In Anbetracht solcher Manifestationen des Elends wie Der Theodor im Fußballtor (E. W. Emo, 1950), Libero mit Franz Beckenbauer (Wigbert Wickert, 1973), John Hustons Flucht oder Sieg aus dem Jahr 1981, einer Offenbarung der Haltlosigkeit, in der Pelé in einem Team mit Torwartmime Sylvester Stallone herumrennt, oder Wim Wenders’ – gleich der Vorlage – notorisch falsch ins Fußballfach einsortierter Handke-Verfilmung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1971/72) sowie des soapigen Schmarrens Fußball ist unser Leben (Tomy Wigand, 1999, mit, selbstredend, Uwe Ochsenknecht) hegen auch die im engeren Sinn der Seite des Sports zugewandten Experten der Zeitschrift 11 Freunde in der Titelgeschichte der Ausgabe 8/2001 den Eindruck, »als hielten sich Fußball und Film bereits seit Jahrzehnten mit einem hundslangweiligen Catenaccio in Schach«, und gelangen zu dem Schluß, daß der Fußball – mit einigen Ausnahmen aus dem angelsächsischen Raum, wo, von The Firm und When Saturday Comes bis zu Fever Pitch oder Mike Bassett – England Manager, Fußball als Metapher des Lebens verstanden wird – mit dem Film nichts am Hut habe. Bzw. umgekehrt.
Woran mag das liegen? Wim Wenders selbst hat die prekäre Diskrepanz zwischen Fußball und Film zur Sprache gebracht. »Gegen die Dramaturgie eines Fußballspiels kann man mit den Mitteln des Films nur verlieren«, gestand er und deutete die strukturelle Inkohärenz zwischen ästhetischen Verfahren und einem sportlichen Geschehen an, dem man regelmäßig genuine ästhetische Qualitäten attestiert, ohne sie, außer in Analogie zur Sphäre der Kunstproduktion und -rezeption, schlüssig beschreiben zu können. Fußball kann »Kunst« sein, ohne daß das Spiel jemals ein – geschlossenes – Kunstwerk wäre, das etwas außerhalb seiner selbst repräsentieren würde. »Kein Drama der Welt kann so übersichtlich sein wie ein Fußballspiel«, zog Marcel Reich-Ranikki nolens volens irgendwie den richtigen Schluß aus diesem Dilemma, und der meist emsig herumanalogisierende Fußballpublizist Helmut Böttiger fragte zu Recht: »Was besagt ein Shakespearescher Theatertod gegen das entscheidende Kopfballtor in der 92. Minute?«
Filmproduktionen, die sich auf die wie immer gestalterisch prononcierte Reproduktion einer speziellen Partie oder des Fußballspiels an und für sich verlegen, scheitern zuverlässig daran, daß das Spiel beeindruckender, fesselnder, größer als das Kunstwerk ist. Der Fußball, so schlicht und durchschaubar er dünkt, entzieht sich in all seinen Dimensionen – der Strategie, der Dramaturgie, der Unwägbarkeit – der Durchdringung oder Abbildung vermöge artistischer Mittel. Weil das Spiel so einfach und zugleich inkalkulabel ist, sind die aufwendigsten filmischen Gebilde, die die Illusion der realistischen Schilderung nähren, zum Mißlingen verurteilt, selbst wenn Sönke Wortmann im späten Gefolge von Robert A. Stemmles Das große Spiel (1942, Drehbuch: Stemmle und Richard Kirn), an dessen Entstehung Sepp Herberger und Fritz Walter als Berater beteiligt waren, Spielszenen mit großem Aufwand choreographiert und nachstellt. Denn die Simplizität des Geschehens auf dem Platz koaliert stets mit einer nicht zu bändigenden Komplexität, deren erschütternde Trivialität in der Herbergerschen Weisheit ihren Ausdruck gefunden hat, die Leute gingen zum Fußball, weil sie nicht wüßten, wie es ausginge. Dieses Moment von Suspense vermag kein Kunstwerk, kein Film zu erzeugen. »Der Fußballplatz, und das Sportstadium überhaupt, stellt einen der letzten Orte dar, an dem unwiederholbare Auseinandersetzungen stattfinden«, merkte der Soziologe Gerd Hortleder vor über dreißig Jahren an, und Herbert Heinzelmann hat jüngst festgehalten: »Ein Fußballspiel dauert durchschnittlich neunzig Minuten, genau wie ein Spielfilm. Ein Fußballspiel ist allerdings in dem Moment, da es angepfiffen wird, ergebnisoffen. Der Film dagegen folgt in seiner Handlung einer abgeschlossenen Dramaturgie. Deshalb ist ein Fußballspiel einem Film selbst dann noch ›überlegen‹, wenn es langweilig ist.«
Und deshalb sind sie grosso modo, ungeachtet z. T. höchst heterogener Perspektiven auf die Sache, allesamt durch Inadäquatheit dazu verdammt zu langweilen, die filmischen Erzählungen über soziale Eigentümlichkeiten von Fangruppen (Ricky Tognazzi: Ultrà, 1990; Adolf Winkelmann: Nordkurve, 1992), die sinnfindungsprallen Kinderfilme, die Spielfilme, die an Hand des Fußballs sozio- und ethnokulturelle Themen und Probleme wälzen – wie Spiel der Götter (Khyentse Norbu, 1999) oder Kick It Like Beckham (Gurinder Chadha, 2002) oder eben, mit oberligareifen Darstellern und einer Stadionkulisse aus dem Computer, Wortmanns mythologisierend-nationalhistorischer Schmachtfetzen Das Wunder von Bern.
Dokumentarische Werke wiederum, ob aus Schweden (The Way Back – True Blue 2, Fredrik Gertten, 2002), aus Spanien (Johan Cruyff – En un momento dado, Ramón Gieling, 2004) oder aus Deutschland (Irgendwo da unten, Dirk Laabs/Julia Möhn, 2002), ziehen, gemessen an der Publikumsgunst, gegenüber den Movies noch entschiedener den kürzeren. Fußball im Film, diese Verbindung scheint somit seit 1911, als der erste Streifen seiner Art über die Leinwände flackerte, der Neunminüter Harry The Footballer (Lewin Fitzhamon), wenigstens partiell nur unter der Voraussetzung zu funktionieren, daß das eine Popphänomen auf das andere reagiert, ungeachtet der ästhetischen Einschätzung der Resultate.
In jenem Sinne antwortete Sönke Wortmann schon 1996 auf die Frage, was Fußball und Film miteinander zu tun hätten: »Ein Film sind schnelle neunzig Minuten. Das hat einmal der Hollywood-Produzent Jack Warner postuliert. Ein Fußballspiel dauert genauso lange, und irgendwie haben sich diese anderthalb Stunden für Akteure wie Publikum als die passende Länge herausgestellt.« – »Fußball ist genau wie ein Film ein Tummelplatz für Haifische«, fuhr er fort und ergänzte: »Man hat es nicht nur mit Abgezocktheiten und Egomanien zu tun, sondern auch mit Team-Spirit, Vision, Kreativität und Enthusiasmus. Beide sind Unterhaltungsmedien und Mannschaftssport.« Heißt das dann, daß, die Parallelen zwischen zwei neunzigminütigen Aufführungen ernst nehmend, Erzählzeit und erzählte Zeit, mithin die Echtzeit der neunzig Minuten eines Fußballspiels, im Film doch zur Dekkung gelangen können? Oder anders, nämlich abermals mit Sönke Wortmann gefragt: »Warum gibt es keinen vernünftigen Film über Fußball, wenn schon beide Phänomene diese Parallelen aufweisen?« Nur weil »die Schauspieler nicht gut genug Fußballspielen können oder umgekehrt«?
»Wie unüberwindbar die dichte Mauer zwischen Fußball und Kino in Deutschland ist«, urteilte 11 Freunde apodiktisch, »zeigte sich dann besonders drastisch in den siebziger Jahren. Beide erlebten damals ihre kreativste und erfolgreichste Zeit. Natürlich getrennt voneinander.« Was natürlich Unfug ist. Denn just in den Siebzigern entstehen in Deutschland Fußballfilme, die den Gefahren des Mißratens, d. h. den Fährnissen des Abbildungsrealismus und der Überfrachtung des Spiels mit Botschaften sportfremder Art, dadurch begegnen, daß sie sich radikal beschränken und nach Wegen suchen, in der verfremdenden Perspektive und in der zeitlichen Raffung Formen der Wahrnehmung oder, pathetisch formuliert, der Erkenntnis zu gewinnen, die am Spiel und seinen Protagonisten orientiert sind.
Dem Tagesspiegel gilt Hellmuth Costards Fußball wie noch nie (1970/71) als »ultimativer Fußballfilm«. Costard hatte am 12. September 1970 mit sechs Kameraleuten (die Angaben schwanken allerdings zwischen fünf und acht 16-mm-Farbfilmkameras) die Partie Manchester United gegen Coventry City begleitet und dabei den Blick ausschließlich auf George Best und dessen Bewegungsabläufe gerichtet. Gerade durch die Ausblendung all dessen, was ein Fußballmatch als Kollektivereignis auszeichnet (Zuschauerreaktionen, mannschaftliche Kooperation usf.), rückt die Anlage des Spiels gewissermaßen wissenschaftlich, analytisch in den Fokus. »Was auf den ersten Blick wie ein exzentrisches Experiment aussieht, erscheint im Verlauf des Films immer sinnvoller und plausibler«, beschreibt die Website des Goethe-Instituts die eigentümliche Leistung von Costards Zugang. »Nie sonst bekam ein Zuschauer klarer die Laufwege eines Spielers und dessen Versuche zu sehen, die Entwicklung eines Fußballspiels zu ›lesen‹. Oder zu beobachten, wie bewußt George Best seine Kräfte einteilt. Vor allem in der ersten Halbzeit wartet er mehr auf Ballkontakte, als daß er sie wirklich hätte. […] Der Fußballsport ist seither ungleich athletischer und schneller geworden; jeder Erstliga-Trainer würde heute einen Spieler mit dem Laufpensum von George Best in der Halbzeitpause auswechseln. Der Druck des unbedingten Professionalismus muß damals weniger gnadenlos gewesen sein. Also sieht man hier kaum ein wirklich bösartiges Foul, keinen Spieler, der sich theatralisch am Boden wälzen würde, um die gelbe Karte für einen Rivalen zu provozieren – und erst recht keinen Disput mit dem Schiedsrichter.« Daß die Entdramatisierung allerdings gerade bei