Dem Stellvertreter des Kaisers, Ferdinand, wurde seine Bürde desto lästiger, je weniger ein Ende abzusehen war. Kam er vergnügt von einer Jagd oder Prozession zurück, so konnte er sicher sein, dass ihn eine unbequeme Nachricht von den Geschäften erwartete. Die Ketzer seien nun einmal halsstarrige Esel, sagte er, vergeblich traktiere man sie mit Hü und Hott, guten und bösen Worten, die Bestie sei nicht von der Stelle zu bringen. Inzwischen wurde ihm die Mutter krank, sorgte sich die Frau um ihn und um die Kranke, verlangte der Bube nach seinem Vater; er hätte den ganzen Kram zusammenschmeißen mögen. Da ereignete sich ein Zwischenfall, der ihn von ganz anderer Seite in die größte Bestürzung und Drangsal versetzte. Zufälligerweise nämlich geriet die Korrespondenz, welche von dem im Jahre 1606 zwischen den Gliedern der habsburgischen Familie abgeschlossenen Vertrage handelte, in die Hände eines kaiserlichen Beamten, und die sorgfältig geheimgehaltene Abmachung, ja gleichsam Verschwörung wurde dadurch dem Kaiser bekannt. Der Zorn desselben, der sein Misstrauen gerechtfertigt sah, stieg aufs höchste und wendete sich hauptsächlich gegen Ferdinand, den er für anhänglich und weniger gefährlich als seine Brüder gehalten hatte. Das Herz sank dem Erzherzoge, als das Missgeschick offenbar wurde und keine Möglichkeit blieb, das Geschehene abzuleugnen. Zwar wurden sofort Briefe an den Kaiser abgeschickt mit Versicherungen, der Vertrag sei keineswegs gegen seine Hoheit gemeint, sondern hätte nur für den etwaigen, hochzubeklagenden Fall seines Todes Vorsorge treffen sollen; allein sie verfingen nicht, und es galt nun, einen entschiedenen Standpunkt einzunehmen. Am liebsten hätte Ferdinand sich der Gnade des Kaisers anvertraut und Matthias verleugnet, da der Kaiser nun einmal das rechtmäßige Oberhaupt war und zunächst den sichersten Schutz bot; inzwischen hatte Matthias aber Fortschritte in Ungarn gemacht, und man musste darauf gefasst sein, dass er den rebellischen Protestanten in Böhmen die Hand bot und mit dem Kaiser abfuhr: wo blieben dann diejenigen, die es mit dem Abgedankten gehalten hatten? Im vertrauten Kreise schimpfte Ferdinand auf Matthias, der an allem schuld sei; hätte er voraussehen können, dass der desperate Mensch in solcher Furie gegen den eigenen Bruder losziehen würde? Die Suppe hätte ihnen der Khlesl eingebrockt, der mehr als der Gottseibeiuns zu fürchten sei; der hätte dem Matthias, der ein guter, frommer Mensch gewesen sei, so lange den Wolfspelz umgehängt, bis er ein Wolf geworden sei. Seine Mutter, die Erzherzogin Maria, die sich in den verschiedenen Klöstern, denen sie angehörte, mit Andachtsübungen auf den Tod vorbereitete, stimmte eifrig ein und riet zu vorsichtiger Zurückhaltung, um es weder mit Rudolf noch mit Matthias zu verderben; auch ihr Bruder, der alte Herzog von Bayern, Ferdinands Schwiegervater, sei der Meinung, da Ferdinand nun einmal in dieser Klemme stecke, müsse er ein wenig dissimulieren, um Zeit zu gewinnen, inzwischen könne dies oder das geschehen und die Lage sich ändern.
Einen Trost gewährte das Anerbieten Schweikhards von Mainz, er wolle nach Prag reisen und Frieden stiften. Die kaiserliche Majestät sei zwar ein wenig spanisch und besonders, im Grunde aber gut und fromm, man müsse ihn nur zu nehmen wissen. In den jetzigen gefährlichen Läuften dürfe nicht noch ein Familienstreit zu den vielen im Reiche obschwebenden Zwistigkeiten kommen; auch Matthias meine es ja nicht böse, bei allseitigem gutem Willen werde sich die Sache wohl wieder einrenken lassen.
Der Reichstag hatte inzwischen keine guten Früchte gezeitigt. Im Februar wurden die württembergischen Gesandten wegen des durch einen Schlagfluss herbeigeführten jähen Todes des Herzogs Friedrich zurückgerufen, worauf auch die übrigen Evangelischen einer nach dem anderen abreisten.
9.
Der Kaiser hatte in ohnmächtiger Wut zusehen müssen, wie Matthias sich zum Herrn von Ungarn machte, und erfuhr nun auch von seinen geheimen Verhandlungen mit den unzufriedenen böhmischen Ständen, sodass er sich nicht mehr verhehlen konnte, wie nahe er daran war, auch die böhmische Krone zu verlieren. Der zuverlässigste unter seinen Räten, Hannewald, wie auch der ihm unbedingt ergebene katholische Kanzler, Popel von Lobkowitz, rieten ihm beide, einen Landtag einzuberufen, auf welchem die Stände ihre Forderungen vortragen könnten; dies sei das einzige Mittel, das Vertrauen wieder herzustellen. Hannewald war ein kluger, arbeitskräftiger Mann, der einzig den Vorteil des Kaisers im Auge hatte, alle Menschen außer sich selbst verachtete und durch nichts