Benedikt und Traudel mussten lachen. »Du kennst doch unsere Buschtrommeln«, kicherte Traudel. »Du kannst es dir aussuchen: entweder hat dich ein tollwütiger Fuchs gebissen oder das Fangeisen hat dir glatt den Unterarm durchschlagen.«
Dass inzwischen auch gemunkelt wurde, Wendelin habe sich an seiner eigenen Falle verletzt, verschwieg sie freundlicherweise.
Wendelin grinste. »Nein, so dramatisch ist es nicht gewesen.«
Der Hauch eines fruchtig-herben Parfums streifte ihn, und mit Schwung setzte sich Kathi neben ihn auf die Bank. »So, zwei Minuten nehme ich mir«, sagte sie und lächelte ihn an. Die kleine, perlmuttfarbige Mondsichel schien auf ihrer schön geschwungenen Oberlippe zu tanzen. »Sag doch, wie es dem Fuchs geht und was ich euch Schönes bringen kann.«
Wendelin berichtete von Riekes Anruf und danach bestellte er Tiroler Gröstl und ein alkoholfreies Bier, Traudel und Benedikt entschieden sich für Apfelhendl. Kathi notierte die Bestellungen und fragte dann nach der Gemeindesitzung. »Sie ist am Donnerstag? Das passt gut, da haben wir unseren Ruhetag, der Papa und ich können beide kommen. Und hier oben in der Nähe des Hofes halten wir die Augen offen.«
Vom Fahrweg klangen Motorengeräusche herauf, zwei schwere Geländewagen bogen auf den Parkplatz ein und hielten so sportlich, dass der Kies aufspritzte. Sechs Männer in teurer Freizeitkleidung sprangen heraus und gingen mit dynamischen Schritten zu einem freien Tisch hinüber.
Kathi sagte mit einem amüsierten Grinsen: »Die Jungs haben dafür gesorgt, dass ihre Ankunft in den teuren Wagen nicht zu übersehen war. Wetten, dass da sofort nach der Bedienung gerufen wird?«
Und tatsächlich – es hatten sich noch nicht einmal alle hingesetzt, als auch schon einer mit fordernder Stimme: »Bedienung!« verlangte.
Kathi blinzelte Wendelin zu: »Was hab ich gesagt?«
Wendelin schaute zu der Gruppe hinüber, die sich lautstark unterhielt, und runzelte leicht die Stirn. »Den einen kenne ich, der ist mir gestern Abend als verirrter Wanderer über den Weg gelaufen.«
»Hm«, machte Benedikt, »er sieht eigentlich nicht so aus wie ein Mann, der gern auf Nachtwanderung geht.«
»Dasselbe habe ich gestern auch gedacht«, erwiderte Wendelin langsam.
»Ich schaue ihn mir mal genauer an, aber vorher bringe ich euch eure Getränke«, sagte Kathi und ging mit schwingendem Dirndl zum Haus zurück, ohne sich um den nächsten auffordernden Ruf zu kümmern. Diese Männer mussten dringend an ihren Manieren arbeiten.
Erst als sie Wendelins Tisch mit Getränken versorgt hatte, ging sie weiter zum Nachbartisch, begrüßte die Gäste und überreichte die rustikale Speisekarte. »Grüß Gott, die Herren, was kann ich Ihnen zu trinken bringen?«
Gisbert lehnte sich auf der Bank zurück, musterte sie eingehend und sagte dann mit einem breiten Grinsen: »Weil Sie so hübsch sind, sage ich jetzt mal nichts dazu, dass Sie uns so lange haben warten lassen.«
»Da habe ich ja richtig Glück gehabt«, antwortete Kathi trocken und schaute ihm gerade in die Augen. Sie konnte gut mit Gästen umgehen, die sich herausfordernd benahmen.
Gisbert musste lachen. »Gute Antwort«, sagte er. »Bringen Sie uns für den Anfang für jeden eine Maß.«
Für den Anfang? Kathis Blick huschte zu den schweren Geländewagen hinüber, und sie beschloss, die Getränkebestellungen dieser Runde besonders im Auge zu behalten.
Gisbert hatte ihren Blick bemerkt und schmunzelte. »Sie denken an den Heimweg? Nein, wir sind keine gewissenlosen Verkehrsrowdys, die sich betrunken hinters Steuer setzen. Meine Freunde und ich sind hier auf einem Jagdausflug, und das setzt voraus, dass wir verantwortungsbewusst handeln, nicht wahr?« Ihm war sehr wichtig, nicht unangenehm aufzufallen, schon gar nicht irgendeiner Polizeistreife, die nachts unterwegs war.
»Ein Jagdausflug? Haben Sie das Jagdschlösschen gemietet?«, fragte Kathi interessiert.
Der Mann in der gut geschnittenen Wildlederjacke nickte. »Ich habe meine Freunde eingeladen. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist von Acker. Gisbert von Acker.« Er sagte das mit genau derselben Betonung, mit der sich der Schauspieler in den berühmten Agentenfilmen vorstellt: mein Name ist Bond. James Bond.
Kathi verkniff sich ein Grinsen. »Waidmanns Heil!«, antwortete sie und fügte ernst hinzu: »Wenn Sie unterwegs sind, passen Sie gut auf! Wir haben hier zur Zeit jemanden, der Fangeisen auslegt.«
»Unglaublich, welche gewissenlosen Menschen es gibt!«, erwiderte Gisbert mit gespielter Empörung. »Wie sind Sie denn auf die Fallen aufmerksam geworden?«
»Durch Zufall«, erwiderte Kathi ausweichend. Sie hatte nicht vor, diesem Fremden Wendelins Geschichte auf die Nase zu binden.
»Eine unangenehme Sache«, sagte einer seiner Freunde verärgert. »Das kann uns glatt den Spaß an der Jagd verleiden. Ich will doch nicht irgendwo in eine Falle tappen.«
Wirst du auch nicht, du Trottel, dachte Gisbert zähneknirschend, ich weiß doch, wo sie sind. Laut sagte er: »Müssen wir uns Sorgen machen? Wird vor dem Betreten der Wälder gewarnt?«
»Nein, Sie können zur Jagd gehen. Försterei und Polizei haben die Sache im Griff«, antwortete Kathi. »Sie sind sehr wachsam.«
Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Gisbert genervt, ich muss die Fallen so schnell wie möglich verschwinden lassen. »Nun, davon lassen wir uns unseren Spaß jedenfalls nicht verderben«, sagte er laut. »Genießen wir das Essen und die charmante Bedienung.«
Im Laufe des Abends musste Kathi noch oft für diese Gäste zwischen Küche und Hofplatz hin und her gehen. Sie aßen reichlich und tranken noch mehr Alkohol, zuerst Bier, dann etliche Obstbrände. Rasch waren sie und die schlagfertige Bedienung beim Du angelangt. Es wurde immer später, und zum Schluss waren die sechs Hobbyjäger die einzigen Gäste außer Wendelin, zu dem sich Kathi setzte, wenn die Zeit es erlaubte.
»Sie haben viel getrunken und sind nicht gerade leise«, stellte Wendelin fest.
»Einige von ihnen sind ziemliche Maulhelden und geben an«, schmunzelte Kathi. »Man muss sie halt zu nehmen wissen, dann geht’s schon. Dieser Gisbert kann sogar ganz charmant sein.«
»So?«, sagte Wendelin nur. So albern es auch sein mochte, er konnte den Nadelstich der Eifersucht nicht unterdrücken, der ihn bei Kathis Worten durchfuhr.
Als ob sie seine Gefühle bemerkt hatte, versetzte sie ihm einen sanften Rippenstoß. »He, du glaubst doch nicht etwa, dass ich diesen Gisbert von Acker ernst nehme? Ich meine, als Mann, für den ich mich tatsächlich interessiere?«, fragte sie.
»Weiß ich doch nicht«, murmelte Wendelin unbehaglich, »ich habe keine Ahnung, welchen Typ Mann du gut findest.«
»Auf jeden Fall keinen Angeber«, kam die prompte Antwort. »Und niemanden, der nicht mit Alkohol umgehen kann. Wenn die Kerle jetzt glauben, sich noch hinters Steuer setzen zu können, dann sorge ich dafür, dass hinter der nächsten Wegbiegung Gregor Leutner auf sie wartet.«
»Du würdest glatt die Polizei rufen«, stellte Wendelin bewundernd fest.
»Aber sicher«, erwiderte sie resolut. »Warten wir mal ab, wie sie sich gleich verhalten. Ich glaube, sie sind in Aufbruchsstimmung.«
Am anderen Tisch begann tatsächlich eine Diskussion darüber, ob man noch fahren könne oder nicht. Gisbert überraschte Kathi damit, dass er ein rigoroses Fahrverbot aussprach und sie fragte, ob sie ein Großraumtaxi rufen könne. Die junge Frau war angenehm überrascht, und der Mann stieg in ihrer Achtung. Dass Gisbert sich nicht aus Vernunftgründen so entschieden hatte, konnte sie nicht ahnen. Er wollte nur auf keinen Fall unliebsames Aufsehen erregen.
»Ein Großraumtaxi müssten wir aus der Kreisstadt rufen, und das würde viel zu lange dauern, bis es hier ist«, erklärte Kathi. »Ich mache euch einen anderen Vorschlag. Ihr verteilt euch auf zwei Wagen, und ein Freund und ich fahren euch zum Jagdschlösschen raus.«
Es