Der Goldkäfer. Эдгар Аллан По. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эдгар Аллан По
Издательство: Bookwire
Серия: Klassiker der Weltliteratur
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783843804332
Скачать книгу
wir aber einmal einen bemerkenswert kalten Tag. Es war kurz vor Sonnenuntergang, als ich mir durch das Immergrün meinen Weg nach der Hütte meines Freundes bahnte. Ich hatte ihn seit mehreren Wochen nicht mehr besucht, denn ich wohnte damals neun Meilen von der Insel entfernt in Charleston, und die Gelegenheit zur Hin- und Rückfahrt war damals nicht so bequem wie heute. Bei meiner Ankunft an der Hütte klopfte ich wie gewöhnlich und da ich keine Antwort bekam, suchte ich mir den Schlüssel, denn ich wusste, wo er versteckt war, öffnete die Türe und trat hinein. Ein helles Feuer brannte im Kamin. Das war eine Überraschung, aber durchaus keine unangenehme. Ich warf meinen Mantel ab, zog einen Armstuhl in die Nähe der knisternden Holzkloben und wartete geduldig auf die Ankunft meiner Wirte.

      Bald nach Eintritt der Dunkelheit kamen sie an und empfingen mich aufs herzlichste. Jupiter grinste über das ganze Gesicht und machte sich eilig daran, ein paar Wasserhühner für das Abendessen zu braten. Legrand war wieder einmal in einem seiner Anfälle von Begeisterung. Er hatte eine unbekannte Muschel gefunden, die eine neue Art bildete, und mehr als das, es war ihm mit Jupiters Hilfe gelungen, einen Käfer zu fangen, den er für gänzlich neu hielt, über den er aber am nächsten Morgen meine Meinung wissen wollte.

      „Und warum nicht heute Abend?“, fragte ich, indem ich mir über der Glut meine Hände rieb und das ganze Geschlecht der Käfer zum Teufel wünschte.

      „Ja, wenn ich nur gewusst hätte, dass Sie hier wären!“, sagte Legrand. „Aber ich habe Sie so lange nicht mehr getroffen und wie konnte ich da vorhersehen, dass Sie mir gerade am heutigen Abend einen Besuch abstatten würden? Auf dem Heimwege traf ich Leutnant G. vom Fort und lieh ihm dummerweise den Käfer, darum können Sie ihn erst morgen sehen. Bitte, übernachten Sie bei mir, und bei Sonnenaufgang will ich Jupiter danach schicken. Er ist das Herrlichste, was es auf der Welt gibt!“

      „Wer? Der Sonnenaufgang?“

      „Unsinn! Der Käfer! Er ist so groß wie eine dicke Walnuss, hat eine brillante Goldfarbe mit zwei pechschwarzen Flecken an einem Ende des Rückens und einem etwas längeren Fleck am anderen Ende. Die Fühlhörner sind …“

      „Keine Farbe daran, Massa Will“, unterbrach hier Jupiter. „Käfer sein Goldkäfer, durch und durch Gold, überall Gold, nur nicht Flügel. Nie halb so schweren Käfer im Leben gehabt.“

      „Angenommen, es ist so, Jup“, antwortete Legrand mit etwas mehr Ernst, als der Fall nach meiner Ansicht erforderte, „brauchst du deswegen die Hühner anbrennen zu lassen? Die Farbe“ – hier wandte er sich wieder zu mir – „ist tatsächlich leuchtend genug, um Jupiters Idee Kraft zu geben. Sie haben noch nie einen so brillanten Metallglanz gesehen, wie ihn seine Einkerbungen ausstrahlen – aber darüber können Sie erst morgen früh urteilen. Inzwischen will ich Ihnen einen Begriff von seiner Form geben.“ Mit diesen Worten setzte er sich an einen kleinen Tisch, auf dem sich Feder und Tinte, aber kein Papier befand. Er suchte in einer Schublade, fand aber keins.

      „Übrigens genügt auch dies“, sagte er schließlich und zog aus seiner Westentasche einen Fetzen, der wie sehr schmutziges Aktenpapier aussah. Dann zeichnete er mit der Feder eine flüchtige Skizze darauf, während ich beim Feuer sitzen blieb, denn es war noch sehr kühl. Als er mit der Zeichnung fertig war, reichte er sie mir, ohne aufzustehen, herüber und ich nahm sie in die Hand. Gerade in diesem Augenblick hörte man draußen ein lautes Knurren und dann ein Kratzen an der Tür. Jupiter öffnete und ein großer Neufundländer, der Legrand gehörte, stürzte herein, sprang mir auf die Schultern und überschüttete mich mit Liebkosungen, denn ich war bei meinen früheren Besuchen sehr freundlich gegen ihn gewesen. Als seine Freudensprünge vorbei waren, besah ich mir das Papier und war, um die Wahrheit zu sagen, nicht wenig erstaunt über das, was mein Freund gezeichnet hatte.

      „Nun ja“, sagte ich, nachdem ich es eine Weile betrachtet hatte, „das ist wirklich, wie ich gestehen muss, ein seltsamer Käfer. Er ist für mich ganz neu und ich habe nie etwas Ähnliches gesehen – es sei denn bei einem Schädel oder Totenkopf, mit dem er mehr Ähnlichkeit hat als alles, was mir bisher vorgekommen ist.“

      „Ein Totenkopf“, wiederholte Legrand. „Jawohl, etwas Ähnlichkeit hat er ohne Zweifel in der Zeichnung damit. Die beiden oberen schwarzen Flecke sehen wie Augen aus – nicht wahr? Und unten der längere wie ein Mund – auch ist der Umriss oval.“

      „Vielleicht“, antwortete ich. „Übrigens, Legrand, ich fürchte, Sie sind kein großer Künstler, und ich muss warten, bis ich den Käfer selbst sehe, um mir von seinem wirklichen Aussehen ein Bild zu machen.“

      „Nun, ich weiß nicht“, sagte er etwas gereizt, „ich zeichne sonst ganz leidlich – ich sollte es wenigstens, denn ich habe eine gute Schule gehabt und schmeichle mir auch, dass ich nicht so unbegabt bin.“

      „Aber, mein lieber Freund, dann machen Sie sich einen Spaß mit mir“, sagte ich. „Dies ist ein ganz leidlicher Schädel – ich könnte sogar sagen, es ist ein ganz ausgezeichneter Schädel, wenigstens nach der gewöhnlichen Vorstellung, die man sich von einem solchen physiologischen Gegenstand macht. Und Ihr Käfer muss der eigentümlichste Käfer der Welt sein, wenn er ihm gleicht. Wahrhaftig, sein Anblick könnte einen zu einem abergläubischen Gruseln verführen. Ich schlage vor, wir nennen den Käfer Scarabaeus caput hominis oder so ähnlich – es gibt ja solche Namen in der Naturgeschichte. Aber wo sind die Fühler, von denen Sie sprachen?“

      „Die Fühler!“, sagte Legrand, der sich bei dem Gespräch merkwürdig zu erregen schien. „Die müssen Sie doch sehen. Ich zeichnete sie genau so, wie sie bei dem wirklichen Insekt sind, und ich nehme an, das genügt.“

      „Nun ja“, antwortete ich, „vielleicht haben Sie das getan – nur sehe ich es nicht.“ Damit überreichte ich ihm das Papier, ohne weiter eine Bemerkung zu machen, denn ich wollte seine Erregung nicht noch steigern. Aber ich war doch sehr erstaunt über die Wendung, die unsere Unterhaltung genommen hatte. Seine Verstimmung verblüffte mich und was die Zeichnung des Käfers anging, so waren wirklich keine Fühler darauf zu sehen. Das Ganze glich vielmehr genau dem gewöhnlichen Umriss eines Totenschädels.

      Er nahm sehr verdrießlich das Papier und war gerade dabei, es zu zerknüllen, offenbar, um es ins Feuer zu werfen, als ein zufälliger Blick auf die Zeichnung plötzlich seine Aufmerksamkeit zu erregen schien. Sein Gesicht wurde einen Moment dunkelrot und gleich darauf ganz blass. Ohne sich zu rühren, betrachtete er die Zeichnung minutenlang aufs genaueste. Dann erhob er sich, nahm eine Kerze vom Tisch und setzte sich auf eine Schiffstruhe im entferntesten Winkel des Zimmers. Hier begann er von neuem das Papier sorgfältig zu untersuchen, indem er es nach allen Richtungen umwandte. Er sprach aber kein Wort und sein Benehmen versetzte mich in das größte Erstaunen. Trotzdem hielt ich es für das Klügste, die wachsende Erregung seiner Stimmung durch keine Bemerkung zu vergrößern. Nach einer Weile nahm er aus seiner Rocktasche eine Briefmappe, legte das Papier sorgfältig hinein und verschloss beides in einem Schreibtisch. Sein Verhalten wurde jetzt etwas ruhiger, aber die ursprüngliche gehobene Stimmung war ganz verschwunden. Trotzdem schien er weniger verstimmt als zerstreut zu sein und je mehr der Abend fortschritt, desto mehr versank er in Träumerei, aus der ich ihn durch keine lustige Bemerkung erwecken konnte. Es war meine Absicht gewesen, die Nacht in der Hütte zu verbringen, wie ich es schon oft getan hatte; aber da ich meinen Wirt in einer solchen Laune sah, hielt ich es doch für das Beste, aufzubrechen. Er drängte mich nicht zu bleiben, schüttelte aber beim Abschied meine Hand mit fast größerer Herzlichkeit als sonst.

      Ungefähr einen Monat später (ich hatte inzwischen nichts von Legrand gesehen) besuchte mich Jupiter in Charleston. Noch nie war mir der gute alte Neger so niedergeschlagen vorgekommen und ich fürchtete, meinem Freunde sei ein ernsthaftes Missgeschick widerfahren.

      „Nun, Jup“, fragte ich, „was ist denn geschehen? Wie geht es deinem Herrn?“

      „Ach, Massa, um die Wahrheit zu sagen, er sein nicht ganz so wohl, wie sich gehört.“

      „Nicht wohl? Das tut mir aber leid! Worüber klagt er denn?“

      „Ja, das ist es! Er nie über etwas klagen – er aber wirklich sehr krank sein.“

      „Sehr krank, Jupiter? Warum sagtest du das nicht sofort? Liegt er zu Bett?“