Die Olympischen Spiele sind vorbei, das ist für Radiohörer und Zeitungsleser angenehm. Fernsehn ist ohnehin längst geknickt, weil man vom Anblick der Fahnenschwenker Augenstechen und vom »Gold!«-Rauschgebrüll Ohrenthrombose bekommt. Kommentatoren, die sich vor dem Medaillenspiegel drehen und kucken, ob dort etwas Nationales herausscheint, in dem sie sich sonnen können, sind in den Pausenmodus versetzt, und wer seine Lebenszeit der Frage widmet, ob »Deutschland in der Weltspitze noch eine Rolle spielt«, kann damit wenigstens eine zeitlang nur sich selbst und Seinesgleichen zu Tode jabbeln.
»Weltspitze« ist überhaupt eine prima Wahnvorstellung; man sieht direkt, wie die Welt zu der Nadel verengt wird, an der sie hängen soll. Es geht um »Höchstleistungen« im »Spitzensport«, also quasi um die »Top-Welt« der »Wetten dass«-Saalwette: Wo der Hammer hängt, ist egal, es zählt allein, wer ihn am weitesten von sich werfen kann. Es ist aber nicht »die Spitze es Eisbergs«, an der Ramsch aller Art zerschellt; es ist der Eisberg.
Auch der kreisrunde Diskus, auf die Weltspitze getrieben, führt zu rhetorischen Spitzenleistungen. »9 Zentimeter sind 9 Zentimeter«, schrieb die taz nach dem Olympiasieg des deutschen Diskuswerfers Robert Harting. Wer wollte dieser kühnen Hypothese widersprechen: »9 Zentimeter sind 9 Zentimeter«? Der Autor vertiefte seine kritische Theorie: »Lumpige 9 Zentimeter ... 9 Zentimeter vor dem Zweiten, das ist nicht einmal das Maß eines mittleren Schw... Mit anderen Worten: Size does matter!«, erregte sich der Längenmaßexperte Jan Feddersen, ließ mit der klemmigen Abkürzung »Schw...« aber offen, ob er auf das Mittelmaß eines Schwammkopfes oder Schwadroneurs anspielen wollte. Oder sollte er – huch! – tatsächlich einen Schwanz gemeint haben, den er aber nicht in den Mund nehmen wollte, jedenfalls nicht vor seinen Lesern?
So wie es Blitzmädels gab, gibt es Blitzmedien. Manche, um bei Längenmaßen zu bleiben, liegen »nur einen Steinwurf weit« von Bild entfernt.
Präterium
I.
Das Präteritum gefiel mir schon immer besser, als das Perfekt mir je gefallen hat. Zwar kann man sagen, »Ich habe einen Apfel gegessen«, aber »Ich aß einen Apfel« ist kürzer, dichter und bündiger.
Ich traf eine alte Freundin. Wir tranken etwas Brause, plauderten, tranken noch etwas Brause, plauderten und tranken noch etwas Brause. Ihre Augen schimmerten und ihre Aussprache geriet ein ganz klein wenig auf die Achterbahn, als sie sagte: »Ich habe oft an dich gedacht.« Das rührte mich, ich sah sie an und antwortete: »Danke. Könntest du das auch im Präteritum sagen?«
Sie sah mich leicht verwirrt an. »Wie? Präterium?« Ihr Blick verdüsterte sich. »Merkt man das schon, dass ich im Präterium bin?«
Präterium gefiel mir sehr, ich bestellte augenblicklich mehr Brause und gratulierte ihr. Sie hatte der deutschen Sprache eine neue Zeitform geschenkt, das Klimakteritum.
II.
»Präterium, Präterium«, sagte meine alte Freundin, stieß mit mir an, nahm einen Schluck Brause und lächelte mich honigsüß an. »Du willst doch nicht etwa irgendwelche Sauereien von mir?«
Ich verneinte das entschieden, kam aber ins Nachdenken. So hatte ich die Sache noch gar nicht betrachtet.
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