Während sich die Aischgründer Bierstraße auf den Steigerwald konzentriert und zwischen Bad Windsheim und Uehlfeld auf zirka fünfzig Kilometern mit sieben Familienbrauereien aufwartet, die im näheren Umfeld der B 470 zu finden sind und im Rahmen von 1- bis 3-Tages-Trips inklusive Bierseminar, Brennereiexkursion und Anzapfkurs geprüft werden können, geht die Bier- und Burgenstraße, 1977 in Kulmbach als Arbeitsgemeinschaft gegründet, bei einer Gesamtlänge von 500 Kilometern in die vollen. Hier braucht es nicht nur mehrere Fahrer, hier sind obendrein diverse Rast- und Rekreationsphasen angebracht.
In Passau beginnend, schlängelt man sich auf der B 85 nordwärts und macht beispielsweise in Amberg und Sulzbach-Rosenberg Station. Ein Stopp bei Sperber-Bräu im Zentrum Sulzbach-Rosenbergs (Rosenberger Straße 14) kann nicht schaden. Die Weisheiten der Schafkopfrunden sind unerschütterlich, wie Eckhard Henscheid mehrfach überlieferte. Vorher allerdings zieht bereits das Amberger Rathaus in Bann, ein gotisches Schmuckstück, das einen drei- bis vierfachen Toast mit der legendären Falk-Weiße verdient, einem Hefeweizen, das heute und nicht minder cremig durch die örtliche Brauerei Bruckmüller hergestellt wird.
Die Route führt weiter über Pegnitz, Bayreuth und Kulmbach, dessen unterdessen monopolistischer Großbraubetrieb zugunsten der Plassenburg zu ignorieren wäre, und touchiert Gampert-Bräu in Weißenbrunn und Jahn-Bräu in Ludwigsstadt, beides akzeptable Orte der Erfrischung. Hinter der thüringischen Landesgrenze böte sich ein bierologisches Intermezzo im Bürgerlichen Brauhaus zu Saalfeld an (Pößnecker Straße 55), gleichwohl wir, das Schloß Heidecksburg und das Blankenhainer Schloß grüßend, bei Weimar einen Abstecher nach Apolda favorisieren würden. In der hiesigen Vereinsbrauerei (Am Töpfermarkt 1) darf man sich ein Gambrinus Pils oder den Glockengießer Urtyp gefallen lassen, um die Kraft der zwei Herzen fürs Finale der Bier- und Burgenstraße zu tanken: für das Kyffhäuser-Denkmal bei Bad Frankenhausen. Das Barbarossa Pilsner der Privatbrauerei Artern gibt einem dann den Rest.
Bierstraßen sollen Orientierungsangebote in einer vielfältigen Kulturlandschaft sein und die Erkundung der Bierwelt mit anderweitigen touristischen Zielen, mit Baudenkmälern, Ruinen und Naturparks, verbinden. Da herrscht der Marketinggedanke notgedrungen vor. So empfiehlt es sich, falls einem an der Entdeckung wahrer Kleinode der Braukunst und der Wirtsstubenbehaglichkeit gelegen ist, immer der Nase nach und mit der Fränkischen Brauereikarte von Stefan Mack in der Hand durch Frankens Lande zu stiefeln.
In den östlichen Haßbergen zum Beispiel, etwa zwanzig Kilometer nördlich von Bamberg, sollte der Neugierige im exquisiten Bierstützpunkt der Baunacher Brauerei Sippel, geführt von Baptist Fößel, ein paar Seidel des dunklen, streng rezenten und experimentell gehopften Vollbiers stürzen, während der Stammtisch seine Knollnasen mit Bierschnaps pflegt. Anschließend marschiert man zwei Kilometer weiter in westlicher Richtung, durch ein weiches Tal. Am Ortseingang von Appendorf steht die Brauerei Fößel-Batz, in der nicht bloß eine bittersüße Feinheit kredenzt wird, die in solcher Vollkommenheit selten aufzuspüren ist, sondern Freitag abends ein unglaubliches Tanz- und Musikspektakel stattfindet, an dem Hobbyinstrumentalisten und Walzerwütige aus der ganzen Region teilnehmen, um im schönsten Gewoge die Vermählung von Rausch und hochmodernem Entertainment zu zelebrieren.
Hat man das Remmidemmi halbwegs unbeschadet überstanden, steht am nächsten Tag einer weiteren Tour über die (noch) unbenannte Bierstraße entlang der B 4 nichts im Wege. An demselben werben mit der Brauerei Zum Goldenen Adler in Höfen, der Brauerei Fischer in Freudeneck und der Brauerei Sonnenbräu in Mürsbach kurz hintereinander drei vorbildliche Bierinstitute um die Gästegunst – Pilgerstätten, die durch die dargebotenen glitzernden Getränke nicht weniger für sich einnehmen als durch ihre seraphischen Namen.
Wenn Tresen Trauer tragen oder: Zampano der Zunge
Unlängst ließ der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Richard Weber, verbreiten, daß auf Grund des in der »Cola-Generation« manifest gewordenen Trends zum »süßen Geschmack« Bier »in Zukunft« wahrscheinlich kein bißchen besser, aber »süßer« werde. »Bier wird in Zukunft süßer und weniger hopfig«, sagte Weber, und man lasse sich das gesagt sein und auf der Zunge zergehen.
Mitte der siebziger Jahre oder etwas später, man wird sich des fraglichen Jahrhunderts noch blaß durch den letzten gauloisesschwarzen Filmriß hindurch erinnern, löste das als »herb« bezeichnete Pilsener das damals marktführende Export als Marktführer auf dem Biermarkt ab. An diesen epochalen Einschnitt müssen wir denken, wenn Weber heute sagt: »Das Schicksal von Export droht nun dem Pils, das sich vor drei Jahrzehnten zur beliebtesten Biersorte in Deutschland aufschwang.« – »Abgelöst«, so Weber weiter, »wird Pils vom Spitzenplatz voraussichtlich von Biermischgetränken oder Biersorten, die weniger herb schmecken.«
»Ein herber Schlag«, raunt es an Deutschlands Tresen vermutlich, ja, »ein harter Schlag, der uns da bevorsteht.« So tragen die Tresen Trauer. Doch so sehr es einem auch die Sprache verschlägt, so sehr wären klare Köpfe zu wünschen, um Einsicht in die Wahrheit der Wirklichkeit zu gewinnen.
Schuld an diesem epochal-ordinären Umwälzungsvorgang ist weder die »Cola-Generation« noch die Generation der »puren Lust am Leben ohne Pils« (Gesundheitszeitschrift Jolie), sondern ein unauffällig am Pestalozziplatz in Frankfurt-Bornheim lebender Mann, seines Zeichens promovierter Schopenhauerianer.
»Ich hab’s doch gesagt, ich hab’s doch schon immer gesagt, ich hab’ doch den Trend erkannt, ja vorausgedacht!« schreit der zwischen Zeitungshaufen, Weinflaschenhalden und Schallplattenstapeln hockende ehemalige Zehnkämpfer und »ausgebildete Humanist«, wie er betont, und justiert die Dieter-Hildebrandt-Brille.
Dr. Heinrich Prömm ist kein Mann des unklaren Wortes. Er liebt die Wahrheit und die Unumwundbarkeit und köpft eine Champagnerflasche Jg. 1943 Südwest-Nigeria per Handkantenschlag. »Ich fackel’ nicht lange, das müssen Sie wissen!« brüllt er wie von sich selbst begeistert, und ein Strahl des goldgelben Saftes ergießt sich fontänengleich in den weit geöffneten Schlund, in dem es gefährlich brodelt.
»Das war doch abzusehen«, Prömm gluckst kurz, »das hab’ ich doch gesagt, tausendmal, ich hab’ doch den Trend schon vor Jahren gesehen!« Prömms Opernbaß schwillt grummelnd an, der bärige Mann greift rasch zu einem Burgunder und rückt den grünen Wodka zurecht. »Seit Jahren hab’ ich im Spitzen Eck, da vorne«, seine rechte Pranke zeigt Richtung Norden, »die Wende propagiert, ja eingeleitet!«
Was er damit meine, fragen wir in einer Atempause. »Das Pils wird abgeschafft! Das Pils wird abgeschafft, weil das Pils ein Scheißgetränk ist! Das ist doch klar!« Was sei klar? »Daß Männer, echte Männer, Export trinken! Männer brauchen Nahrung, Kraft, Prozente! Seit Jahren sage ich das! Und seit Jahr und Tag beweise ich im Spitzen Eck, daß das Pils weg muß!«
Dr. Heinrich Prömm habe im Dienste der Abschaffung des Pilsbiers etliche tausend Hektoliter Export der Brauerei Binding getrunken, beteuert er. Nun sieht er sich bestätigt. Das Pils breche endlich elendig ein, die Süße komme zurück. »Kinder wollen Süßes, weil sie Kopfnahrung brauchen, weil sie denken wollen«, erläutert Dr. Prömm grölend, er wirft die Arme in die Höhe, sein Bauch bebt, »und das bestätigt sich jetzt auf höherem Menschheitsniveau, auf Männerniveau!«
Der Zampano der Zunge kratzt mit dem kleinen Finger den letzten Tropfen Burgunder aus der Flasche. »Wahrscheinlich greifen jetzt die Frauen, schwach, wie sie sind, zum Pils. Zum ›schlanken‹ Pils. Aus Solidarität. Aber ich trinke weiter. Im Auftrag der Welt, wie ich sie mir vorstelle. Die Zeit und das Volk sind auf meiner Seite!«
Der Volkserzieher vom Pestalozziplatz lächelt. »Alles für andere, für sich nichts, oder? Ich bin froh, daß ich jetzt die Früchte meiner Überzeugungsarbeit ernte. Süß wird die Zukunft sein. Ich würde fast von einer