischer Biergenuß« (Hasseröder Pils) oder »Einst steht fest: Ein Eichbaum« (Eichbaum Biere, Mannheim) alimentiert.
Trotz der offenkundigen Tatsache, daß in der Werbung generell der Flachsinn regiert, umtreibt Markus Voeth, Professor an der Duisburger Gerhard-Mercator-Universität und Inhaber des – doch, das muß es jetzt wirklich geben – »Lehrstuhls für Marketing«, die Sorge, die PR-Maßnahmen verlören deutschland- und weltweit jene Qualität oder Seriosität, die sie nie besaßen. Daher dürfen sich Interessierte und professionelle Werbewächter via Website (www.marketingflops.de) an der von Voeth initiierten Wahl zum »Goldenen Marketingflop« beteiligen. Der Preis wird verstanden als Ergänzung zu den zahllosen Ehrungen, die gelungene Anzeigen und Spots feiern, beispielsweise zur Cannes-Rolle.
Eine Art Ethikrat also, vergleichbar der Jury der Gesellschaft der deutschen Sprache, die das »Unwort des Jahres« auslobt? Zwanzig Kandidaten sind jedenfalls mit Unterstützung der Zeitschrift Absatzwirtschaft auserkoren worden, zwanzig Pappenheimer, die »gegen einfachste Marketingregeln verstoßen« (Voeth) und den armen Konsumenten irregeführt bzw. sich selbst ins Knie geschossen haben.
Den ersten Rang unter den »unfreiwillig amüsanten Mißgriffen« (Spiegel Online) sollten die Verantwortlichen des deutschen Netzbetreibers Quam ergattern. Im November 2001 enterte die Tochter der spanischen Telefonica und der finnischen Sonera den Mobilfunkmarkt, fackelte eine 50 Mio. Euro teure Kampagne ab und hatte es allerdings versäumt, für die Kompatibilität mit D1, D2 vodafone u. a. zu sorgen, so daß die potentiellen Kunden nicht zu erreichen gewesen wären. Konsequenz: Im Dezember verkündete Quam beleidigt, den Weihnachtsverkauf »aus Protest« zu stoppen. Parbleu!
Nicht minder gewitzt und gewieft hatte D2 vodafone noch Mitte Oktober auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen herumposaunt: »Ab in die Sonne – telephonieren, was der Sommer hält.« Und: »Der Sommer wird heiß.« Telegate, Verona Feldbuschs Arbeitgeber, andererseits ließ sich nicht lumpen und den Asphalt der Düsseldorfer Neureicheneinkaufsmeile Königsallee durch den Schriftzug »Da werden Sie geholfen« veredeln. Die taufrische Farbe trugen der Kundinnen Stöckelschuhe in die piekfeinen Boutiquen, wo dann Schluß mit Kichern war. Ende des Liedes: eine fette Rechnung der Stadtreinigung.
Zwar nicht den Ort, aber den Zeitpunkt verfehlte ein Bravourstück der Marketingfachleute der französischen Wintersportregion Savoyen, als man im Oktober in Nantes 25.000 Päckchen mit Kunstschneeproben, die dem Buchungswillen auf die Sprünge helfen sollten, per Post unters Volk pfefferte und sofort Milzbrand-Panik auslöste. Ebensowenig gebrannt hatte das wiederum eher deutsche Volk auf ein angekündigtes VW-Modell namens »Phaeton«. Phaeton, Sohn des Helios, fuhr – in der griechischen Mythologie – den Sonnenwagen zu Bruch, stürzte auf die Erde hinunt’ und verkohlte, die Welt loderte. Bezeichnenderweise trug die Volkswagenkarre zugleich den Projektnamen »D1«.
Drollige Vorgänge, gewiß. Die blamable Imageanstrengung Rudolf Scharpings, der der BUNTEN mallorquinische Badeimpressionen mit Gräfin Pilati-Borggreve spendierte, während die Bundeswehr gen Mazedonien ausrückte, geriet genauso zum Komplettreinfall wie RTLs Aktion Anfang Januar 2002, einen Millionär bildschirmwirksam mit einer ihm Unbekannten zu vermählen. Wenige Tage nach der Ausstrahlung flog auf, daß Mogelaspirant Thomas Tepe lediglich seine Freundin in die Sendung gelotst hatte; was die Firma August Gerstner GmbH (Pforzheim) freilich nicht daran hinderte, ihren Twister-Ehering weiter mit Bezug auf die RTL-Braut zu beplärren.
Doch, Werbung darf, einem alten Tucholsky-Wort zufolge,