In einer Nacht jedoch kam das Mädchen schwerverwundet vor die Tür ihres Elternhauses und ließ sich jammernd in ihr verlassenes Bett tragen; den Prinzen hatte, als sie in seinen Armen lag, plötzlich eine Raserei ergriffen, sodass er sie würgte, sie in die Brust biss und sie ermordet hätte, wenn auf ihr Schreien nicht ein Diener gekommen wäre und ihr die Flucht ermöglicht hätte. Wider Erwarten genas das Mädchen unter der Pflege der Eltern, die es nun ängstlich im Hause hüteten. Trotzdem gelang es Don Giulio, ihr Briefe zuzustecken und auch selbst einzudringen; allein der Vater warf ihn hinaus und rief, um sein Kind vor ferneren Nachstellungen zu sichern, den Schutz des Statthalters von Krumau an. Dieser verwünschte im Herzen den unbequemen Bastard, gab aber doch seinem herrischen Drängen und Drohen nach und ließ es zu, dass der Barbier, weil er den Sohn des Kaisers angegriffen hätte, ins Gefängnis geworfen wurde. Nun erreichte Don Giulio seinen Willen; denn die furchtsame Mutter glaubte durch Nachgiebigkeit Gnade für ihren Mann erkaufen zu müssen, und das Mädchen vermochte, wiewohl es sich entsetzte und verloren gab, keinen Widerstand zu leisten. Durch Demut und Zärtlichkeit suchte sie einen neuen Ausbruch seiner seltsamen Wut zu beschwören, indes er sie misstrauisch beobachtete, weil es ihm schien, als sei sie traurig und verlange nach Hause. So waren mehrere Wochen vergangen, als er eines Abends, nachdem er mehr Wein als gewöhnlich getrunken hatte, sie aufforderte, sich zu ihm zu setzen und mit ihm zu trinken. Ihre Weigerung reizte ihn, und es kam ein Blick in seine Augen, der ihr eine schreckliche Erinnerung einflößte und ihre Glieder lähmte. Als er ihre Angst sah, verriegelte er Tür und Fenster, warf sie auf das Bett und ließ nicht von ihr ab, bis sie tot war; ihren empfindungslosen Körper zerriss und zerhackte er, worauf ihn plötzlich die Kräfte verließen.
Das geschehene Unglück suchte man nach Möglichkeit zu vertuschen. Der Barbier, der im Gefängnis schwer erkrankt war, wurde zunächst darin gelassen, damit sein Geschrei das Übel nicht vermehre; später dachte man, wenn es noch nötig sei, ihn durch Geld abzufinden. Freilich sah der Statthalter ein, dass ernstliche Maßnahmen getroffen werden müssten, um den Unhold an der Ausübung weiterer und vielleicht empfindlicherer Abscheulichkeiten zu verhindern.
Philipp Lang unternahm es, den Kaiser von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen, machte aber durchaus nicht den Eindruck damit, den man gefürchtet hatte. Das Mädchen hätte sich vorsehen sollen, meinte der Kaiser, man könne nicht für jede Hure in der Welt aufkommen. Das sei wohl wahr, sagte Lang; aber es sei doch wohl an dem, dass der junge Herr ein wenig hauptkrank sei, wie die Ärzte wissen wollten, und man tue daher vielleicht am besten, wenn man ihn der Bewachung eines geschickten Arztes sowie eines Geistlichen anvertraue, die wechselweise mit Purganzen und Bußpredigten, wie es sich eben schicke, ihren Vorteil an ihm wahrnehmen könnten. »Meinetwegen«, sagte der Kaiser; man solle nur gründlich mit ihm abfahren, ihm sei alles gleich. Seine Söhne taugten nichts, frönten auf seine Kosten einem üppigen Leben, ohne es ihm zu danken. Er ziehe jetzt die Hand von Don Giulio ab, und es dürfe bei seiner Ungnade künftig nicht mehr von ihm geredet werden.
In der habsburgischen Familie wurde diese Geschichte Don Giulios mit Schadenfreude und Entrüstung besprochen und bestärkte sie in der Meinung, mit Rudolf gehe es abwärts, und sie müssten sich zusammenschließen, damit er nicht das ganze Haus in den Abgrund ziehe. Schon im Jahre 1606 hatten sie unter sorgfältigen Vorkehrungen zur Geheimhaltung ihres Unterfangens einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem Matthias, als der Älteste, zu ihrem Haupt angenommen werden und befugt sein sollte, im Falle der Not etwas Entscheidendes vorzunehmen.
Rudolf hatte sich, nachdem er seines treuen Feldherrn beraubt war, dazu bewegen lassen, dass er Matthias in dem noch immer fortdauernden Türkenkriege den Oberbefehl übertrug, und unter dessen Leitung war es zu einem nicht gerade ungünstigen Friedensvertrage gekommen. Als nun aber der Vertrag dem Kaiser vorgelegt wurde, weigerte er sich zu unterschreiben, weil darin schimpfliche Verluste für ihn vorgesehen wären; der Krieg, sagte er, solle bis zur vollständigen Unterwerfung des Feindes fortgesetzt werden. Dagegen war zu erwidern, dass es zur Fortführung des Krieges an Geld fehle, dass die Ungarn sich mit den Türken verbinden würden und dass es dem doppelten Angriff zu widerstehen noch weniger möglich sein würde; aber Rudolf entgegnete, er wisse recht gut, dass Matthias durch den Frieden das Heer frei bekommen wolle, um es nach Prag zu führen und ihm, seinem Bruder, die Krone zu entreißen; dahin wolle er es nicht kommen lassen.
Diesen Verdacht galt es dem Kaiser auszutreiben, und da Matthias sein Gewissen nicht rein fühlte, auch die Abneigung des Bruders gegen seine Person sich nicht zu überwinden getraute, machte sich Khlesl nach Prag auf, um den Kaiser von seines Schützlings Unschuld und Ergebenheit zu überzeugen. Bei dem Hasse Rudolfs gegen Matthias war diese Reise nicht ohne Gefahr für den Bischof, und viele warnten ihn, er solle seinen Kopf nicht mutwillig in des Löwen Rachen stecken; aber Khlesl ließ sich nie durch Befürchtungen für seine Person von einem Unternehmen abhalten, auch weil er sich als Werkzeug Gottes noch zu vielen Taten und Ehren vorbehalten glaubte. Freilich konnte er sich in Prag neuer, unbehaglicher Gefühle nicht immer erwehren. An das kleine, bürgerliche Wien gewöhnt, wo ihn jedermann kannte und ehrfürchtig grüßte, schien er sich fast in einen anderen Erdteil und unter barbarische Fremdlinge versetzt, deren Blick teils gleichgültig, teils mit feindseliger Drohung auf ihm ruhten. Wenn sie hier ein Bubenstücklein an dir verüben wollten, ging es ihm zuweilen durch den Sinn, so möchte es wohl lange währen, bis ein Hahn danach krähte; aber er ließ das nicht aufkommen, sondern beruhigte