Nachtreigen – erweiterte Version. Dietmar Wolfgang Pritzlaff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961121045
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      beginnt das Ringen der Gedanken

      die Suche nach großen Worten!

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      Abb. 1

      TRAPEZ – LEBEN AUF DEM HOCHSEIL

      Dispersion auf Malkarton • 1987

      © Bild und Foto: Dietmar Wolfgang Pritzlaff

      Der Literat

      ist ein lyrischer Mensch

      voller Prosa

      wälzt sich in Epik

      und verliert sich in Esoterik

      Er ist gnadenlos im Pamphlet

      und detailliert im Essay

      Er ist ausschweifend in Belletristik

      und erschöpfend dramatisch

      Er ist gefühlsbeladen in der Tragödie

      und ausgelassen in der Komödie

      Er ist ein lyrischer Mensch

      voller Widersprüche

      Verzeiht mir

      mein Dasein

      Verzeiht mir

      mein Hiersein

      Verzeiht mir

      das ich geboren bin

      Ich konnte mir nichts aussuchen

      weder Ort noch Zeit

      Niemand hat jemals gefragt

      Ich musste leben

      ob ich wollte oder nicht

      so ist das Leben

      Ich kann nichts dafür

      Schlagt mir die Kindheitserinnerungen aus dem Kopf

      Beißt mir die Naivität aus dem Leib

      Kratzt mir das Kindliche aus dem Verstand

      Schüttet mich aus den Kinderschuhen

      Formt mir ein starkes, gefühlloses Herz

      Setzt Glas anstelle der treuen Augen ein

      Schält mir die Unbeschwertheit aus der Seele

      Dieses Kind

      dieses verträumte

      an nichts denkende Kind

      Dieses verspielte

      immerzu nachahmende Kind

      muss getötet werden –

      in mir

      Denn die Realität ist grausam

      und will bezwungen werden

      Ich bin ein Kind meiner Eltern

      und ein Geschöpf dieser Zeit

      Ich bin einer von denen

      die es bereu‘n

      ein Stück von dem Leben

      von dem vielfältigen Leben

      ein Stück nur zu leben versucht zu haben

      dabei verzweifelt

      an sich selbst gescheitert

      an dem Leben im Grunde vorbeigelebt

      Wo ist das Kind jener Eltern

      wo das Geschöpf, welcher Zeit

      Geblieben ist davon nur ein Haufen Asche

      Mein Leben ist ein einziger Kampf

      mit mir selbst

      wie wirbeln die geballten Fäuste

      durch die Luft

      groteskes Winden, Hüpfen und Drehen

      um die eigene Achse

      sich windend, springend, tänzelnd

      gebeugt, gestreckt und wieder gebeugt

      immer weiter, immerfort

      kein Sieg

      kein Ziel

      wann endlich mein KO ?

      Große Erwartung, hoffend und glaubend.

      Dann der Augenblick des Geschehens.

      Das, was wirklich ist, übertrifft dann jegliche Erwartung.

      Man steht vor den Trümmern der Hoffnung.

      Niederschmetternd das Ergebnis, den Tatsachen ins Auge sehend.

      Zu Hilfe eilend, den letzten Möglichkeiten Kraft gebend.

      Doch manchmal ist alles verloren.

      Wut und Ärger steigern sich ins Unermessliche.

      Diese werden beim Abflauen der Gefühle von Resignation ersetzt.

      Dann nur noch Ruhe. Bitte Ruhe bewahren!

      Sich fassen, überlegen - was nun?

      Mit neuer Kraft voraus?

      War ja doch nicht so schlimm.

      Weiter geht’s - oder - oder doch nicht?

      Die Enttäuschungsrückstandssubstanzen bleiben für immer.

      Für immer???

      Das Biest muss raus

      sonst frisst es sich durch Mark und Bein

      höhlt den Kopf aus

      verschlingt die Eingeweide

      saugt die Adern leer

      knabbert an den Knochen

      zerreißt die Nerven

      zerfleischt die Muskeln

      nimmt den Verstand

      kratzt am Gerechtigkeitssinn

      zerschlägt den Stolz

      zersplittert das Selbstwertgefühl

      schlürft den Mut heraus

      beißt sich durch die innere Zufriedenheit

      besudelt Menschenfreundlichkeit mit Einsamkeitserbrochenem

      beschmutzt Ausgeglichenheit mit Depressionskot

      bespuckt Glücksgefühl mit Trauereiter

      belädt Freiheitsgefühl mit Angstgeschwüren

      und dann -

      bleibt nur noch ein großer Haufen zurück

      ein großer Haufen stinkender Scheiße

      den man Leben nennt

      Stahlglatt

      und glänzend poliert

      hängt