Sie zittern vor Ihrer Moskau-Reise vor der russischen Mafia? Vergessen Sie es. Denn diese rechnet in der Regel nur untereinander ab. Der Verkehr ist wesentlich riskanter: Alljährlich fordern russische Straßen 30.000 Tote, das sind sechs Mal mehr Menschenleben als im gleichen Zeitraum bei Unfällen in Deutschland sterben. Die Zahl der Verkehrstoten in Russland ist in den letzten Jahren dennoch rückläufig, auch wenn es immer mehr Autos auf den Straßen gibt. Ein Grund hierfür sind die ausländischen Fahrzeuge, oft mit Anti-Blockier-System und Airbag ausgestattet, die deutlich sicherer als ihre russischen Mitstreiter sind. Allerdings bleiben kratertiefe Schlaglöcher in den Straßen, vor allem auf dem Land, enorm gefährlich!
Doch was ist in Moskau anders als in anderen europäischen Großstädten? Und warum muss man an Werktagen drei bis vier Stunden Zeit im Stau einkalkulieren? Schuld an der prekären Verkehrslage in der Hauptstadt sind die sowjetischen Städteplaner, die Moskau noch in den späten 1980er-Jahren im besten Fall 600.000 Autos prophezeit hatten. Heute sind jedoch mindestens zehnmal so viele Fahrzeuge in der Metropole unterwegs, da sich immer mehr Menschen ein Auto leisten können. So viele Luxuskarossen wie in Moskau sucht man anderswo vergebens! So viel Stau allerdings auch: Moskau taucht regelmäßig ganz oben auf der Welt-Stau-Statistik auf. 91 Stunden verbringt ein Moskauer pro Jahr in einer Staukolonne, das sind gut ein Viertel seiner Gesamtfahrzeit, so die Zahlen der Inrix-Staustudie.
Abhilfe gegen das Verkehrschaos sollen immer wieder neue Straßenbaupläne schaffen, die allerdings nicht immer die beste Lösung für die Umwelt sind. Nun setzt die Moskauer Stadtregierung auf die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs und will die Metro weiter ausbauen – mit recht ambitionierten Zielen.
Die Vehikelflut bringt akuten Mangel an Parkplätzen mit sich: Öffentliche Garagen sind eine Neuerscheinung, der Wagen wird vielmehr abgestellt, wo Platz ist. Jede Fläche, auf die ein Auto passt, ist ein potenzieller Parkplatz! Dazu zählen Bürgersteige, Parks, Hofzufahrten oder Grünstreifen. Beliebt ist auch das Parken in zweiter Reihe, was die endlosen Staus nur noch verschlimmert. Auch das Problem ist der Moskauer Stadtverwaltung bekannt, und so wurde längst schon angekündigt, neue Parkhäuser und Tiefgaragen zu bauen. Die offiziell ausgewiesenen Park- und Stellplätze reichen nicht einmal für ein knappes Drittel der Autos, die auf Moskauer Straßen unterwegs sind. Parken auf dem Gehweg bleibt natürlich nicht ohne Strafe: Hierfür müssen Moskauer Autofahrer einige Rubel hinblättern.
Mit einem Blaulicht auf dem Dach hat man in Moskau freie Fahrt. Wenn man die richtigen Kanäle kennt, gibt es solche »Freifahrtscheine« für mehrere tausend US-Dollar. Ohne Quittung, versteht sich. Auch das Nummernschild gibt Auskunft über den Fahrer: Angehörige von Kreml, Zoll oder Geheimdienst, die man am Kennzeichen erkennt, werden in der Regel nicht gestoppt. Dieses System mit den Kennzeichen stammt noch aus Breschnjew-Zeiten: Er hatte die Nummer 0001. Auch Diplomaten, ausländische Repräsentanzen und Journalisten haben bestimmte farbige Nummernschilder, mit denen man sie sofort zuordnen kann.
Was können Sie besser machen?
Sind Sie selbst Autofahrer? Verzichten Sie in Moskau lieber darauf, wenn Sie nicht schon drei Jahrzehnte vor ihrer Pensionierung vorschnell ergrauen möchten! Sollten Sie einem GAIschnik begegnen, bleiben Sie gelassen. Ideal wäre natürlich, wenn Sie der russischen Sprache mächtig wären – oder jemanden dabei hätten, der sich mit den leider immer noch oft recht willkürlichen »Gesetzesauslegungen« auf russischen Straßen auskennt, die immer zu einem Bußgeld führen – offiziell oder inoffiziell. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, eine Quittung dafür zu verlangen! Falls Sie den offiziellen Weg einschlagen, könnte ihr Fahrzeug sogar beschlagnahmt werden, bis Sie die Strafe bei einer Bank eingezahlt haben – je nach Gutdünken des GAIschniks.
Andererseits gibt es glücklicherweise auch viele Beamte, die wsjatki rigoros ablehnen. Wir wollen ja hier nicht den Eindruck erwecken, dass Sie an jeder Straßenkreuzung kräftig in die Tasche greifen müssen und es in Russland von grimmigen Verkehrspolizisten nur so wimmelt, die sich gebieterisch vor Ihrem Fahrzeug auftürmen und nur darauf warten, Sie um ein paar Scheine zu erleichtern. Aber: Sollten Sie in solch eine Situation kommen, dann wundern Sie sich nicht. Am besten »regelt« Ihr Mischa das, falls Sie einen haben!
Wer trotz täglicher Staus und den Vorzügen der Moskauer Metro dennoch nicht auf sein Auto verzichten kann, sollte einen großen Wagentyp wählen. Darin lässt es sich dank Tablet, Notebook oder Laptop prima arbeiten, sofern man einen Fahrer hat. Und den gibt es meist auf Empfehlung aus der Expat-Community, also von anderen Ausländern vor Ort. Die meisten Ausländer in Führungspositionen beschäftigen einen Fahrer. Dieser übernimmt auch Besorgungen. Ein Problem bei älteren Fahrern sind manchmal die Fremdsprachen. Und selbst wenn ein Fahrer ein wenig Englisch kann, so ist noch lange nicht garantiert, dass er sich in Moskau tatsächlich auskennt. Denn nicht wenige Fahrer stammen aus der Provinz oder aus den südlichen Ex-Sowjetrepubliken. Sie arbeiten in Moskau und versorgen ihre Familien zu Hause mit dem weitaus höheren Einkommen, das sie in der Hauptstadt erzielen.
Andererseits können Sie den Stau immer als Ausrede benutzen, sollten Sie sich zu einem Termin verspäten. Eine Viertelstunde später zu kommen, ist übrigens in Ordnung, rufen Sie die Wartenden dennoch lieber an, damit das Meeting nicht ohne sie beginnt. Aber: Nie an die Decke gehen, immer schön ruhig bleiben – denn ändern können Sie den Stau ohnehin nicht.
Sind Sie hingegen Fußgänger, dann sollten Sie alles, aber auch alles, was Sie jemals im Rahmen der Verkehrserziehung oder in der Fahrschule gelernt haben, schnellstmöglich vergessen! Zebrastreifen sind nur ein Straßenschmuck. Eine weitere Bestimmung gibt es dafür nicht, zumindest nicht in Russland! Ampeln? Das könnte eine blinkende Kunstinstallation sein – entsprechend wenig gibt es davon in den Städten. Nutzen Sie daher lieber die Unterführungen, auch wenn Sie einen Umweg in Kauf nehmen müssen. Sollten Sie die Straße dennoch einmal an einer Stelle ohne Verkehrszeichen überqueren wollen, hilft nur eins: Trainieren Sie schon mal im heimischen Fitnessstudio, sputen Sie sich und versuchen Sie am besten, dem Weltrekord der russischen Sprinterin Irina Anatoljewna Priwalowa (Jahrgang 1964) nachzueifern: Sie schaffte 100 Meter in nur 10,77 Sekunden. So dürften Sie die andere Straßenseite hoffentlich heil erreichen!
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HERR MÜLLER LANGT BEIM FRÜHSTÜCK KRÄFTIG ZU
SYRNIKI, BLINI UND GULASCH AM FRÜHEN MORGEN
Herr Müller ist geschockt, mit welcher Brutalität sein Tischnachbar vorgeht. Ein einziger, gezielter Messerhieb – und die Köpfung ist vollstreckt. Allerdings am falschen Ende. Oder essen Russen ihre gekochten Frühstückseier immer andersrum? Fast verschluckt sich Herr Müller, so lenkt ihn der Eierköpfer am Nebentisch ab. Doch damit ist längst noch nicht Schluss! Der grausame Exekutor im Hotelrestaurant setzt noch eins drauf: Er nimmt eine Banane in die Hand und hält diese wie eine Pistole, indem er den Stiel zum Griff macht. Will er ihn damit etwa bedrohen? Nun beginnt er auch noch, die Banane von der falschen Seite zu schälen!
Das ist ja eine verkehrte Welt hier in Russland, staunt Herr Müller. Er beschließt, sich lieber wieder seinem eigenen Teller zuzuwenden, bevor er Zeuge anderer kulinarischer Hinrichtungen wird: frisch gepresster Orangensaft, leckere blini mit Marmelade und warme syrniki – an solch ein Frühstück könnte sich Paul Müller gewöhnen.
RUSSISCHE FRÜHSTÜCKSKLASSIKER
Unglaublich, wie luftig-locker die blini, kreisrunde kleine Pfannkuchen, schmecken! Das kommt vom Buchweizenmehl. Anderswo werden blini auch mit Hirsemehl zubereitet, gelegentlich