O wie lange noch raubt feindliches Los mir mein Glück!
Meine Wimpern, sie sollen den Fuß mit Tränen vergolden,
Welcher mir Kunde bringt, freundliche Kunde von dir.
Lange schon hab’ ich gebetet, du heb’ nun die Hände zum Beten.
Treue weich’ nicht von dir; Gott, mein Beschirmer, ist nah.
Würde mein Haupt von der Welt mit Schwertern und Kolben geschlagen,
Nimmer schlüge man mir Treue für dich aus dem Haupt.
Dir ists bewusst, dass der Himmel mit jedem erneuerten Schwure
Gegen unseren Bund Hass und Erbitterung mehrt.
Wenn gleich Schicksal und Welt uns beide mit Unrecht bedrängen,
So verschaffet uns doch unser Beschützer einst Recht.
O es kommt noch ein Tag, wo der Freund mit Wohlsein zurückkehrt;
Froher, seliger Tag! Kommt er mit Wohlsein zurück!
Deine Gedichte, Hafis, beschämen die Blätter der Rose,
Weil sie atmen das Lob rosiger Wangen des Freunds.
XIV.
Seit deine Schönheit dem Verliebten
Die Hoffnung zum Genusse gab,
Hat sich mein Herz und meine Seele
Gestürzet in dein Mal und Haar.
Solch Qual und Leiden, als Verliebte
Erfahren von der Hand der Flucht,
Solch Qual und Leiden hat erlitten
Die Märt’rerschar von Karbela.1
Wenn sich mein Türke selbst betrinket
Und meine Seele trunken macht,
So ist es meine Pflicht vor allen
Auf Nüchternheit Verzicht zu tun.
Die Frühlingstage und die Jugend,
Die Zeit der Freude und des Weins,
Vier Tage sind es nur, o wehe!
Benütze die Gelegenheit.
Hafis! Wenns dir vielleicht gelinget
Den Fuß zu küssen deines Schahs2
So bist du in den beiden Welten
Erhöht mit Herrlichkeit und Macht.
1Die siebzig Gefährten Hosseins, die in der Schlacht von Karbela mit ihm teils erschlagen wurden, teils aus Durst umkamen. Überall, wo morgenländische Dichter auf brennende Sehnsucht und heißen Durst anspielen, werden diese Märtyrer in Anspruch genommen. Deshalb geschieht ihrer nirgends so häufig Erwähnung als in den Aufschriften der Brunnen und Fontänen. So sind die Durstigen zur Ehre gekommen, die Beschützer der öffentlichen Wasseranstalten zu sein, wie die Siebenschläfer zur Ehre des Patronats der otomanischen Seemacht.
2Der Schah, das ist der Geliebte.
XV.
Gnädig bist du, wenn du
Nicht verwehrst dem armen Harut,
Dass er nach Verlangen
Schau ins Auge seinem Marut.1
Von der Liebe Leiden –
Bin ich überhäuft wie Harut,
Wollte Gott, ich hätte
Nie gesehen meinen Marut!
In des Kinnes Grübchen
Wäre nicht gefallen Harut,
Hätte nicht entlehnet
Deiner Schönheit Schatten Marut.
Rosen blühn, ihr Peris,
Kommet auf die Fluren Haruts;
Nachtigallen singen,
Trunken von dem Auge Maruts.
Qual und Leiden
Kostet mich die lange Trennung,
Zeig’ dich gnädig, dass einst
Auch Hafis dein Antlitz sehe!
1Harut und Marut, zwei Engel, welche, von Gott auf die Erde gesandt, Menschentöchter verführten und dann selbst gegeneinander in Liebe entbrannten; Suhre (Venus), ein tugendhaftes Weib, das ihre Anträge zurückgewiesen hatte, ward zur Belohnung für ihre Tugend in den Himmel versetzt, wo sie im Morgenstern die Laute spielt zum Reigen der Sterne. Harut und Marut aber wurden zur Strafe ihrer Missetaten in einem Brunnen bei Babel bei den Füßen aufgehängt, wo sie bis ans Ende der Welt so hängen bleiben, unterdessen aber allen, die sich dem Brunnen nahen und mit ihnen sich unterhalten wollen, in der Zauberei Unterricht geben; aus dieser sonderbaren Mythe fließen die häufigen Anspielungen in den erotischen persischen Gedichten, wo bald der Zauberreiz des Geliebten nur der Zauberkraft dieser beiden gefallenen Engel, und bald das Kinngrübchen mit dem Brunnen, in dem sie aufgehänget sind, verglichen wird.
I.
Ich sprach zu dem Schah der Schönen:
Erbarme dich dieses Fremden,
Er sagte: Wohl mögen im Sinn
Verirren sich die Fremden.
Ich sagte: Verweil’ ein wenig,
Er sprach: Halt mich entschuldigt;
Was kümmert uns Kinder vom Haus
Der Gram von solchen Fremden!
Wer königlich hingebettet
Auf Hermelinen lieget,
Der kennet nicht Kissen aus Stein,
Das Dornenbett des Fremden.
O du, in den Ketten dessen
So viele Freunde schmachten,
Es schickt sich das Mal zum Gesicht
Gar schön gleich einem Fremden.
Es scheinen die feinen Haare
Auf deinen Wangen fremde,
Doch sollte auf Sinas Gemälden
Der Haarstrich nicht befremden.
Auf deinem Gesicht erscheinet
Der Widerglanz des Weines,
Wie Purpurblüh’ lieblich erscheinet
Auf der Narziss’ der Fremden.
Ich sprach zu dem Abend: Schwarz ist
Dein Haar, dem Fremde huldigen,
Mit Rechte beklagen sich dann
Zur Morgenzeit die Fremden.
Es sprach zu sich selbst der Dichter,
Bekannte werden irre;
So minder dann darf dich befremden
Der Gram und Schmerz der Fremden.
II.
Schon lächelt der Morgen,
Und Wolken ziehn her,
Den Wein! den Wein! Ihr Freunde!
Auf Wangen der Tulpen
Entglänzet der Tau,
Den