Antibiotika in der Zahnmedizin. Michael Hülsmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Hülsmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783868675535
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       Zahnärztliche Chirurgie

       Odontogene Infektionen

       Julia Heider, Bilal Al-Nawas

      Odontogene Infektionen entstehen durch entzündliche Prozesse, die entweder von den Zähnen oder vom Zahnhalteapparat ausgehen. Abhängig von der Ursache (z. B. Karies profunda, apikale Parodontitis, Parodontitis, Periimplantitis, Paro-Endo-Läsion, verlagerte und retinierte Zähne, infiziertes Augmentationsmaterial) und einer bestehenden Ausbreitungstendenz kann nur punktuell eine Aussage über die Prävalenz odontogener Infektionen getroffen werden. In einem ambulanten zahnärztlich-chirurgischen Zentrum in Deutschland wurde im Zeitraum 2000 bis 2007 eine Prävalenz odontogener Infektionen von 9,2 % angegeben1. In jeder Altersklasse können odontogene Infektionen auftreten. Am häufigsten sind 20- bis 40-jährige Patienten betroffen1–6. Bei Kindern wird ein Zusammenhang zwischen einem progredienten Verlauf der Infektion und einem niedrigen Gewicht diskutiert7. Bei Männern treten odontogene Infektionen häufiger auf als bei Frauen, wobei dies vom Untersuchungszeitraum, der Untersuchungslokalisation (ambulant/stationär) und dem Untersuchungsland variieren kann4,5,8. Der erste und dritte Molar stellen die häufigsten Infektionsquellen für eine odontogene Infektion dar. Die Molaren im Unterkiefer lösen dabei in mehr Fällen eine odontogene Infektion aus als die Molaren im Oberkiefer9,10. Odontogene Ursachen im Oberkiefer können zu Wangenabszessen führen. Von Unterkieferzähnen ausgehende odontogene Infektionen zeigen dagegen eher eine Ausbreitung nach submandibulär, perimandibulär und pterygomandibulär, wobei eine Ausbreitung der odontogenen Infektion nach submandibulär am häufigsten auftritt3,4,8. In der AWMF-S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“ wird zur Vereinfachung der Nomenklatur die evidenzbasierte Empfehlung der Einteilung der odontogenen Infektionen in „Infiltrat, lokale odontogene Infektion ohne/mit Ausbreitungstendenz und ohne/mit lokalen oder systemischen Komplikationen“ ausgesprochen11.

      Die meisten lokal begrenzten odontogenen Infektionen werden ambulant therapiert. Bei einer fortschreitenden Entzündung mit Weichgewebsbeteiligung, z. B. durch eine akute oder chronische apikale Parodontitis ausgelöst, treten bei odontogenen Infektionen die typischen Entzündungszeichen Rubor, Tumor, Calor, Dolor und Functio laesa auf. Abhängig von der odontogenen Ursache der Infektion unterscheiden sich die lokalen klinischen Symptome und Ausbreitungstendenzen. Bei einem Infiltrat oder einer lokalen odontogenen Infektion kommt es zu einer enoralen Schwellung, die sich, je nach ursächlichem Zahn, in verschiedene Regionen ausbreiten kann (Abb. 1 bis 3). Besonderen Stellenwert nehmen nicht abgeschlossene endodontische Therapien und Karies profunda als Ursache für eine odontogene Infektion ein und steigern das Risiko, eine odontogene Infektion zu entwickeln. Eine ausführliche Anamnese ist notwendig, um eventuell bestehende Risikofaktoren, z. B. ein nicht eingestellter Diabetes mellitus, Immunsuppression, für eine Ausbreitung der odontogenen Infektion erkennen zu können. Die initiale Einschätzung, ob eine Ausbreitungstendenz besteht, wird häufig durch den Hauszahnarzt gestellt. Um diese Einschätzung durchführen zu können, ist neben der Anamnese eine extra- und enorale klinische Untersuchung notwendig. Hierbei soll laut S3-Leitlinie „auf Zeichen der Ausbreitungstendenz“ geachtet werden, wie z. B. Einschränkung der Mundöffnung, Druckschmerz am Kieferwinkel/Augenwinkel (V. angularis), extraorale Schwellung (Ist der Unterkiefer durchtastbar?), Schluckbeschwerden, Atemnot, angehobener Mundboden, kloßige Sprache, Fieber, Exsikose“11. Die chirurgische Entlastung einer lokal begrenzten odontogenen Infektion steht weiter an erster Stelle der Therapie (Abb. 4 bis 7). Entleert sich Pus und liegen keine Risiken von Seiten des Patienten vor, kann in diesem Stadium der odontogenen Infektion auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden. Zeigt sich keine Entleerung von Pus oder liegen Risikofaktoren des Patienten für eine mögliche Ausbreitung der odontogenen Infektion vor, kann ein orales Antibiotikum verschrieben werden. Die Entfernung der Ursache der odontogenen