Zurückgekehrt nach Konstantinopel bezog sie ein einfaches Häuschen und lebte dort »sittenrein«. In Byzanz lernte sie, unter welchen Umständen auch immer, den zukünftigen Kaiser Justinian kennen. Prokopios meinte, dass Theodora »durch magischen Zauber« den 40–jährigen Kronprinzen verführt habe. Trotz des erbitterten Widerstands seiner Mutter, der Kaiserin Euphemia, entschloss sich Justinian, Theodora zu heiraten.
Der Kaiser ließ 522 ein Gesetz ändern, das die Eheschließung von höher gestellten Personen mit Schauspielerinnen verbot. Theodora wurde nun in den Patrizierstand erhoben, so dass die Heirat 525 stattfinden konnte. Zwei Jahre später fand in der Hagia Sophia die Kaiserkrönung statt, bei der Theodora zur Augusta erhoben wurde. In der Arena, in der sie ihre Jugend verbracht hatte, ließ sich Theodora nun als neue oströmische Kaiserin feiern. Sie galt offiziell als Inhaberin der Kaiserwürde, vor ihr musste die Proskynese (kniefällige Verehrung) vollzogen werden, ihre Mitarbeit bei der Gesetzgebung wurde ausdrücklich hervorgehoben und die Beamten wurden auf sie vereidigt. Ihre Mitwirkung bei der Regierung des Reiches war so selbstverständlich, dass jeder, der etwas erreichen wollte, außer mit dem Kaiser auch mit ihr zu verhandeln hatte. Justinian teilte in Gesetzestexten gelegentlich mit, dass er das Gesetz aufgrund der Beratung mit »der allerfrömmsten, von Gott verliehenen Gattin« erlassen habe.
Theodora pflegte dem Stadtrat Vorschläge zu machen und vergaß dabei nie, »sich für die Kühnheit, frei zu reden, zu entschuldigen, da sie ja nur eine Frau sei.« Aber hinter dieser Fassade setzte sie ein frauenfreundliches Eigentums-, Erb- und Scheidungsrecht durch. Aus ihrer eigenen Geldschatulle kaufte sie Prostituierte frei und verbannte Zuhälter und Bordellbesitzer. Theodora engagierte sich aber auch für die von ihren Ehemännern Verstoßenen und errichtete ein Asyl für Hunderte von Prostituierten und für junge ledige Mütter.
»Wir haben Behörden geschaffen, um Räuber und Diebe zu bestrafen. Müssten wir nicht mit viel größerem Recht die Ehrabschneider und Schurken verfolgen, die sich gegen die Unschuld vergehen?« ließ die Kaiserin verlauten – und handelte auch danach. Wenn direkte Personalpolitik nicht möglich war, intrigierte sie zusammen mit ihrer Freundin Antonina, der Gattin des Feldherrn Belisar – so etwa erfolgreich gegen Johannes den Kappadokier, den bedeutendsten Staatsmann des Kaisers, den sie mit einer atemberaubenden Intrige stürzte und damit auch Papst Silverius in den Tod trieb. An seine Stelle setzte sie ihren Günstling Vigilius (537–555).
Als Monophysitin betrieb sie sogar eine Kirchenpolitik, die gegen die ihres Mannes gerichtet war. Ohne jeden Skrupel setzte sie die von ihr favorisierten Staatsmänner Barsymes und Narses in Schlüsselpositionen des Reiches ein. Doch Justinian setzte den monophysitischen Patriarchen von Konstantinopel, Anthemius, ab. Der Patriarch verschwand spurlos und wurde erst gefunden, als Theodora zwölf Jahre später starb. Die Kaiserin hatte Anthemius die ganz Zeit im Gynäkeion unter den Frauen versteckt gehalten, ohne dass ihr Gatte Verdacht schöpfte. Diese Geschichte ist umso erstaunlicher, als die Kaiserin sonst außer mit ihren Frauen nur mit Priestern und Palasteunuchen zusammentraf.
Theodora wird bis heute wegen ihrer Tapferkeit, die sie anlässlich des Nika-Aufstandes im Jahre 532 zeigte, bewundert. Es gab eine Revolution in Konstantinopel gegen die Zentralgewalt des Kaisers. Die Zirkusparteien verbündeten sich gegen Justinian und riefen gemeinsam mit einigen Senatoren Flavius Hypatius zum Gegenkaiser aus. Justinian soll bereits dazu entschlossen gewesen sein, die Stadt zu verlassen, als Theodora angeblich im Kriegsrat in einer flammenden Rede seinen Widerstandswillen entfachte: »Das Kaisertum (basileia) ist das schönste Leichentuch.« Obwohl der Pöbel bereits »Sieg« (»nika«) schrie, ließ Theodora den Aufstand mit Hilfe der Feldherren Belisar und Narses blutig niederschlagen und rettete somit den oströmischen Kaiserthron. Theodora lebte im Palast von Heraion am Ufer des Bosporus und führte mit Justinian eine vorbildliche, aber leider kinderlos gebliebene Ehe. Von Rom als »Dämonodora« gehasst, von ihren Untertanen als »Erdgeist des Volkes« verehrt, starb die knapp 50–jährige Kaiserin am 28. Juni 548 und wurde in der Apostelkirche beigesetzt.
In der Zentralkirche San Vitale in Ravenna, einem großartigen Beispiel byzantinischer Baukunst im Abendland, finden sich tief in der Chorpartie die beiden Monumentalkompositionen, die der Chronist Agnellus von allen Mosaiken der Kirche allein der Beschreibung für würdig gehalten hat: die Porträts von Justinian und Theodora nebst ihrem Gefolge. Theodora trägt einen Kelch, Justinian eine Patene (Diskos). Unten auf dem Mantel der Kaiserin sind die Heiligen Drei Könige gestickt, wodurch in sinnbildlicher Weise auch der Akt des Kaiserpaares näher bestimmt wird als Akt der Ergebenheit gegenüber dem König der Könige.
KÖNIGIN THEODELINDE
* unbekannt
† 627 in Modena
Friedenskönigin der Langobarden
Königin Theodelinde – ihr Name dürfte wohl ursprünglich Dietlind/Dietlinde gewesen sein – gilt als die Lieblingsgestalt in der Geschichte der Langobarden. Die schöne Theodelinde war die Tochter des Bayernherzogs Garibald und der Waltrada, der Tochter des Langobardenkönigs Wacho.
Zunächst hätte sie als etwa Fünfzehnjährige der Heiratspolitik ihres Vaters zufolge den Frankenkönig Childebert II. heiraten sollen. Doch das Heiratsprojekt scheiterte. Die stolze Herzogin wurde daraufhin auf Wunsch ihres Vaters mit König Authari verlobt, zu dem sie sich mit ihrem Bruder Gundoald († 616) flüchtete. Gundoald wurde von Authari zum Herzog von Asti ernannt.
Die Ehe Theodolindes mit König Authari war eine für beide Seiten politisch wichtige Verbindung. Als sie ihm von ihrem Vater Garibald versprochen wurde, wollte er sich aber selbst ein Bild von seiner Braut machen. Unerkannt kam er an den Herzogshof nach Regensburg. Dort wurde Authari von Theodelinde ein Becher mit Wein gereicht. Als der »Brautwerber« ihr den Becher zurückgab, berührte er ihre Hand mit dem Finger und strich ihr mit seiner Rechten von der Stirn über Nase und Wangen. Aufgeregt erzählte sie diese Begebenheit ihrer Hofdame, die richtig vermutete: »Wenn dieser Mann nicht selbst der König und Bräutigam wäre, so hätte er auf keinen Fall dich zu berühren gewagt.«
Theodolinde musste schon kurz darauf mit ihrem Bruder aus Bayern über die Alpen flüchten, als die Franken das Land mit Krieg überzogen. Authari ritt ihr entgegen, und auf dem Sardisfeld vor den Toren Veronas wurde unter dem Jubel der Bevölkerung 589 die Hochzeit gefeiert. Auf den Segen eines Geistlichen der römischen Kirche musste Theodolinde allerdings verzichten, da König Authari ein arianischer Christ war. Arianische Christen glaubten zum Beispiel nicht an die Dreifaltigkeit, sondern dass nur Gottvater wirklich Gott sei. Sie standen damit in unauflöslichem Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche.
Theodolinde hatte damals in Monza den Bau einer königlichen Sommerresidenz, die mit edelsten Kunstschätzen ausgestattet wurde, und den Bau des Johannesdoms in Auftrag gegeben. Schon ein Jahr nach der Hochzeit in Verona starb Authari im Frühjahr 590.
Da Theodelinde als Witwe das Reich allein nicht halten konnte, lud sie im gleichen Jahr den Schwager ihres verstorbenen Mannes, Agilulf, Herzog von Turin, zu sich ein und sagte dem Ahnungslosen, der ihr die Hand küssen wollte: »Der meinen Mund küssen darf, braucht die Hand nicht zu küssen.« Sie heirateten und ihr Mann übernahm die Herrschaft. Im Mai 591 wurde er in Mailand zum neuen Langobardenkönig erhoben. Angeblich war Agilulf schon bei Theodelindes erster Vermählung geweissagt worden, dass sie einmal seine Gemahlin würde. Mit letzterem hatte sie gemeinsam zwei Kinder, den späteren König Adalwald (* 602) und Gundperga.
Agilulf,