Kurzum: Australien ist nicht für sein gutes Essen berühmt. Sollten Sie bei Ihrer nächsten Weltreise Hunger verspüren, empfiehlt sich der Umweg über Australien nicht aus kulinarischen Gründen. Dafür ist der Einfluss der britischen Küche zu stark, und noch hat sich keine eigenständige australische Küche etabliert. Ein Nationalgericht etwa existiert down under nicht – das »gute Essen« ist international, vor allem asiatisch.
Was es dafür aber in rauen Mengen gibt, sind mehr oder weniger zweifelhafte Delikatessen. Dazu zählt auch das von Steffen todesmutig gekostete Vegemite.
Zu dick aufzutragen, ist natürlich ein Anfängerfehler, der einen als unwissenden Ausländer entpuppt. Das allein fände der Australier – hier repräsentiert durch den Kellner – sicher noch komisch, doch bedient Steffen der Reihe nach alle Klischees des typisch deutschen Reisenden. Der will Sprudel, den es nicht gibt, »echtes« Brot, das es genauso wenig gibt, und steten Sonnenschein, den es natürlich auch nicht gibt. Damit bedient er genau die Stereotype, die Australier nerven, die mit Touristen zu tun haben (und das sind viele!).
Was können Sie besser machen?
Tja, gekostet haben sollte man Vegemite schon. Do as the locals do, heißt es doch so schön. Und der Australier behauptet auch, Vegemite sei gesund – schließlich enthalte das Hefeextrakt ungezählte Vitamine, die die Kinder groß und stark und pausbäckig werden lassen. Wer das Abenteuer wagen möchte, braucht eine Schutzbrille und zwei Gummihandschuhe. Dann kann man die Paste hauchdünn (!) auf seinen Toast auftragen und, äh, genießen. Direkten Hautkontakt gilt es zu vermeiden. Wer das Erlebnis daheim nachstellen möchte, kann mit Maggi gurgeln.
Vegemite steht aber nur stellvertretend für die australische Küche. Sicher, auch hier gibt es unzählige internationale Restaurants, in denen man lecker essen kann – aber die einheimische Kost bleibt meist hinter den Erwartungen zurück. Wundern Sie sich also nicht, wenn man Ihnen mit viel Trara Speisen serviert, die zehnmal besser aussehen, als sie schmecken.
Zu den Klischees: Australier lieben Klischees. Über jedes Land, das bei ihnen zu Besuch ist, gibt es welche. Auch das wird Steffen noch auf die harte Tour lernen (siehe Episode 34). Doch irgendwann ist es auch gut, und wenn er zum 127. Mal im Monat gefragt wird, warum es denn kein Brot gebe, ist auch der charmanteste Kellner genervt. In Deutschland fänden Sie es auch albern, wenn man sie zum 127. Mal fragt, wo denn die Ramen-Nudeln seien. Oder warum Sie denn gar keine Lederhosen tragen.
Dazu noch der Hinweis: Unter Brot (bread) versteht der Australier Toast; unter toast versteht er getoasteten Toast. Wer als Deutscher aber nicht auf seinen täglichen Fix Backwaren verzichten mag, kann sich an die deutschen Bäckereien halten, die in den Großstädten wie Pilze aus dem Boden schießen (einfach der Nase nach!). Und Sprudel ist in Australien eine Rarität; wer Wasser bestellt, bekommt stilles Mineralwasser.
Wichtig ist nur, locker zu lassen. Wir sind nicht mehr in Deutschland – und Teil des Spaßes ist es auch, seine comfort zone zu verlassen, samt Selters und der Wettervorhersage nach der Tagesschau.
5
IM HOSTEL
LENA SCHLÄFT MIT FREMDEN MÄNNERNUND KOMMT NICHT AUS DEM BETT
Lena nähert sich immer mehr einem Zustand leichter Verzweiflung. Schon wieder muss sie Schlange stehen – und das nur, um ihr Gepäck wieder aufzugeben. Und das Zeitfenster, um ihren Anschlussflug noch zu erreichen, schmilzt munter vor sich hin.
Doch irgendwie klappt es dann. Chaotisch, auf den letzten Drücker, aber es klappt. Mit einem erleichterten Seufzer lässt sich Lena als einer der letzten Passagiere auf ihrem Sitz nieder, und kurz darauf geht es los. Nur rund drei Stunden trennen sie jetzt noch von ihrem ersten Ziel: Cairns, dem tropischen Backpackerparadies. Der Reiseführer verspricht eine »laid-back atmosphere« und garantiert jede Menge Entertainment. Und natürlich den Sommer, den es in Sydney gerade nicht gibt.
Einen Teil der Strecke fliegt Lena nun wieder zurück nach Norden, entlang der australischen Ostküste, doch dieses Mal fühlt es sich gleich viel besser an. Zwar kann sich Lenas Gehirn immer noch nicht festlegen, ob es nun Schlaf oder Kalorien fordern möchte, aber die Stimmung ist wesentlich entspannter. An Bord befinden sich viele Urlauber, draußen scheint die pralle Sonne und das Meer sieht von oben unwiderstehlich einladend aus.
Wären nicht die Rückenschmerzen, würde der Flug wie im Flug vergehen. Doch so ziehen sich die drei Stunden. Zum Glück wartet am Ende der langen Reise die Belohnung, denkt sich Lena und döst den Flug über vor sich hin.
Nach der zweiten Landung an diesem Tag hat Lena das Gefühl, endlich in Australien angekommen zu sein. In Cairns gibt es keine Spur mehr vom uninspirierten Nieselregen – stattdessen läuft Lena in eine Wand aus heißer, feuchter Luft. Es duftet exotisch, und so weit das Auge reicht, sieht sie mit dichtem, saftigem Grün bewachsene Hügel. Das ist Australien, denkt Lena – und gerät augenblicklich ins Schwitzen.
Auch danach läuft es viel geschmeidiger als bei der Einreise. Auf ihr Gepäck muss sie kaum warten, und auch ein Shuttle zur nahegelegenen Stadt ist schnell organisiert. Lena hat sich zwar bewusst vorgenommen, auf ihrer Reise möglichst wenig penibel im Voraus zu planen (sie ist schließlich nicht mit ihren Eltern unterwegs …), aber für ihre ersten Tage hat sie bereits ein Hostel ausgewählt, das vom Reiseführer empfohlen wurde.
Zum Glück ist der Minivan, der Lena zum Hostel ihrer Wahl chauffiert, klimatisiert. Draußen ist es so warm und feucht, dass Lena das Gefühl hat, gar keine Luft zu bekommen. Hoffentlich ist mein Zimmer ebenfalls klimatisiert, denkt Lena, als sie sich an der Rezeption einschreibt. Aber … für diesen Preis?
DISCOUNT, PLEASE
Viele der australischen Hostels sind Teil der Youth Hostelling Association (YHA) Australiens. Sparfüchse können eine Mitgliedskarte dieses Verbandes kaufen und bekommen dann in allen zugehörigen Hostels einen Rabatt; meist rentiert sich diese Investition bereits nach wenigen Nächten. Darüber hinaus gibt es immer mehr Möglichkeiten, diese Karte als Rabattkarte in ganz Australien zu nutzen – wie für günstigere Mietautos oder reduzierte Bustickets. Unter Umständen lohnt sich die Mitgliedschaft sogar für Reisende, die überhaupt nicht vorhaben, im Hostel zu nächtigen!
Auf dem Zimmer angekommen stellt sie erleichtert fest, dass es in der Tat eine Klimaanlage gibt, auch wenn sie gerade nicht läuft. Entsprechend riecht es muffig und nach verschwitzten Klamotten. Kein Wunder, denn zwei der vier Betten scheinen belegt zu sein, und ihre gerade abwesenden Mitbewohner haben ihr Zeug großflächig im Zimmer verteilt. Lena bemerkt darunter auch modisch fragwürdige, weil grelle Shorts und riesige Turnschuhe. Männerklamotten, wundert sich Lena noch, bevor sie ihre Sachen ablegt und sich frisch macht.
Die Verlockung, im Bett einmal Probe zu liegen, ist gewaltig. Doch Lena entscheidet sich stattdessen, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Während sie an Cairns’ Promenade entlangschlendert, entscheidet sich Lenas Gehirn endgültig, es sei nun Zeit, etwas zu essen. Und als sie kurz darauf mit einem ungesunden Burger und fettigen Fritten auf einer Bank sitzt und die Aussicht aufs Meer genießt, unter der prallen Sonne mit ein paar ausgesprochen fluffigen Wolken, ist zum ersten Mal alles gut. Einfach gut.
Für ein paar Stunden gelingt es Lena nach dem Burger noch, die Augen offen zu halten. Danach fordert der Jetlag aber seinen Tribut und Lena beschließt, einen langen (oder doch kurzen?) Tag zu beenden. Wieder im Hostel angekommen, stößt sie auf zwei Gestalten, die sich in ihrem Zimmer herumtreiben.
»Hi! Where are you from?«, wird sie gleich von einem der beiden überfallen. Lena ist noch ein wenig irritiert, was zwei Jungs auf ihrem Zimmer verloren haben, realisiert aber dann, dass es ihre Mitbewohner sind. Artig antwortet Lena, sie sei aus Deutschland. Doch ihr ist so gar nicht nach Konversation zumute, schon gar nicht mit so heruntergekommenen