Quellen und Literatur: Carl von Ossietzky: Sämtliche Schriften. Hrsg. von Werner Boldt, Dirk Grathoff, Gerhard Kraiker u. Elke Suhr unter Mitwirkung v. Rosalinda v. Ossietzky-Palm, Reinbek 1994; Elke Suhr: Carl von Ossietzky. Eine Biographie. Köln 1988; Gunther Nickel: Die Schaubühne – Die Weltbühne. Siegfried Jacobsohns Wochenschrift und ihr ästhetisches Programm. Opladen 1996; Dirk Grathoff: Ossietzky, Carl von. In: NDB 10 (1998), S. 610f.; Werner Boldt: Carl von Ossietzky: Vorkämpfer der Demokratie. Berlin 2013
Fritz Gerlich
1883 in Stettin geboren, zog Fritz Gerlich, Sohn des Kaufmanns Paul Gerlich, 1903 zum Studium nach München. Er studierte Geschichte und Anthropologie und wurde Vorsitzender der »Freien Münchner Studentenschaft«. Nach seiner Promotion 1906 wandte er sich zunächst dem bayerischen Archivdienst zu. Am Ersten Weltkrieg nahm er aus gesundheitlichen Gründen nicht als Soldat teil, gründete jedoch 1917 die Zeitung »Die Wirklichkeit – Deutsche Zeitschrift für Ordnung und Recht«, die eine so radikal nationalistische Linie vertrat, dass sie auf Anweisung der Zensur noch im selben Jahr eingestellt werden musste.
Als er nach der Revolution von 1918, die in Bayern besonders dramatisch verlaufen war, sodass er sich nach Bamberg hatte zurückziehen müssen, nach München zurückkehrte, setzte sich Gerlich heftig gegen Kommunismus und Marxismus ein, außer durch Reden auch in Beiträgen für die »Historisch-politischen Blätter« und die »Süddeutschen Monatshefte«. 1920 wurde Gerlich Chefredakteur der »Münchner Neuesten Nachrichten«, die er bald zur bedeutendsten der damals noch höchst zahlreichen Münchner und süddeutschen Zeitungen machte. 1928 jedoch verließ er die Zeitung, da er sich mit den Herausgebern zerstritten hatte. Fürs Erste arbeitete er wieder im Archiv.
Nachdem er, evangelisch erzogen, zu Therese von Konnersreuth gefahren war – eigentlich, um ihre Stigmatisierung als Betrug zu entlarven –, kehrte er beeindruckt zurück und konvertierte 1931 zum Katholizismus. Gerlich übernahm die Wochenzeitung »Der illustrierte Sonntag« und benannte sie in »Der gerade Weg« um. Zusammen mit dem Kapuzinerpater Ingbert Naab leitete er sie als Organ, das sich gegen den Nationalsozialismus richtete. Hauptangriffspunkte Gerlichs und Naabs waren die Rassenlehre der Nationalsozialisten und der Propagandastil der Partei. Eigene Informanten berichteten über die Partei Hitlers und zeigten deren Unaufrichtigkeit und Widersprüchlichkeit auf. Ein Artikel über Hitlers Buch »Mein Kampf« bewertet »Der gerade Weg« Werk so:
[Die] Mischung von Unkenntnis und mangelnder Fähigkeit, schwierige Probleme überhaupt zu durchschauen, erklärt die Plattheit seines Buches »mein Kampf«, in dem er in der Manier des »kleinen Moritz« über schwierigste Fragen des menschlichen Gemeinschaftslebens, der Kultur und des Verhältnisses der Staaten zueinander hinwegredet. Das Buch könnte von einem schnodderigen, in Leitomischl geborenen Vertreter der »Journaille« verfasst sein. Sie erklärt auch, warum er in seinen Vorträgen – auch im engeren Kreise – so ängstlich jede positive Angabe und Erörterung vermeidet, sich dafür aber umso mehr in verschwommenen Redensarten ergeht, die er bei seiner demagogischen Begabung sehr geschickt so berechnet und formuliert, daß sich jeder seiner Zuhörer trotz größter Gegensätze in der Berufsstellung und den Interessen das hineindenken kann, was er wünscht. Dies erklärt, auch, warum Hitler jede positive Angabe über das vermeidet, was er tun will, wenn er die Macht errungen hat. Er vertröstet seine Anhänger mit der Behauptung, das habe er sich alles schon überlegt, und sie würden es dann ja sehen, wenn er die Macht erlangt hat. Er verrate außerdem seinen Gegnern nicht seine Befreiungsrezepte. In Wirklichkeit müsste er bei einem solchen Versuch, das Programm seiner Tätigkeit als Machthaber Deutschlands zu umschreiben, zu den einzelnen konkreten Fragen Stellung nehmen. Er weiß aber, dass ihm dazu das Wissen und der Verstand völlig fehlen und dass er für derartige Arbeiten ebenso gänzlich auf seine zumeist ebenso unzulänglichen Mitarbeiter angewiesen ist.
Der gerade Weg, 4. Jahrgang Nummer 8; vom 21.2.1932
Am 9. März 1933 wurden die Redaktionsräume von der SA der Zeitung überfallen; Fritz Gerlich wurde niedergeschlagen und festgenommen. Er kam in sogenannte Schutzhaft. In der Nacht des »Röhm-Putsches« wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht und von den Nationalsozialisten ermordet.
Quellen und Literatur: Fritz Gerlich: Das Testament Heinrichs VI. Versuch einer Widerlegung. Berlin (Diss.) 1907; ders: Gesch. u. Theorie d. Kapitalismus. München 1913; ders.: Die stigmatisierte Therese Neumann v. Konnersreuth. 2 Bde. München 1929; Karl Otmar von Aretin: Gerlich, Albert Fritz. In: NDB 6 (1964), S. 307f.; Michael Schäfer: Fritz Gerlich. (Diss) 1998, http://www.gerlich.com/ (19.06.2013); Manfred Berger: Fritz Gerlich. In: BBKL 22 (2003), Sp. 394–409; Rudolf Morsey (Bearb.): Fritz Gerlich – ein Publizist gegen Hitler. Briefe und Akten 1930–1934. Paderborn u. a. 2010; Georg Schwaiger: Dr. Fritz Michael Gerlich, in: Helmut Moll (Hrsg.): Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bd. I, Paderborn 52010, S. 394–397
Ernst Niekisch
Der am 23. Mai 1889 in Trebnitz (Schlesien) geborene Ernst Niekisch war Sohn des Feilenhauermeisters August Niekisch und verbrachte seine Jugend in Nördlingen. Zunächst ergriff er den Beruf des Volksschullehrers, dann diente er im Ersten Weltkrieg. 1917 in die SPD eingetreten, wurde er in der Revolution, die in Bayern einen extremen Verlauf nahm, im Februar 1919 nach dem Tod Kurt Eisners Regierungschef in Bayern. Nach der Beseitigung des Rätesystems in Bayern wurde er zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Er trat in die USPD ein und wurde im Bayerischen Landtag deren Fraktionschef, nach deren Vereinigung mit der SPD 1922 Vize-Fraktionschef.
Doch 1923 schied er aus dem Landtag aus und zog nach Berlin. 1926 trat er auch aus der SPD aus. Zusammen mit seiner Frau gründete er einen Verlag namens »Widerstand« und gab eine gleichnamige Zeitung mit dem Untertitel »Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik« sowie eine Zeitschrift namens »Entscheidung« heraus. Obwohl zu seiner grundsätzlich sozialistischen Gesinnung auch in einer Phase seines Wirkens nationale Gedanken hinzutraten, stellte er sich sehr früh gegen Hitler und die NSDAP.
1932 erschien sein Hauptwerk: »Hitler – ein deutsches Verhängnis«; in ihm beklagt er unter anderem die Verführungskunst Hitlers und die Verführbarkeit, die die Deutschen seiner Ansicht nach kennzeichnet:
Das Maß an Vertrauen, das Hitler genießt, ist ohnegleichen. Durch keine Tat noch hat Hitler bestätigt, dass er so vielen Vertrauens würdig sei; ihm wird das Vertrauen blindlings gegeben. Er ist ein unübertrefflicher Meister in der Kunst, die Menschen einfach an sich glauben zu machen, ohne zuvor die Frage nach seinem Können und Vermögen beantwortet zu haben.
Der Deutsche ist von Natur aus gläubig. […]
Die deutsche Glaubensbereitschaft ist die Konjunktur aller falschen Propheten; sie führt immer wieder in Versuchung, sie schmählich auszubeuten. Wer sich darauf versteht, die glaubenshungrige Phantasie anzuregen, hat jederzeit Aussicht, eine Gemeinde zu finden. Je böser die Zeiten sind, desto verzweifelter ist der Glaube; so will man sich über sie hinweghelfen. Es braucht nur einer zu kommen, der am gewissesten von der Wende aller Not zu reden versteht; dann wird er sogleich auf Händen getragen. […]
Allen insgesamt freilich, die je in Deutschland politisches Vertrauen fanden, lief Hitler den Rang ab. Nie bot er etwas anderes als Worte; nichtsdestoweniger flogen ihm Millionen von Herzen zu. Seit 1919, so darf man sagen, wirbt er um politische Kredite. Er hat wirksame Regeln in der Kreditwerbung ausgedacht; er weiß, dass man umso mehr Kredit bekommt, je erfindungsreicher die Propaganda, je aufrüttelnder die Reklame ist.
Was Hitler schreibt, ist stets irgendwie verschwommen und umrißlos; er kann nicht bestimmt und scharf denken und hat keine klaren Gesichte. Das Beste aber, was er je drucken ließ, sind die Abschnitte über Propaganda in seinen beiden Bänden [den Teilbänden von »Mein Kampf« Anm. d. Verf.]
Zitiert nach: Hitler – ein deutsches Verhängnis. Berlin 1932, S. 32f.