beginnt das Ringen der Gedanken
die Suche nach großen Worten!
Abb. 1
TRAPEZ – LEBEN AUF DEM HOCHSEIL
Dispersion auf Malkarton • 1987
© Bild und Foto: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Der Literat
Der Literat
ist ein lyrischer Mensch
voller Prosa
wälzt sich in Epik
und verliert sich in Esoterik
Er ist gnadenlos im Pamphlet
und detailliert im Essay
Er ist ausschweifend in Belletristik
und erschöpfend dramatisch
Er ist gefühlsbeladen in der Tragödie
und ausgelassen in der Komödie
Er ist ein lyrischer Mensch
voller Widersprüche
Ich kann nichts dafür
Verzeiht mir
mein Dasein
Verzeiht mir
mein Hiersein
Verzeiht mir
das ich geboren bin
Ich konnte mir nichts aussuchen
weder Ort noch Zeit
Niemand hat jemals gefragt
Ich musste leben
ob ich wollte oder nicht
so ist das Leben
Ich kann nichts dafür
Tötet das Kind
Schlagt mir die Kindheitserinnerungen aus dem Kopf
Beißt mir die Naivität aus dem Leib
Kratzt mir das Kindliche aus dem Verstand
Schüttet mich aus den Kinderschuhen
Formt mir ein starkes, gefühlloses Herz
Setzt Glas anstelle der treuen Augen ein
Schält mir die Unbeschwertheit aus der Seele
Dieses Kind
dieses verträumte
an nichts denkende Kind
Dieses verspielte
immerzu nachahmende Kind
muss getötet werden –
in mir
Denn die Realität ist grausam
und will bezwungen werden
Rückschau
Ich bin ein Kind meiner Eltern
und ein Geschöpf dieser Zeit
Ich bin einer von denen
die es bereu‘n
ein Stück von dem Leben
von dem vielfältigen Leben
ein Stück nur zu leben versucht zu haben
dabei verzweifelt
an sich selbst gescheitert
an dem Leben im Grunde vorbeigelebt
Wo ist das Kind jener Eltern
wo das Geschöpf, welcher Zeit
Geblieben ist davon nur ein Haufen Asche
Überlebenskampf
Mein Leben ist ein einziger Kampf
mit mir selbst
wie wirbeln die geballten Fäuste
durch die Luft
groteskes Winden, Hüpfen und Drehen
um die eigene Achse
sich windend, springend, tänzelnd
gebeugt, gestreckt und wieder gebeugt
immer weiter, immerfort
kein Sieg
kein Ziel
wann endlich mein KO ?
Die Analyse einer Enttäuschung
Große Erwartung, hoffend und glaubend.
Dann der Augenblick des Geschehens.
Das, was wirklich ist, übertrifft dann jegliche Erwartung.
Man steht vor den Trümmern der Hoffnung.
Niederschmetternd das Ergebnis, den Tatsachen ins Auge sehend.
Zu Hilfe eilend, den letzten Möglichkeiten Kraft gebend.
Doch manchmal ist alles verloren.
Wut und Ärger steigern sich ins Unermessliche.
Diese werden beim Abflauen der Gefühle von Resignation ersetzt.
Dann nur noch Ruhe. Bitte Ruhe bewahren!
Sich fassen, überlegen - was nun?
Mit neuer Kraft voraus?
War ja doch nicht so schlimm.
Weiter geht’s - oder - oder doch nicht?
Die Enttäuschungsrückstandssubstanzen bleiben für immer.
Für immer???
Das Biest muss raus
Das Biest muss raus
sonst frisst es sich durch Mark und Bein
höhlt den Kopf aus
verschlingt die Eingeweide
saugt die Adern leer
knabbert an den Knochen
zerreißt die Nerven
zerfleischt die Muskeln
nimmt den Verstand
kratzt am Gerechtigkeitssinn
zerschlägt den Stolz
zersplittert das Selbstwertgefühl
schlürft den Mut heraus
beißt sich durch die innere Zufriedenheit
besudelt Menschenfreundlichkeit mit Einsamkeitserbrochenem
beschmutzt Ausgeglichenheit mit Depressionskot
bespuckt Glücksgefühl mit Trauereiter
belädt Freiheitsgefühl mit Angstgeschwüren
und dann -
bleibt nur noch ein großer Haufen zurück
ein großer Haufen stinkender Scheiße
den man Leben nennt
Der Schnitt
Stahlglatt
und glänzend poliert
hängt